Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 14 O 80/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. September 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 80/17 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 465.000,- Euro festgesetzt

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung. Zwischen den Parteien besteht seit 1. März 2009 unter der Versicherungsnummer ... ein Unfallversicherungsvertrag ("Unfall Aktiv-Schutz", BI. 52 GA). Versichert ist u.a. eine Invaliditätsleistung mit einer Grundsumme von ursprünglich 40.000,- Euro, einer Dynamik von 6 Prozent und einer Progression "1000 Prozent PLUS", die Versicherungssumme bei Vollinvalidität betrug ursprünglich 400.000,- Euro, bei Vollinvalidität erhöhte sie sich um 100.000,- Euro; seit dem 1. März 2012 betrug die Grundsumme 48.500,- Euro, die Leistung bei Vollinvalidität 485.000,- Euro (BI. 100 GA). Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Unfall-Versicherungsbedingungen UN 9005 (AUB 2008, Bl. 54 ff. GA) und die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel 1000 % (Progression 1000 % PLUS) - UN 4171 (Bl. 57 GA) zugrunde.

In der Nacht auf den 29. Dezember 2012 zu einer nicht sicher feststellbaren Uhrzeit, jedenfalls aber vor 2h50 Uhr, verunfallte die Klägerin mit dem Pkw ihres damaligen Lebensgefährten, indem sie auf der L 339 vor dem Ortseingang von R. in einer Linkskurve von der Fahrbahn abkam, ins Schleudern geriet und mit der Beifahrerseite gegen einen am linken Straßenrand befindlichen einzelnen Baum prallte. Ihr auf dem Beifahrersitz sitzender Lebensgefährte verstarb. Die Klägerin erlitt bei dem Unfall multiple, lebensbedrohliche Verletzungen, u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades. Alkoholgeruch an der Unfallstelle wurde durch das Rettungspersonal zwar bei dem Beifahrer, nicht jedoch bei der Klägerin wahrgenommen. Nach dem Unfall wurde die Klägerin zunächst in das Klinikum S. verbracht, wo sie sich bis zum 19. Februar 2013 in stationärer Behandlung befand (BI. 7 GA); weitere stationäre Behandlungen schlossen sich an, die Mutter der Klägerin wurde zu ihrer gesetzlichen Betreuerin bestellt. Im Rahmen der notfallmäßigen Aufnahme wurde der Klägerin im Klinikum S. um 4h30 Uhr eine Blutprobe entnommen und daraus der Ethanolspiegel bestimmt. Ausweislich des Laborberichts des Labors Bioscienta MVZ S. GmbH vom 29. Dezember 2012 betrug dieser 1,4 Promille (BI. 71 GA). Mit Schadensanzeige vom 17. Januar 2013 zeigte die Mutter der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Betreuerin der Beklagten den Versicherungsfall an (BI. 82 ff. GA). Eine in dem Schadensanzeigeformular enthalten Frage, ob die verletzte Person in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen habe, verneinte sie darin ebenso wie die weitere Frage, ob eine Blutprobe entnommen worden sei. Das Formular enthielt u.a. einen Hinweis auf die im Falle eines Dauerschadens zu beachtenden Fristen sowie einen Hinweis auf "Ihre Pflichten nach dem Versicherungsfall und Folgen bei deren Verletzung - Mitteilung nach § 28 Abs. 4 VVG". Mit Schreiben vom 6. August 2013 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten, also bis zum 29. März 2014, von einem Arzt schriftlich festgestellt werden müsse, da sie ansonsten ihren Anspruch auf Zahlung verliere (Bl. 85 GA). In einem Schreiben vom 3. Februar 2014 nahm der damalige Prozessbevollmächtigten der Klägerin Bezug auf die der Beklagten vorliegenden ärztlichen Berichte des Dr. med. R. G. und des Dipl.-Psychologen D. S. und teilte mit, dass eine wesentliche Besserung des Zustandes der Klägerin nicht zu erwarten sei (BI. 117 GA). Die Beklagte leistete vorgerichtlich Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 120.000,- Euro, wobei die zeitlich letzte Zahlung von 30.000,- Euro im März 2014 unter Rückforderungsvorbehalt erfolgte. Am 19. Januar 2016 übersandte das Klinikum S. der Beklagten einen ärztlichen Bericht, aus welchem sich u.a. ein Hinweis auf die BAK der Klägerin von 1,4 Promille aufgrund der am Unfalltag entnommenen Blutprobe ergab (BI. 69 GA). Mit Schreiben an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29. März 2016 lehnte die Beklagte daraufhin weitere Leistungen unter Hinweis auf eine erhebliche Alkoholisierung der Klägerin zum Unfallzeitpunkt ab und forderte die bereits geleisteten Entschädigungszahlungen zurück (BI. 90 GA). Mit Schreiben vom 18. Juli 2016 forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich zur Zahlung weiter...

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