Leitsatz (amtlich)

Unter dem Begriff "Anschrift" ist auch nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 14 BGB-InfoV in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung die ladungsfähige Anschrift, also die Hausanschrift und nicht die bloße Postfachanschrift, zu verstehen (Bestätigung von OLG Koblenz, Urt. vom 9.1.2006 - 12 O 740/04, NJW 2006, 919 ff.; Abgrenzung von BGH, Urt. v. 11.4.2002 - I ZR 306/99, NJW 2002, 2391 ff. - Postfachanschrift).

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 05.06.2009; Aktenzeichen 1 O 254/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 5.6.2009 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 1 O 254/08 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt nach erfolgtem Widerruf eines von ihm mit der beklagten Bank geschlossenen, der Finanzierung des Kaufpreises für einen gebrauchten Pkw dienenden Verbraucherdarlehensvertrags die Rückabwicklung des mit diesem verbundenen Kaufvertrags über den Pkw.

Die Parteien streiten ausschließlich darüber, ob der Kläger über das ihm hinsichtlich des Darlehensvertrags zustehende Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist, die Widerrufsfrist dementsprechend zu laufen begonnen hat und er deshalb seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung infolge Fristablaufs nicht mehr wirksam widerrufen konnte. Der Kläger hat sich insoweit auf eine Vielzahl von Mängeln der von der Beklagten in dem zwischen den Parteien geschlossenen Kreditvertrag vom 23.4./23.5.2008 (Anlage K 2 = GA 15 ff.) erteilten Widerrufsbelehrung berufen, u.a. darauf, dass die in der Belehrung angegebene Postfachanschrift der Beklagten als Widerrufsadressatin nicht ausreichend sei.

Durch das angefochtene Urteil (GA 87 - 94), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 9.271,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5.9.2008 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des VW Passat TDI Variant ABT, Fahrgestell-Nr. amtliches Kennzeichen zum Zeitpunkt der Klageerhebung. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, auch wenn der Widerruf nach Ablauf der Zweiwochenfrist ab Erteilung der Widerrufsbelehrung erfolgt sei. Denn mangels ordnungsgemäßer Belehrung habe die Frist nicht zu laufen begonnen und das Widerrufsrecht auch nicht erlöschen können. Im Falle der Verwendung des amtlichen Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV sei nach dem Gestaltungshinweis Ziff. 3. zu dieser Anlage die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Widerrufsadressaten ebenso erforderlich wie nach § 14 Abs. 4 BGB-InfoV im Falle der Nichtverwendung dieses Musters. Danach müsse also eine Hausanschrift und nicht nur eine Postfachanschrift angegeben werden. Soweit nach der Rechtsprechung des BGH vor Inkrafttreten der BGB-InfoV unter Anschrift i.S.d. § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht die Hausanschrift, sondern die Postanschrift und dementsprechend auch die Postfachanschrift zu verstehen sei, sei diese Rechtsprechung durch die Einführung von § 14 BGB-InfoV obsolet geworden. Ausgehend hiervon genüge die von der Beklagten in ihrer Widerrufsbelehrung lediglich angegebene Postfachanschrift nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dieser Mangel werde auch nicht dadurch geheilt, dass am unteren Rand der Seite eine Hausanschrift in abgedruckt sei, da jedenfalls unklar bleibe, welche der Anschriften zur Ausübung des Widerrufsrechts maßgeblich sein solle.

Damit sei der Kläger auch nicht mehr an den mit dem Darlehensvertrag verbundenen Kaufvertrag gebunden. Da das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits valutiert gewesen sei, habe die Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen den Parteien zu erfolgen. Demgemäß habe die Beklagte Wertersatz für das von dem Kläger ursprünglich in Zahlung gegebene und inzwischen weiterveräußerte Altfahrzeug zu leisten. Von dem insoweit vereinbarten Preis i.H.v. 14.700 EUR sei entsprechend den Vereinbarungen des Klägers mit der Verkäuferin ein Betrag i.H.v. 3.000 EUR in Abzug zu bringen, den die Verkäuferin zur Ablösung des der Finanzierung des Altfahrzeugs des Klägers dienenden Kredits aufgewendet habe. Zudem habe sich der Kläger eine Nutzungsvergütung in unstreitiger Höhe von 2.428,76 EUR anrechnen zu lassen, so dass sich ein Zahlungsanspruch des Klägers i.H.v. 9.271,24 EUR errechne. Andererseits habe der Kläger - wie von ihm beantragt - das finanzierte Fahrzeug Zug um Zug an die Beklagte herauszugeben.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Sie meint, das LG habe die Rechtsprechung des BGH zu § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB zu Unrecht für überholt erachtet. Es habe verkannt, dass d...

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