Leitsatz (amtlich)

a) Der Anwendungsbereich der Prospekthaftung im engeren Sinn ist erst dann eröffnet, wenn der Prospekt, aufgrund dessen ein Kapitalanleger den Prospektverantwortlichen in Anspruch nimmt, Grundlage der Anlageentscheidung gewesen ist; hieran fehlt es, wenn der Anleger vom Inhalt des Prospekts bei seiner Anlageentscheidung keine Kenntnis hatte.

b) Zur Frage der Übertragbarkeit der von der Rechtsprechung zur Prospekthaftung nach § 45 BörsG a.F. entwickelten Grundsätze über den Anscheinsbeweis bei Vorliegen einer Anlagestimmung auf die Prospekthaftung im engeren Sinn.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 19.05.2004; Aktenzeichen 1 O 435/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.12.2007; Aktenzeichen II ZR 21/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.5.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (1 O 435/02) teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn die Beklagten leisten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 54.759,09 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger, der im Jahr 1999 eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter am sog. Unternehmenssegment VII der S.G.I. und V. AG (im Folgenden: S. AG) unterzeichnete, nimmt die Beklagten als deren damalige Vorstandsmitglieder im Wege des Schadensersatzes unter den Gesichtspunkten der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung sowie der unerlaubten Handlung auf Erstattung geleisteter Einlagen sowie auf Freistellung von weiteren Ratenzahlungsverpflichtungen ggü. der S. AG in Anspruch.

Der Kläger unterschrieb zunächst am 2.5.1999 einen Zeichnungsschein über eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter am Unternehmenssegment VIII der S. AG (Anlage B. 20, Bl. 312 ff. d.A.). Diese Beteiligung gelangte letztlich nicht zur Ausführung.

Danach schloss der Kläger mit der S. AG unter der Nr. einen Vertrag über seine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an deren Unternehmenssegment VII. Den hierfür maßgebenden Zeichnungsschein (Anlage K 1, Bl. 31 d.A.) unterschrieb der Kläger jedenfalls nach August 1999, wobei hinsichtlich der Zeichnung durch den Kläger im Zeichnungsschein eine Rückdatierung auf den 2.5.1999 deshalb erfolgte, weil der Kläger bereits Zahlungen aufgrund des früheren Zeichnungsscheines erbracht hatte. Die Beitrittserklärung des Klägers wurde durch die S. AG am 22.12.1999 angenommen.

Ausweislich des Zeichnungsscheins beteiligte sich der Kläger mit einer Einmaleinlage i.H.v. 6.000 DM sowie 480 monatlichen Rateneinlagen i.H.v. jeweils 200 DM, jeweils zzgl. 5 % Agio. Die Einmaleinlage sollte jährlich entnommen und im Rahmen der sog. ["S.-Rente"] wieder angelegt werden. Der Kläger zahlte als Einmaleinlage insgesamt 6.300 DM (3.221,14 EUR) sowie im Zeitraum von Juni 1999 bis November 2002 Raten in einer Gesamthöhe von 4.509,59 EUR, insgesamt somit 7.730,73 EUR.

In dem Zeichnungsschein bestätigte der Kläger durch eine gesonderte Unterschrift, dass ihm der "Emissions-Prospekt zur ["S.-Rente"] (Kenn.-Nr. 13.3) der S. AG ausgehändigt worden sei. Dieser Prospekt vom 1.8.1999, den die Beklagten zu 1) und 2) unter Angabe dieses Datums unterzeichneten, wurde im Auftrag des Vorstands der S. AG durch die Rechtsanwaltskanzlei Z., Dr. R. und Partner, an der u.a. die Beklagten zu 1) und 2) beteiligt sind, erstellt.

In dem Prospekt werden u.a. der Gegenstand der S. AG, deren interne Einteilung in acht Unternehmenssegmente, an denen die Anleger unterschiedlich beteiligt sind und denen die einzelnen Vermögensgegenstände, Schulden, Aufwendungen und Erträge zugeordnet werden, sowie die ausschließliche Beteiligung des atypisch stillen Gesellschafters des Unternehmenssegments VII am Gewinn und Verlust dieses Unternehmenssegments, nicht jedoch der anderen Unternehmenssegmente, erläutert. Ferner enthält der Prospekt Hinweise auf die Unternehmens- und Konzernstruktur der S. AG, ihre kapitalmäßigen Verflechtungen mit wesentlichen Vertragspartnern und gesellschaftsrechtliche sowie wirtschaftliche Verflechtungen von Organmitgliedern mit Vertragspartnern und eine Risikobelehrung. So wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich, auch wenn das Unternehmenssegment VII wirtschaftlich erfolgreich ist, negative Auswirkungen ergeben könnten, wenn in den anderen Unternehmenssegmenten wirtschaftliche Fehlentwicklungen entstünden, die ein Insolvenzrisiko für die gesamte S. AG nach sich zögen. Zu berücksichtigen sei, dass sich negative wirtschaftliche Entwicklungen des Gesamtunternehmens aufgrund der einheitlichen Haftungsmasse auch auf das Unternehmenssegment VII auswirkten. Schließlich enthält der Prospekt eine Verantwortlichkeitserk...

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