Leitsatz (amtlich)

1. Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege, so sind seine Pflegepersonen im Verfahren nach § 1666, 1666a BGB anzuhören. Kann dies dem Kindeswohl dienen, so ist außerdem ihre Hinzuziehung als Beteiligte erforderlich.

2. Im Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB kann es § 26 FamFG gebieten, den Lebensgefährten, der mit der Sorgeberechtigten einen gemeinsamen Haushalt führt, persönlich anzuhören. Dies gilt insbesondere, wenn die Frage der Rückführung des derzeit in einer Bereitschaftspflegefamilie lebenden Kindes der Sorgeberechtigten zu dieser in Rede steht.

3. Zum Umgangsrecht der Sorgeberechtigten mit ihrem in der Pflegefamilie lebenden Kind bei abgelehnter Rückführung, aber bestehenden Bindungen (hier: alle 14 Tage über das Wochenende mit mindestens einer Übernachtung).

 

Verfahrensgang

AG Homburg (Beschluss vom 12.06.2013; Aktenzeichen 9 F 454/11 HK)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Homburg vom 12.6.2013 - 9 F 454/11 HK - wird zurückgewiesen. Dadurch wird Ziff. 1. des Senatsbeschlusses vom 17.7.2013 gegenstandslos.

2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; zweitinstanzlich entstandene notwendige Aufwendungen werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Aus der Beziehung der 1993 geborenen Beschwerdeführerin (Mutter) und des weiteren Beteiligten zu 2. (Vater), die nur etwas länger als einen Monat Bestand hatte, ging am 6.9.2011 der beteiligte Sohn J. hervor. Der Vater erkannte die Vaterschaft am 25.10.2012 mit am 13.11.2012 erfolgter Zustimmung der Mutter an; Sorgeerklärungen wurden nicht abgegeben.

Nach der Geburt J. lebte die Mutter mit ihm ab dem 13.9.2011 zunächst in einer Mutter-Kind-Einrichtung. Sie verließ diese auf eigenen Wunsch am 11.11.2011 und zog zu ihrem jetzigen Lebensgefährten, M. K., mit dem sie seitdem zusammenlebt. J. beließ sie in der Einrichtung, nachdem sie für ihn am Vortag einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt hatte. Das Kreisjugendamt pp. (fortan: Jugendamt) brachte J. am 16.11.2011 - zunächst im Einverständnis mit der Mutter - bei der Bereitschaftspflegefamilie Z. (im Folgenden: Pflegeeltern) unter.

Im vorliegenden Verfahren hat die Mutter mit am 25.11.2011 eingegangenem Schriftsatz die Herausgabe J. an sie begehrt.

Das Jugendamt hat angeregt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Antragstellung zur Hilfe zur Erziehung für J. auf das Jugendamt zu übertragen.

Das Familiengericht hat ferner J. eine Verfahrensbeiständin bestellt, die den Antrag des Jugendamts unterstützt hat.

Das Familiengericht hat - ohne Fristbestimmung - am 8.12.2011 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet, das von Dipl.-Psychologin Sch. unter dem 26.4.2013 erstattet worden ist.

Eine vom Familiengericht am 17.12.2011 angeordnete Umgangspflegschaft samt Bestellung von Herrn Dipl.-Sozialpädagogen G. zum Umgangspfleger hat das Familiengericht mit Beschluss vom 17.8.2012 aufgehoben.

Es hat schließlich die Mutter, verschiedene Sachbearbeiter der Kreisjugendämter pp. sowie die Verfahrensbeiständin persönlich angehört.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 12.6.2013, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Herausgabeantrag der Mutter zurückgewiesen und ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht, Entscheidungen zur Gesundheitsfürsorge zu treffen, und das Recht, Anträge auf Hilfe zur Erziehung zu stellen, für J. entzogen und diese Sorgerechtsteilbereiche dem Kreisjugendamt pp. (im Weiteren: Pfleger) als Pfleger übertragen.

Mit ihrer Beschwerde beantragt die Mutter, den beanstandeten Beschlusses aufzuheben, die Anträge des Jugendamts zurückzuweisen und das Kreisjugendamt pp. zu "verurteilen", J. an sie herauszugeben. Die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt bitten um Zurückweisung der Beschwerde. Die Pflegeeltern und der Vater - die jeweils vom Senat zweitinstanzlich erstmals beteiligt worden sind - haben keinen Antrag gestellt.

Durch Beschluss vom 17.7.2013 hat der Senat die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses bis zur Hauptsacheentscheidung des Senats einstweilen ausgesetzt. In der Folgezeit hat die Mutter J. zunächst von Dienstagmorgen bis Mittwochabend und von Freitagmorgen bis Sonntagabend bei sich gehabt; später ist J. durchgehend von Dienstagmorgen bis Samstagmittag bei der Mutter gewesen.

Der Senat hat die Mutter, deren Lebensgefährten, die Pflegeeltern, die Sachbearbeiterin des Jugendamts K.-St., die Familienhelferin L.-K., die Verfahrensbeiständin und die Sachverständige persönlich angehört. Auf die Sitzungsniederschriften vom 22. August und 14.11.2013 wird verwiesen. Außerdem hat der Senat den Vater und den Pfleger angehört. Das Jugendamt hat ferner einen Bericht des für den Wohnsitz des Vaters zuständigen Jugendamts E. vorgelegt.

II. Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Verfahrensfehlerhaft hat das Familiengericht es allerdings unterlassen, die Pflegeeltern anzuhören und sie för...

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