Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 07.07.2003; Aktenzeichen 620 Qs 39/03)

LG Hamburg (Beschluss vom 05.06.2003; Aktenzeichen 620 Qs 39/03)

 

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 5. Juni 2003 und vom 7. Juli 2003 – 620 Qs 39/03 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit seinem Grundrecht auf willkürfreie Entscheidung (Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes). Die Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen des Beschwerdeführers zur Sicherung des Verfalls gemäß §§ 111b Abs. 2, 111d, 111e Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73 Abs. 1, 73a StGB.

Der Beschwerdeführer ist neben sieben weiteren Personen Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen Kursbetrugs und gewerbsmäßigen Betrugs (§ 88 BörsG a.F., § 38 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG, § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 25 Abs. 2, § 53 StGB).

1. Der Beschwerdeführer war im August 2000 Vorstandsvorsitzender der I… AG sowie Präsident des Verwaltungsrats der D… AG, Schweiz. An letzterer war er über die A… GmbH mit einem Aktienanteil von 34 % beteiligt. Bei der I… AG handelte es sich um eine Tochtergesellschaft der D… AG.

a) Am 15. August 2000 ließ der Beschwerdeführer im Wege einer „Ad-hoc”-Meldung” verkünden, dass die I… AG gegenüber dem 1. Quartal 2000 eine Umsatzsteigerung von 53 % auf 25,16 Mio. EUR erzielt und sich der Verlust pro Aktie um 0,15 EUR auf -0,24 EUR reduziert habe. In weiteren „Ad-hoc-Mitteilungen” vom 28. November 2000 sowie vom 6. März 2001 wurden weitere positive Umsatzzahlen veröffentlicht. Während der Vergleichsindex NEMAX Media + Entertainment im Zeitraum vom 15. August 2000 bis 18. Dezember 2000 um 48,39 % sank, stieg der Kurs der I… Aktie um 22,5 % (von 38,75 EUR/Aktie auf 50 EUR/Aktie), was nach Auffassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (– BAFin –) jedenfalls auch auf die genannten Veröffentlichungen zurückzuführen sein soll.

b) Der Beschwerdeführer gewann zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt die in England ansässige E… plc. als Interessentin für die von der D… AG gehaltenen Anteile an der I… AG sowie weiterer Aktienanteile von „befreundeten Aktionären” der D… AG. Dazu zählte u. a. auch der Beschwerdeführer selbst, der persönlich 1,26 % der Aktien hielt.

Am 19. Dezember 2000 wurde über eine Pressemitteilung der I… AG und der D… AG verkündet, dass E… plc. rund 75 % der Aktien der I… AG zum 30. Januar 2001 zu einem Preis von 812 Mio. EUR erwerben werde. Dem Kaufpreis zugrunde lagen der Aktienkurs vom 18. Dezember 2000 (50 EUR/Aktie) sowie ein „Paketzuschlag” in Höhe von 16 %. Dies ergab einen Preis von 58 EUR pro Aktie. Von den 812 Mio. EUR für den 75 %-Anteil der D… AG sowie der „nahe stehenden” Aktionäre entfielen 722 Mio. EUR auf die D… AG. Der Preis blieb zu einem gewissen Anteil aber erfolgsabhängig (sog. „earn-out”). Vorgesehen war eine Sofort-Zahlung in Höhe von 210 Mio. EUR; der Rest sollte in Form eines Tausches von I…-Aktien gegen neu aufgelegte E…-Aktien abgewickelt werden, wobei die D… AG sich verpflichtete, die E…-Aktien nicht vor Einhaltung einer Sperrfrist von neun Monaten nach der für Ende Januar 2001 vorgesehenen „Closing”-Phase zu verkaufen. Der Beschwerdeführer erhielt für seine 1,26 % I…-Aktien, die Bestandteil des verkauften 75 % Aktien-Pakets waren, 10.231.200 EUR in Form von Bargeld oder E…-Aktien.

c) Nach Zahlung und Austausch der Aktien im Februar 2001 fielen die Aktienkurse beider Unternehmen. Im Frühjahr 2001 erzielte die D… AG durch den vorzeitigen Verkauf rund eines Drittels der überlassenen E…-Aktien einen Erlös von 80 Mio. EUR. Auf der Hauptversammlung der D… AG am 21. Juni 2001 wurde (dennoch) die Ausschüttung des Gewinns aus der Veräußerung des Mehrheitsanteils an der I… AG im Rahmen einer außerordentlichen Dividende in Höhe von insgesamt 233 Mio. Schweizer Franken beschlossen, an der der Beschwerdeführer über die A… GmbH als Großaktionär der D… mit einem Aktienanteil von 34 % Hauptnutznießer war.

