Leitsatz

Je intensiver der Staat mit Sicherungsmaßnahmen in den vermögensrechtlichen Freiheitsbereich eingreift, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs. Ein Vermögenszuwachs muss dem Täter selbst wirtschaftlich zu Gute kommen. Handelt er als Organ einer juristischen Person, liegt regelmäßig nur ein Zufluss bei dieser vor.

 

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war alleinige geschäftsführende Gesellschafterin der T-GmbH. Gegen sie erging ein Arrestbeschluss. Zur Begründung führte das AG aus, die Beschwerdeführerin sei verdächtig, durch Falschangaben für die T-GmbH günstige Urteile erreicht und "sich bzw. der Firma dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft zu haben". Es sei davon auszugehen, dass die so erlangten Gelder nicht mehr individuell "im Vermögen der begünstigten Firma und der Beschuldigten vorhanden sind, weshalb die Beschuldigte als Gesamtschuldnerin nach §73a StGB Wertersatz zu leisten hat". Der Arrest wurde durch Forderungspfändungen vollzogen. Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss war erfolglos. Das BVerfG hob die Entscheidung auf, weil sie gegen das Grundrecht auf Eigentum nach Art.14 GG verstößt.

 

Entscheidung

Der strafprozessuale dingliche Arrest[1] und die auf seiner Grundlage ergehende Pfändung[2] sind als staatlicher Zugriff auf das Vermögen am Maßstab des Art.14 Abs.1 Satz1 GG zu messen. Die Verfassung verlangt stets eine Abwägung des Sicherstellungsinteresses des Staates mit der Eigentumsposition des Betroffenen. Je intensiver der Staat mit Sicherungsmaßnahmen in den vermögensrechtlichen Freiheitsbereich eingreift, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs. Insbesondere ist eine eigene richterliche Prüfung der Voraussetzungen des Eingriffs und die umfassende Abwägung zur Feststellung seiner Angemessenheit mit auf den Einzelfall bezogenen Ausführungen unverzichtbar. Schematisch vorgenommene Anordnungen oder formelhafte Bemerkungen in den Beschlussgründen vertragen sich mit dieser Aufgabe nicht[3]. Schon aus diesem Grund war die angegriffene Entscheidung des AG aufzuheben.

Darüber hinaus sind weitere Rechtsgrundsätze verletzt. Gegenstand der Sicherungsmaßnahme ist auch im Falle der sogenannten Rückgewinnungshilfe[4] nur der Vermögensvorteil, der dem Verfall unterliegen könnte, den also der Täter selbst aus der Tat erlangt hat[5]. Der Vermögenszuwachs muss ihm auf irgendeine Weise wirtschaftlich zu Gute kommen. Das kann man aber nicht stets voraussetzen, wenn der Täter als Beauftragter, Vertreter oder Organ einer juristischen Person gehandelt hat und der Vorteil aus der Straftat in deren Vermögen fließt. Der Zufluss in das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft stellt trotz abstrakter Zugriffsmöglichkeit nicht ohne weiteres auch einen privaten Vermögensvorteil des Geschäftsführers dar. Die Gesellschaft selbst ist vielmehr als Verfallsbeteiligte am Verfahren zu beteiligen[6]. Die pauschale Annahme eines Vermögensvorteils auch beim Organ der begünstigten Gesellschaft oder dessen gesamtschuldnerische Haftung findet in den Verfallsbestimmungen des StGB keine Stütze. Eine so begründete Arrestanordnung verstößt gegen das Eigentumsgrundrecht.

 

Praxishinweis

Zur Begründung einer Verfallsanordnung gegen den als Organ handelnden Täter bedarf es einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, ob dieser selbst einen Vermögenszuwachs erlangt hat. Dabei sind besondere, den Zugriff auf das Vermögen des Täters rechtfertigender Umstände explizit darzulegen. Sie können etwa darin liegen, dass der Täter die Gesellschaft nur als formalen Mantel seiner Tat nutzt, aber nicht zwischen der eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft trennt, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG-Beschluss vom 3.5.2005, 2 BvR 1378/04

[1] Vgl. §§111b ff. StPO
[6] Vgl. §73 Abs.3 StGB; es ist dann ein selbständiges Verfallsverfahren nach den §§442 Abs.2 Satz1, 431, 440 StPO gegen sie zu führen

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