Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristwahrender Eingang einer Berufungsschrift in einer gemeinsamen Posteinlaufstelle von Land- und OLG

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Schriftsatz, der bei einer gemeinsamen Poststelle zweier Gerichte eingereicht wird, geht bei dem Gericht ein, an das er adressiert ist. Bei falscher Adressierung wird die Verfügungsgewalt des "richtigen" Gerichts erst dann begründet, wenn der mit der Postverteilung betraute Bedienstete die Fehladressierung bemerkt und den Schriftsatz an das zuständige Gericht weiterleitet.

 

Verfahrensgang

AG Saarlouis (Urteil vom 13.10.2006; Aktenzeichen 26 C 1783/05)

 

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.10.2006 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des AG Saarlouis - Az. 26 C 1783/05 - wird als unzulässig verworfen.

III. Die Kosten des Wiedereinsetzungs- und des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 757,56 EUR (247,56 +10 +500 EUR) festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1) und 2) wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 21.1.2005 in E. ereignet hat, auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Die Beklagte zu 1) macht im Wege der Widerklage Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin und die hinter dieser stehende Haftpflichtversicherung geltend.

An dem streitgegenständlichen Auffahrunfall waren drei Fahrzeuge beteiligt. Die Erstbeklagte ist als letztes der drei Fahrzeuge auf das Heck des klägerischen Pkw aufgefahren. Die Klägerin ist ihrerseits mit der Frontpartie ihres Fahrzeug gegen das Heck eines vor ihr haltenden Van gestoßen. Die Klägerin, die vom Alleinverschulden der Erstbeklagten ausgeht, hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.762,86 EUR, vorgerichtliche Anwaltskosten von 165,70 EUR sowie eines Schmerzensgeldes von mindestens 500 EUR jeweils nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Die Erstbeklagte hat widerklagend von der Klägerin und deren Haftpflichtversicherung einen Betrag von 1.029 EUR nebst Zinsen gefordert.

Durch das nunmehr angefochtene Teilanerkenntnis - und Schlussurteil hat das AG Saarlouis die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 2.505,30 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 165,70 EUR jeweils nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Widerklage der Erstbeklagten wurden die Klägerin und die hinter dieser stehende Haftpflichtversicherung aufgrund eines Teilanerkenntnisses als Gesamtschuldner zur Zahlung von 377 EUR verurteilt. Im Übrigen wurde die Widerklage abgewiesen.

Gegen das ihr am 17.10.2006 zugestellte Urteil (Bl. 182 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststelllungen Bezug genommen wird, hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2006, adressiert an das LG Saarbrücken, Berufung eingelegt (Bl. 188 d.A.). Der Schriftsatz ist ausweislich des Eingangsstempels per Telefax am 17.11.2006 um 9.40 Uhr bei der Vorschaltstelle des LG Saarbrücken eingegangen und am 20.11. 2006 zur zentralen Eingangsstelle des OLG gelangt. In der bis zum 17.1.2007 verlängerten Begründungsfrist hat die Klägerin ihr Rechtsmittel begründet (Bl. 197,199 f. d.A.). Die Klägerin verfolgt ihr Zahlungsverlangen in dem Umfang weiter, in dem dieses erstinstanzlich erfolglos geblieben ist.

Der Senat hat die Klägerin durch Verfügung vom 2.3.2007 (Bl. 216 d.A.) unter Bekanntgabe des Inhalts der dienstlichen Äußerung der Justizwachtmeisterin A.- H. vom 1.3.2007 (Bl. 215 d.A.) auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung und die Wahrung der Berufungsfrist hingewiesen. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.3.2007, per Telefax eingegangen am 30.3.2007 (Bl. 221,222 d.A.), erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Hilfsweise hat sie die Zurücknahme der Berufung erklärt und beantragt, den Rechtsstreit an das LG Saarbrücken zurückzuverweisen.

Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin geltend gemacht, die Berufungsschrift sei am 17.11.2006 um 9.36 Uhr so zeitig beim LG Saarbrücken eingegangen, dass mit einer fristwahrenden Weiterleitung an das nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b. GVG zuständige Saarländische OLG zu rechnen gewesen sei. Dass die Berufungsschrift erst am darauffolgenden Werktag, dem 20.11.2006, an das OLG weitergeleitet wurde, könne sich nicht zum Nachteil der Klägerin auswirken, weshalb dieser Wiedereinsetzung zu gewähren sei.

Die Beklagten treten der Berufung entgegen. Sie sind der Ansicht, das Rechtsmittel sei unzulässig, jedenfalls sei es unbegründet.

II. Die Berufung der Klägerin ist wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 517 ZPO) unzulässig (1). Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist zulässig aber nicht begründet (2), weshalb die Ber...

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