2. Im April 2003 erstattete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Kurs- und Marktpreismanipulationen gegen den Beschwerdeführer und sechs weitere Personen. Vorausgegangen waren zwei anonyme Anzeigen sowie eine Mitteilung der D… AG, in denen im Wesentlichen der gleiche Vorwurf über Kursmanipulationen der I…-Aktien erhoben wurde.

In diesem Zusammenhang wurde ein mit „Streng vertraulich” überschriebenes Protokoll eines „Kick-off-Meeting” der Beschuldigten sowie die ebenfalls anonyme Beschreibung des „Projekt I… 2000” vorgelegt. Daraus ging hervor, dass die I… AG entgegen der „Ad-hoc-Mitteilung” vom 15. August 2000 ihr Planziel im 2. Quartal 2000 nicht erreicht hatte. Deshalb hätten die Beschuldigten am 19. September 2000 Maßnahmen besprochen, um den Kurs der I…-Aktien zu manipulieren, diese auch in den folgenden Quartalen zu stützen und sie sodann zu einem höchstmöglichen Preis zu verkaufen. Dazu hätten durch – im Einzelnen näher dargelegte – Manipulationen die Umsatzzahlen den verkündeten Prognosen und angeblich getätigten Umsätzen angepasst werden sollen.

3. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht eine Reihe von Durchsuchungsbeschlüssen. Den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls sowie des dinglichen Arrests in das Vermögen der Beschuldigten lehnte die Ermittlungsrichterin hingegen am 2. Juni 2003 ab. Die bestehende Verdachtslage rechtfertige diese gravierenden Maßnahmen nicht. Hinsichtlich der beantragten Arreste bestünde wegen ihrer enormen Höhe die Gefahr von irreparablen Folgen. Derart einschneidende Maßnahmen erforderten in Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen erheblich gesteigerten Verdachtsgrad, der nicht gegeben sei. Die Beweislage beruhe bisher nur auf – grundsätzlich unverwertbaren – anonymen Anzeigen, unbeglaubigter und daher hinsichtlich ihrer Echtheit nicht überprüfbarer Kopien sowie Meldungen aus dem Internet, deren Richtigkeit nicht anhand objektiver Kriterien überprüft werden könne. Ferner sei hinsichtlich des Vorwurfs der Kursmanipulation nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen, dass den angeblich vorgetäuschten Geschäften tatsächlich keine Lieferungen oder Leistungen der I… AG zugrunde gelegen hätten. Hinsichtlich des Vorwurfs des Betrugs zu Lasten der E… plc. fehle es an konkreten Angaben über die dem Verkauf zugrunde liegenden Verhandlungen und etwaigen getroffenen Zusicherungen. Zeugenvernehmungen seien nicht erfolgt, eine Abschrift des Kaufvertrags liege nicht vor. Es fehle an einer Darlegung, ob überhaupt ein verantwortlich Handelnder auf Seiten der E… plc. getäuscht worden sei und welche Personen bei den Verhandlungen beteiligt gewesen seien.

4. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht Hamburg am 5. Juni 2003 zunächst den Beschluss des Amtsgerichts auf. Zur Begründung führte es aus, es bestünde entgegen der Ansicht des Amtsgerichts dringender Tatverdacht gegen die Beschuldigten. Die anonymen Hinweise hätten sich im Laufe der weiteren Ermittlungen bestätigt; so seien bei den Durchsuchungsmaßnahmen handschriftliche Aufzeichnungen eines Beschuldigten aufgefunden worden, die die Vornahme von Scheingeschäften und daraus resultierenden Kursmanipulationen bestätigten.

