Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Grundsatz des § 137 Abs. 1, wonach der Beschuldigte sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen darf, darf für die HV nicht durch eine ungünstige Möblierung oder andere ungünstige Gegebenheiten eingeschränkt werden.
2. Ggf. muss der Verteidiger einen Antrag zur Sitzordnung stellen und darauf drängen, einen Platz neben seinem Mandanten zu erhalten.
3. Ggf. muss auch ein Dolmetscher so nahe bei/zwischen dem Angeklagten und dem Verteidiger sitzen (können), dass eine ungestörte Kontaktaufnahme möglich ist.
4. Der Verteidiger darf die Sitzordnung nicht selbst ändern.
 

Rdn 2931

 

Literaturhinweise:

Münchhalffen, Bedeutung der Sitzordnung für eine ungehinderte Verteidigung, StraFo 1996, 18

Stern, Der verdrehte Kopf – Sitzordnung mit Verteidigung auf der Anklagebank?, StraFo 1996, 46.

 

Rdn 2932

1. Die StPO geht in § 137 Abs. 1 davon aus, dass der Beschuldigte sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen darf (zur Sitzordnung in "Coronazeiten" BVerfG, Beschl. v. 18.8.2020 – 1 BvR 1918/20, NJW 2020, 3166; VerfGH Sachsen, Beschl. v. 20.3.2020 – Vf. 39-IV-20 (eA), NJW 2020, 1285). Eine Umgestaltung der Sitzordnung kann zu einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung in einem für das Urteil wesentlichen Punkt führen. Das setzt aber voraus, dass bei dieser nur auf grobe Ermessensfehler hin überprüfbaren Anordnung des Vorsitzenden die Rechtsposition des Angeklagten oder seines Verteidigers grundlegend verkannt und ihre Mitwirkungsmöglichkeiten tatsächlich entscheidungserheblich eingeschränkt wurden (BGH, Beschl. v. 16.2.2021 – 4 StR 517/20, StRR 5/2021, 13 m. Anm. Stehr, zugleich auch zum erforderlichen Revisionsvorbringen).

 

Rdn 2933

Dieser Grundsatz darf für die HV nicht durch eine ungünstige Möblierung oder andere ungünstige Gegebenheiten eingeschränkt werden. Nr. 125 Abs. 2 RiStBV bestimmt, dass der Angeklagte nur dann in eine umfriedete Anklagebank verwiesen werden sollte, wenn besondere Umstände (Fluchtgefahr!) vorliegen. Nicht geregelt wird, inwieweit dem Angeklagten ein Platz unmittelbar neben seinem Verteidiger zusteht (zur Bedeutung der Sitzordnung Münchhalffen StraFo 1996, 18; Stern StraFo 1996, 46; zur Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch die Anordnung des Vorsitzenden an den Verteidiger, den ihm zugewiesenen Platz einzunehmen, s.a. BVerfG NJW 1996, 3268).

 

☆ Grds. muss dem Angeklagten und seinem Verteidiger eine jederzeitige Kontaktaufnahme möglich sein.jederzeitige Kontaktaufnahme möglich sein.

 

Rdn 2934

2. Ist das nicht oder nur schwer möglich, muss der Verteidiger einen Antrag zur Sitzordnung stellen und darauf drängen, einen Platz neben seinem Mandanten zu erhalten (s. Teil S Rdn 2937 ff.). I.d.R. besteht kein Grund, das zu verweigern (OLG Köln NJW 1980, 302 m.w.N.). Das gilt besonders dann, wenn während der Beweisaufnahme auf umfangreiches Aktenmaterial zurückgegriffen werden muss. Auch muss der Angeklagte die Möglichkeit haben, sich Notizen machen zu können (BayObLG StraFo 1996, 47). Der Verteidiger sollte außerdem darauf achten, dass er selbst von seinem Platz aus die Zeugen bei ihrer Vernehmung unmittelbar beobachten kann. In Fällen, in denen der Angeklagte den Tatvorwurf bestreitet, er jedoch als Täter von einem Zeugen erkannt worden ist, kann es sich empfehlen, einen Antrag auf Änderung der Sitzordnung zu stellen, um dem Zeugen das Wiedererkennen des Angeklagten in der HV zu erschweren, indem dem Angeklagten gestattet wird, unter den Zuhörern Platz zu nehmen (wegen der Einzelh. Beck-Ignor/Dießner, S. 384 ff.).

 

☆ Diesen Antrag muss der Verteidiger mit seinem Mandanten vorab aber besonders sorgfältig erörtern . Denn erkennt der Zeuge den Angeklagten als Täter unter den Zeugen wieder, wird der Verteidiger dieses Beweisergebnis kaum noch infrage stellen können.sorgfältig erörtern. Denn erkennt der Zeuge den Angeklagten als Täter unter den Zeugen wieder, wird der Verteidiger dieses Beweisergebnis kaum noch infrage stellen können.

 

Rdn 2935

3.a) Art. 6 Abs. 3 Buchst. e) MRK erfordert, dass die Kommunikation zwischen einem ausländischen Angeklagten und seinem Verteidiger gewährleistet ist. Deshalb muss auch ein Dolmetscher so nahe bei/zwischen dem Angeklagten und dem Verteidiger sitzen (können), dass eine ungestörte Kontaktaufnahme möglich ist. Um das zu erreichen, muss der Verteidiger ggf. ebenfalls einen Antrag zur Sitzordnung stellen. Entsprechendes kann gelten, wenn bei einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten sichergestellt werden muss, dass der Angeklagte mit dem vom Gericht bestellten Dolmetscher kommunizieren kann.

 

Rdn 2936

b) In Betracht kommen kann ein Antrag zur Sitzordnung auch, wenn Zeugen während ihrer Vernehmung im Sitzungssaal so platziert sind, dass es dem Angeklagten und seinem Verteidiger nicht möglich ist, diesen ins Gesicht zu sehen und ihre Mimik und Gestik zu verfolgen. es soll aber z.B. in Umfangsverfahren kein Anspruch des Angeklagten oder sonstiger Verfahrensbeteilig...

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