Leitsatz

Hintergrund

Vor Inkrafttreten des MoMiG zum 1.11.2008 bestand bei in der Krise gewährten oder der GmbH belassenen Gesellschafterdarlehen (sog. eigenkapitalersetzenden Darlehen) häufig eine Rückzahlungssperre. Denn nach den sog. Rechtsprechungsregeln durfte eine Rückzahlung dieser Darlehen nicht erfolgen, solange eine Unterbilanz bestand (das Eigenkapital geringer war als das Stammkapital). Hierauf konnte sich die GmbH gegenüber dem Gesellschafter berufen. Dreh- und Angelpunkt aller Diskussionen war die Darlehensgewährung in der Krise.

Durch das MoMiG wurden die für Gesellschafterdarlehen geltenden Regeln grundlegend geändert. Eigenkapitalersetzende Darlehen gibt es nicht mehr, vielmehr einheitliche Regeln für alle Gesellschafterdarlehen. Diese dürfen an den Gesellschafter unabhängig von der wirtschaftlichen / bilanziellen Lage der GmbH zurückgezahlt werden. Die sog. Rechtsprechungsregeln wurden ausdrücklich für nicht mehr anwendbar erklärt (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Gesellschafter die Zahlungen stets behalten darf. Denn fällt die GmbH in die Insolvenz kann der Insolvenzverwalter Rückzahlungen anfechten, die innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag erfolgt sind (§ 135 InsO).

Hoch umstritten ist, ob der GmbH-Geschäftsführer aus anderen Gründen die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens verweigern kann. Denn der im Rahmen des MoMiG neu gefasste § 64 GmbHG sieht nicht nur vor, dass der Geschäftsführer für alle Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife haftet (Satz 1), sondern auch für solche, die zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit führen mussten (Satz 3). Berechtigt dies die GmbH zur Verweigerung der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen?

DAs Urteil des OLG München

Das OLG München hatte zu entscheiden über die Forderung eines GmbH-Gesellschafters auf Rückzahlung seines lange vor Inkrafttreten des MoMiG gewährten Gesellschafterdarlehens. Das OLG München gab dem Zahlungsanspruch statt und begründete:

  • Auch auf vor Inkrafttreten des MoMiG gewährte Gesellschafterdarlehen seien (nur) die Neuregelungen des MoMiG anwendbar. Darauf, ob das Gesellschafterdarlehen einmal eigenkapitalersetzend war oder nicht, komme es daher nicht an.
  • Die GmbH habe kein Zurückbehaltungsrecht aus § 64 GmbHG.

Das OLG München hat zwar die Revision nicht gelassen, es ist aber eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH (II ZR 6/11) anhängig.

 

Hinweis

Es wird interessant sein zu sehen, wie der BGH in der Sache entscheiden wird. Denn es hätte durchaus Anlass bestanden, die Revision zuzulassen und dem BGH die Möglichkeit zu geben, derzeit noch offene Fragen zu klären:

  1. Der BGH (Urteil v. 26.1.2009, II ZR 260/07) hat bislang nur entschieden, dass die bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltenden Regelungen für eigenkapitalersetzende Darlehen weiterhin anwendbar sind, wenn das Darlehen vor dem 1.1.2008 gewährt, zurückgezahlt und vor diesem Datum auch das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er hat dies aus Art. 103d EGInsO hergeleitet, aber zugleich darauf verwiesen, dass dies auch ohne diese Norm gelten würde. Denn nach den Grundsätzen des "intertemporalen Rechts" sind auf Schuldverhältnisse die zum Zeitpunkt ihrer Begründung geltenden Regeln anzuwenden, soweit der Gesetzgeber nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Und dies ist nach Ansicht des BGH trotz des "Nichtanwendungsgesetzes" des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG nicht der Fall. Damit hat sich der BGH die Möglichkeit offen gehalten, auf alle vor dem 1.1.2008 gewährten Gesellschafterdarlehen das bis dahin geltende Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen anzuwenden!
  2. Die Frage, ob § 64 Satz 3 GmbHG der Gesellschaft ein Zahlungsverweigerungsrecht gibt, ist hoch umstritten. Auf den ersten Blick ist es sogar unverständlich, warum dem nicht so sein soll, wird der GmbH-Geschäftsführer doch mit einer Haftung bedroht, wenn er Zahlungen an Gesellschafter leistet, die zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten. Auf die Entscheidung dieser Streitfrage wird es richtigerweise jedoch nur sehr selten ankommen. Denn der Geschäftsführer muss die Pflicht zur Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens schon bei der Prüfung der Zahlungsfähigkeit berücksichtigen und wird dabei häufig Zahlungsunfähigkeit feststellen müssen. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist vorstellbar, dass unter Berücksichtigung der Darlehensrückzahlungsverpflichtung zwar keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, dies aber nach Erfüllung der Verpflichtung sehr wohl der Fall wäre (z.B. bei kurzfristigen und geringfügigen Zahlungsstockungen, die bei Rückzahlung eines in Relation zu den Gesamtverbindlichkeiten sehr hohen Gesellschafterdarlehens sich zur Zahlungsunfähigkeit ausdehnen).

Ein Ziel des MoMiG war die Vereinfachung der schwer durchschaubaren Gesetzes- und Rechtsprechungsregeln zu eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Für die Übergangszeit sind jedoch neue Rechtsunsicherheiten aufgetreten, welches Recht auf "Altfälle" Anwendung findet. Und auch im neuen Recht ist nicht alles so einfach geworden, wie ...

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