Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 03.03.2010; Aktenzeichen 12 O 271/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 02.10.2012; Aktenzeichen VI ZR 311/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3.3.2010 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken - 12 O 271/06 - wie folgt abgeändert:

1. Der gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner gerichtete Schmerzensgeldanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen materiellen und künftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus dem Unfallereignis vom 18.7.2006 folgt, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder noch übergehen wird.

II. Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schmerzensgeld und die Feststellung der Eintrittspflicht für sämtliche materiellen und künftige immateriellen Schäden, die ihr aus dem Unfallereignis vom 18.7.2006 im Bereich der Stadt D. entstanden sind und noch entstehen.

Die Klägerin unternahm am späten Vormittag des 18.7.2006 zusammen mit ihrem Hund einen Waldspaziergang, der durch ein Waldgrundstück führt, das der Beklagten zu 1) gehört. Es handelt sich um einen ca. 300 ha großen, planmäßig bewirtschafteten Wald, der in der Stadtrandlage von D. liegt und entsprechend seiner Nähe zur Stadt von der Bevölkerung als Naherholungsgebiet stark frequentiert und als "D. H. wald" bezeichnet wird. Das Waldgebiet ist in forstübliche Abteilungen eingeteilt. Im Bereich der Abteilung 8.1. steht ein (im Jahre 2006) 106-jähriger Eichenwald, der teilweise mit anderen Laub- und Nadelhölzern gemischt ist.

Von einer ca. 5 bis 6 m neben dem von der Klägerin begangenen, ca. 3,5 m breiten Forstwirtschaftsweg stehenden Eiche löste sich ein Ast und traf die Klägerin am Hinterkopf. Bei dem Ast handelte es sich um einen sog. Starkast, der ca. 17 m lang, mehrfach gekrümmt und in ca. 4,5 m Entfernung vom Stamm gegabelt war. Der Durchmesser an der Starkastbasis beträgt 26 cm, im Ausgangsbereich des Bruches - ca. 1,8 bis 2 m Entfernung vom Stamm - ca. 23 cm. Zum Unfallzeitpunkt herrschte leichter Wind und es war sehr warm.

Die Klägerin wurde durch den herabfallenden Ast am Hinterkopf getroffen, wodurch eine schwere Hirnschädigung eintrat. Nach stationären Aufenthalten im ~krankenhaus in S. sowie in einer Klinik für Wachkomapatienten im W. befindet sie sich nunmehr in häuslicher Pflege bei ihrer Schwester. Sie wird durch ihre Mutter als Betreuerin vertreten.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass der fragliche Baum derart offenkundig geschädigt und nicht mehr verkehrssicher gewesen sei, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht offen zutage liege. Angesichts des höchst bedenklichen Erscheinungsbildes von Baum und Ast habe eine "einfache Sichtkontrolle vom Boden aus" nicht genügt. Eine Kontrolle unter Einsatz von Kranwagen, einer Hebebühne oder ähnlichem Gerät sei auch ohne weiteres möglich gewesen (Schriftsatz vom 3.1.2007; Bl. 98 d.A.).

Die Beklagte zu 1) habe auch ihr obliegende Organisationspflichten verletzt, da für die Kontrolle eines einzelnen Baumes lediglich 48 Sekunden zur Verfügung gestanden hätten und lediglich ein einziger Baumkontrolleur in der VTA-Methode geschult gewesen sei. Die Schulungen des Beklagten zu 2), der speziell für die Baumkontrollen verantwortlich bei der Beklagten zu 1) angestellt sei - insoweit unstreitig -, stammten aus dem Jahre 2001 und seien zu lange zurückliegend. Im Übrigen lägen auch Dokumentationsmängel vor.

Der Beklagte zu 2) hafte neben der Beklagten zu 1), weil er konkret mit den Baumkontrollen beauftragt und hierfür verantwortlich gewesen sei.

Die Klägerin sieht mit Blick auf die bei ihr bestehenden schwersten Schädigungen ein Schmerzensgeld i.H.v. 200.000 EUR sowie das Feststellungsbegehren als gerechtfertigt an. Sie habe neben den eingetretenen schweren Hirnschädigungen wohl auch weitere Infarkte erlitten. Aussicht auf eine Heilung bestehe nicht. Eine Lähmung werde wohl bleiben, jedoch sei die weitere Entwicklung nicht im Einzelnen abzusehen (Schriftsatz der Klägerin vom 17.3.2008 S. 4 ff. d.A.; Bl. 426 ff. d.A.). Was das Schmerzensgeld und seine Höhe anbelange, so werde der Mindestbetrag im Antrag zu 1) für die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung begehrt; der Feststellungsantrag umfasse alle künftigen Schäden.

Die Beklagten haben erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Unfall verursachende Baum nicht abgestorben gewesen sei. Der in Rede stehende Ast sei zumindest in Teilen belaubt gewesen. Die für den Abbruch des Astes ursächliche Faulstelle sei von außen nicht erkennbar gewesen, wobei der Ast am Ansatz des Stammes abgebrochen und in diesem Bereich noch fest und lebend gewesen sei. Die Gefahrenquelle sei im Rahmen der Sichtkontrolle nach VTA nicht erkennbar gewesen. Zweimal jährlich - und zwar am 15.2. und 15.9. - lasse die Be...

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