Leitsatz (amtlich)

Ist der Versicherungsnehmer mit dem versicherten Fahrzeug nachts mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,85 Promille in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt, so kann, wenn seine Darlegungen einen alkoholunabhängigen Geschehensverlauf nicht plausibel zu erklären vermögen, der Nachweis eines alkoholursächlichen schweren Fahrfehlers geführt und der Versicherer nach den Umständen des Einzelfalles zur Kürzung der Versicherungsleistung auf Null berechtigt sein.

 

Normenkette

AKB Nr. A. 2.9.1; VVG § 81 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 11.02.2022; Aktenzeichen 14 O 11/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.02.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 11/20 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 12.147,09 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Leistungen aus einer KFZ-Vollkaskoversicherung.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen xxx, welches bei dem Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer xxx kaskoversichert ist. Vereinbart ist eine Selbstbeteiligung von 300 EUR in der Vollkaskoversicherung. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die KFZ-Versicherung (AKB) des Beklagten zu Grunde.

Ziff. A.2.2.2.2 AKB für die Vollkaskoversicherung lautet:

"Versichert sind Schäden am Fahrzeug durch Unfall. Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis.

[...]"

Ziff. A.2.5.1.1 AKB lautet:

"Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs zahlen wir den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs. [...]".

Ziff. A.2.5.3.2 lautet:

"Bei Beschädigung des Fahrzeugs ersetzen wir die Kosten für das Abschleppen vom Schadenort, bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt.

[...]".

Ziff. A.2.9.1 lautet:

"Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie vorsätzlich herbeiführen. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen, allerdings nur, soweit es sich [...] um die Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel handelt."

Die Klägerin befuhr am 28.09.2019 gegen 4:00 Uhr morgens mit dem vorgenannten Fahrzeug das Autobahndreieck Nonnweiler der BAB 1 aus Saarbrücken kommend in Fahrtrichtung Trier auf dem Übergang von der BAB 1. Das Fahrzeug kam ins Rutschen, geriet über den Grünstreifen und kollidierte dort mit einem Baum, wodurch das Fahrzeug erheblich beschädigt wurde.

Zum Unfallzeitpunkt war es dunkel und die Fahrbahn aufgrund von Regen nass. Bei der Klägerin wurde zum Entnahmezeitpunkt um 7:37 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 0,85 Promille festgestellt.

Am klägerischen Fahrzeug entstand ein Schaden in Höhe von 11.970,00 EUR (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert). Abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 300 EUR wurde der Beklagte durch anwaltliche Schreiben vom 10.10.2019 und 15.10.2019 zur Regulierung eines Betrages von 11.670,00 EUR aufgefordert, in letzterem Schreiben unter Fristsetzung bis zum 31.10.2019. Mit Schreiben vom 28.11.2019 lehnte der Beklagte jedwede Regulierung ab.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Erstattung ihres Fahrzeugschadens sowie angefallener Abschleppkosten in Höhe von 507,09 EUR begehrt.

Sie hat behauptet, sie habe, da ein anderes Fahrzeug vor ihr grundlos eine starke Bremsung vorgenommen habe, eine Gefahrenbremsung vornehmen müssen. Dabei sei ihr Fahrzeug ins Rutschen gekommen. Der Unfall sei daher nicht auf ihre Alkoholisierung zurückzuführen, sondern hätte auch einem nüchternen Straßenverkehrsteilnehmer passieren können. Anzeichen einer Alkoholisierung seien nicht zu erkennen, insbesondere sei am Unfallort eine normale Unterhaltung durch die Polizei mit der Klägerin möglich gewesen. Sie habe lediglich aufgrund des Unfalls unter Schock gestanden und daher zu weinen begonnen und an Atemnot und Panik gelitten.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Bei der Klägerin habe nicht nur relative, sondern auch absolute Fahruntüchtigkeit vorlegen. Der Unfall sei auf überhöhte Geschwindigkeit und die Alkoholisierung der Klägerin zurückzuführen. Bei dem klägerseits behaupteten Unfallhergang handele es sich um eine reine Schutzbehauptung, vielmehr habe die Klägerin das Fahrzeug aufgrund ihrer Alkoholisierung nicht sicher führen können. Schon aus der Äußerung "die Windschutzscheibe sei nur noch rot gewesen" ergäben sich Ausfallerscheinungen, die zu dem Unfall geführt hätten.

Betreffend die Schadenshöhe rügt der Beklagte, dass in der Rechnung des Abschlepp...

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