In einem gesonderten Beschluss vom gleichen Tage ordnete das Landgericht mit verfahrensgegenständlichem Beschluss gemäß §§ 111b Abs. 2 und 5, 111d, 111e Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73, 73a StGB den dinglichen Arrest in Höhe von 532 Mio. EUR in das Vermögen des Beschwerdeführers an wegen des Anspruchs auf Verfall von Wertersatz und Ansprüchen Geschädigter (sog. Rückgewinnungshilfe). Weder dem Tenor noch den Gründen des Beschlusses lässt sich entnehmen, dass zuvor ein ablehnender Beschluss des Amtsgerichts ergangen war. Nach Schilderung der tatsächlichen Umstände des Tatvorwurfs gemäß § 88 BörsG a.F., § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 25 Abs. 2, § 53 StGB (wie oben I. 1., 2.) führt die Kammer ergänzend aus, dass Wirtschaftsprüfer wohlwollend den Wert der I… AG zum Zeitpunkt des Verkaufs auf 280 Mio. EUR geschätzt hätten. Der Erwerb der I… AG wäre für E… plc. bei Kenntnis der stagnierenden Umsatzzahlen und eines entsprechend niedrigeren Börsenkurses ohne Interesse gewesen und es wäre kein Kaufpreis von 812 Mio. EUR für 75 % der I…-Aktien erzielt worden.

Die Höhe des (im Wege der Rückgewinnungshilfe arrestierten) Betrugsschadens ergebe sich aus der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis in Höhe von 812 Mio. EUR für 75 % der I…-Aktien und dem tatsächlichen von Wirtschaftsprüfern wohlwollend geschätzten Gesamtwert der I… AG von 280 Mio. EUR. Dies ergebe einen Betrag von 532 Millionen Euro. Dabei seien zugunsten des Beschuldigten 70 Mio. EUR Differenz (= 25 % des Substanzwertes) unberücksichtigt gelassen worden, die sich ergäben, wenn entsprechend dem erworbenen 75 %-Anteil der Aktien auch nur 75 % des Substanzwertes von 280 Mio. EUR in Ansatz gebracht werden würden.

Für diesen Betrag hafte der Beschuldigte als Mittäter gesamtschuldnerisch. Die erlangten Vermögenswerte seien nicht mehr ausscheidbar in seinem Vermögen vorhanden.

Weder der Aufhebungsbeschluss noch der Arrestbeschluss wurden dem Beschwerdeführer bekannt gegeben. Der Verteidiger des Beschwerdeführers legte in Unkenntnis der Beschlüsse am 11. Juni 2003 vorsorglich Beschwerde gegen den Arrestbeschluss ein, erbat eine Abschrift des Beschlusses und zur Vorbereitung der Beschwerdebegründung Akteneinsicht. Daraufhin erhielt er mit Verfügung vom 17. Juni 2003 eine Ausfertigung des Arrestbeschlusses (ohne Aufhebungsbeschluss); Akteneinsicht wurde zu diesem Zeitpunkt verweigert. Nach einem Hinweis auf den Gang des Verfahrens und § 310 Abs. 2 StPO nahm der Verteidiger die Beschwerde am 26. Juni 2003 zurück.

5. Auf der Grundlage des Arrestbeschlusses wurden mit einer Reihe von Pfändungsbeschlüssen Guthaben und sonstige Ansprüche des Beschwerdeführers gegen verschiedene Banken gepfändet.

6. Gegen die Arrestanordnung des Landgerichts Hamburg stellte der Beschwerdeführer Antrag auf nachträgliche Anhörung gemäß § 311a StPO. Das Landgericht entschied mit Beschluss vom 7. Juli 2003, dass das Vorbringen keine Veranlassung zur Änderung des angegriffenen Arrestbeschlusses gebe.

II.

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den Arrestbeschluss des Landgerichts Hamburg in seinem Eigentumsgrundrecht, seinem Anspruch auf ein faires Verfahren und seinem Anspruch auf eine willkürfreie Entscheidung verletzt. Die Verfahrensweise des Landgerichts sei verfassungsrechtlich unhaltbar. Gleiches gelte für die Gesetzeslage, in die sie eingebettet sei.

