Leitsatz (amtlich)

1. Das auf eine Sorgerechtsentscheidung nach § 1671 Abs. 1 BGB anwendbare Sachrecht folgt auch dann aus Art. 15 Abs. 1 KSÜ, wenn sich die internationale Zuständigkeit des Gerichts nicht aus dem KSÜ, sondern aus Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO ergibt (sog. Gleichlauf).

2. Selbst wenn in einem Ausgangsverfahren bereits ein Umgangsrecht tituliert worden ist, ist Entscheidungsmaßstab für einen späteren Umgangsausschluss unmittelbar § 1684 Abs. 4 BGB; § 1696 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar.

3. Zu den Voraussetzungen für den Umgangsausschluss mit einem 16 Jahre alten, seit Jahren in einer Pflegefamilie lebenden Jugendlichen, der den Umgang ablehnt.

4. Wegen § 166 Abs. 2 FamFG, § 1696 Abs. 2 BGB ist ein Umgangsausschluss in angemessenem Abstand von Amts wegen zu überprüfen.

5. Ein Verfahrensbeistand kann von einem anderen Beteiligten nicht als befangen abgelehnt werden. Allerdings ist die persönliche oder fachliche Eignung des erstinstanzlich bestellten Verfahrensbeistandes im Rechtsmittelverfahren betreffend die Endentscheidung zu überprüfen (§ 58 Abs. 2 FamFG).

6. Die Hinweispflicht nach § 89 Abs. 2 FamFG erfasst auch negative Umgangsregelungen wie einen Umgangsausschluss.

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amts-gerichts - Familiengericht - in St. Wendel vom 11. September 2018 - 6 F 95/17 UG - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. September 2018 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass - in Änderung des vor dem Saarländischen Oberlandesgericht im Verfahren 6 UF 47/10 am 2. September 2010 geschlossenen Vergleichs - das Umgangsrecht der Beschwerdeführerin mit dem beteiligten Kind auf Dauer ausgeschlossen wird und die Beteiligten ergänzend darauf hingewiesen werden, dass das Gericht bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus jenem Beschluss ergebenden Verpflichtungen gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen kann. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verhängen.

2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt; der erstinstanzliche Verfahrenswertbeschluss vom 16. Januar 2018 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin (fortan: Mutter), polnische Staatsangehörige, ist die Mutter des beteiligten, am ... 2002 geborenen Kindes F., für den seit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Wendel vom 29. Juni 2009 - 6 F 29/09 SO - Amtspflegschaft des Kreisjugendamtes St. Wendel für die Sorgeteilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und Recht zur Beantragung von Minderjährigenhilfe besteht. F. lebt seit 2009 in einer Pflegefamilie.

Der Mutter wurde durch vor dem Senat geschlossenen gerichtlich gebilligten Vergleich vom 2. September 2010 - 6 UF 47/10 - ein Umgangsrecht mit F. eingeräumt. In der Folgezeit fanden Umgangskontakte in der Regel alle vier Wochen statt.

Im vorliegenden Verfahren haben die Amtspflegerin und das Jugendamt mit am 7. August 2017 eingegangenem Schriftsatz beantragt, das Umgangsrecht der Mutter mit F. dauerhaft auszusetzen. Dem Antrag ist ein persönliches Schreiben F.s beigefügt, in dem auch dieser selbst um vollständige Aussetzung der Besuchskontakte zu seiner Mutter bittet.

Das Familiengericht hat für F. eine Verfahrensbeiständin bestellt und sowohl diese als auch F., die Mutter, die Amtspflegerin sowie die Sachbearbeiterin des Jugendamts persönlich angehört.

Durch den angefochtenen, mit Beschluss vom 24. September 2018 berichtigten Beschluss vom 11. September 2018, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht "die Besuchskontakte" F.s zur Beschwerdeführerin "ausgesetzt".

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Mutter sinngemäß die Einräumung eines Umgangsrechts mit F.

Die Verfahrensbeiständin, die Amtspflegerin und das Jugendamt bitten um Zurückweisung der Beschwerde.

II. Der nach §§ 58 ff. FamFG zulässigen Beschwerde der Mutter bleibt in der Sache ein Erfolg versagt.

Unangefochten und rechtsbedenkenfrei hat das Familiengericht - stillschweigend - seine internationale Zuständigkeit bejaht (Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO) und seine Entscheidung deutschem Sachrecht unterworfen (Art. 15 Abs. 1 KSÜ; sog. Gleichlauf, siehe dazu BGH FamRZ 2018, 457; 2011, 796 m. Anm. Völker).

Zu Recht hat das Familiengericht den Umgang der Mutter mit F. (richtig:) ausgeschlossen, ohne diesen Umgangsausschluss zu befristen.

Das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Es ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Sowohl So...

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