Nach §§ 111d, 111b StPO stehe es im Ermessen der Ermittlungsbehörde, ob sie den dinglichen Arrest (zur Sicherung von Wertersatzverfallsansprüchen des Staates oder Schadensersatzansprüchen Dritter) anordne. Die Ermessensentscheidung habe sich an der Intensität des Tatverdachts und der Schwierigkeit der Ermittlungen zu orientieren. Insbesondere im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber in den materiellrechtlichen Vorschriften der §§ 73a ff. (gemeint wohl: §§ 73 ff.) StGB das Bruttoprinzip eingeführt habe, liege die Intensität des Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG auf der Hand.

Die Verfahrensgestaltung müsse der Grundrechtsrelevanz Rechnung tragen, das gebiete auch der Anspruch auf ein faires Verfahren sowie die Menschenwürde. Dies gelte umso mehr, wenn der Arrestbeschluss erst auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin erlassen werde und dem Beschuldigten wegen des Ausschlusstatbestandes des § 310 Abs. 2 StPO kein Rechtsmittel, sondern nur der Rechtsbehelf nach § 311a StPO zur Verfügung stehe. Dies sei ein nicht ausreichender Rechtsschutz.

Die vom Landgericht angenommene Arresthöhe sei völlig aus der Luft gegriffen, wenn man bedenke, dass lediglich 210 Mio. EUR anlässlich des Kaufs gezahlt, im Übrigen aber Aktien getauscht worden seien, die einer neunmonatigen Sperrfrist unterlegen hätten und die die Verkäuferin nur mit erheblichen Verlusten habe veräußern können.

Die landgerichtliche Entscheidung sei auch willkürlich. Vorläufige Maßnahmen gemäß § 111b StPO kämen nur in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass in einer etwaigen tatgerichtlichen Hauptverhandlung die Voraussetzungen der §§ 73 ff. StGB festgestellt und in dem im Verfahren gemäß §§ 111b ff. StPO angenommenen Umfang angeordnet werden könnten. Das Landgericht habe jedoch weder bei seiner Ermessensentscheidung über die Anordnung noch bei einer etwaigen Prüfung der Härteklausel des § 73c StGB die gegen eine Arrestanordnung sprechenden Bedenken berücksichtigt, auf die bereits der amtsgerichtliche Beschluss hingewiesen habe.

Die Unvertretbarkeit der landgerichtlichen Entscheidung ergebe sich auch aus der Beweisgrundlage. Sie beruhe letztlich auf einem der Staatsanwaltschaft anonym zugespielten Artikel, der anonym im Internet veröffentlicht gewesen sei. Dies betreffe insbesondere die Annahme, der tatsächliche Substanzwert der I… AG zum Veräußerungszeitpunkt sei von Wirtschaftsprüfern wohlwollend auf 280 Mio. EUR geschätzt worden. Die entsprechende Angabe in der Anzeige der Bundesanstalt beziehe sich ebenfalls auf diesen Internetartikel, eigene Recherchen seien nicht erfolgt.

Ebenso wenig wie bei einer Verurteilung dürften jedoch auch irreversible Entscheidungen im Ermittlungsverfahren auf „Quellen” gestützt werden, deren Beweiswert für keinen Verfahrensbeteiligten zu überprüfen sei. Ferner seien die Umstände des Verkaufs an die E… plc., auf die sich der Betrugsvorwurf stützte, nicht aufgeklärt worden. Durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften seien die Umsätze der I… AG vor dem Verkauf überprüft worden. Deshalb seien der E… plc. die konzerninternen Geschäfte sowie die Scheingeschäfte bekannt gewesen. Diese hätten jedoch keinerlei Einfluss auf die Kaufentscheidung und den Kaufpreis gehabt.

In ihrer Stellungnahme vom 19. April 2004 führt die Freie und Hansestadt Hamburg unter anderem aus, die Darstellung des Sachverhalts durch den Beschwerdeführer sei in mehrfacher Hinsicht unvollständig. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Arrestbeschlusses durch das Landgericht habe bereits eine weiter gehende Tatsachengrundlage vorgelegen als zuvor. Insbesondere hätten Durchsuchungen die anonymen Angaben bestätigt.

Zum Zeitpunkt des Arrestbeschlusses habe der Beschwerdeführer bereits, durch die durchgeführten Durchsuchungen gewarnt, versucht, verschleiernde Finanztransaktionen durchzuführen, was es gerechtfertigt habe, diesen ohne Anhörung des Beschuldigten zu erlassen. Die aufgrund des Arrests ergangenen Pfändungen in das Privatvermögen und die Firmenbeteiligungen des Beschwerdeführers hätten auch keineswegs zu gravierenden Beeinträchtigungen von deren ordnungsgemäßem Geschäftsgang geführt.

Die Höhe der Arrestsumme und des Betrugsschadens beruhe auf dezidierten Berechnungen, denen Recherchen aus öffentlich zugänglichen Quellen zugrunde lägen. Der Abzug des so errechneten tatsächlichen Werts der I… AG in Höhe von 280 Mio. EUR sei ohnehin lediglich zu Gunsten des Beschwerdeführers erfolgt, bei dem entsprechend dem Bruttoprinzip auch der gesamte Kaufpreis in Höhe von 812 Mio. EUR hätte beschlagnahmt werden können.

Vor diesem Hintergrund erscheine die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts sei formell und materiell rechtmäßig ergangen und beruhe nicht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte des Beschwerdeführers; auch sei sie nicht objektiv willkürlich.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die zulässige Verfassungsbeschwerde (I.) ist offensichtlich begründet (II.).

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die „Gegenvorstellung” war auch als Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 33a StPO zu verstehen (§ 300 StPO), der zum Rechtsweg gehört (vgl. BVerfGE 42, 243 ≪250≫). Denn es war unter anderem auf eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG hingewiesen worden. Darüber hat das Landgericht in seinem Beschluss auf die „Gegenvorstellung” auch entschieden, so dass der Sache nach der verfassungsrechtlich gebotene (vgl. Beschluss des Plenums des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395) Sonderrechtsbehelf zur Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO ausgeschöpft worden ist.

Soweit der Beschwerdeführer jedoch mittelbar die gesetzlichen Grundlagen der Arrestanordnung angreift, genügen seine Darlegungen nicht den an eine Verfassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen. Substantiierte Rügen hat der Beschwerdeführer insoweit nicht erhoben.

Aus welchem Grund welche Normen des Strafrechts oder Strafprozessrechts gegen welche Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verstoßen sollen, wird nicht ausgeführt. Die Beanstandungen zur rechtlichen Grundlage erschöpfen sich in der pauschalen Behauptung, die Verfahrensweise des Landgerichts sei verfassungsrechtlich unhaltbar; gleiches gelte für die Gesetzeslage, in welche sie eingebettet sei. Diese Ausführungen lassen jedoch nicht erkennen, ob mit „Verfahrensweise” oder „Gesetzeslage” die materiellen Grundlagen der §§ 73 ff. StGB, die Regeln der §§ 111b ff. StPO über die Anordnung des dinglichen Arrests oder die Vorschriften über das Rechtsbehelfsverfahren (§§ 310, 311a StPO) gemeint sind.

Die Unklarheit darüber, was im Verfassungsbeschwerdeverfahren gerügt werden soll, geht im Blick auf §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG zu Lasten des Beschwerdeführers. Hinzu kommt, dass die Verfassungswidrigkeit der Normen im fachgerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht wurde, so dass einer Rüge auch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegenstünde.

II.

Soweit die Verfassungsbeschwerde den Darlegungsanforderungen genügt, ist sie begründet. Der Beschluss des Landgerichts über die Anordnung des Arrests genügt nicht den von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen.

1. Dass dem Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts wegen § 310 StPO keine weitere Beschwerde zusteht, verletzt den Beschwerdeführer jedoch weder in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren, seiner Menschenwürde noch in anderen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten, etwa Art. 103 Abs. 1 GG. Ein Instanzenzug ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nimmt das verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsschutzsystem bei der gerichtlichen Überprüfung ein verbleibendes Risiko falscher Rechtsanwendung durch das Gericht in Kauf (Beschluss des Plenums des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395).

Soweit – wie vorliegend – vor der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts kein rechtliches Gehör gewährt wurde, weil sie auf Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gegen einen dem Beschwerdeführer noch nicht bekannt gegebenen ablehnenden ermittlungsrichterlichen Beschluss ergangen ist, steht diesem gemäß § 311a StPO ein Anspruch auf nachträgliche Anhörung und erneute Entscheidung unter Berücksichtigung seines Vorbringens zu. Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geschuldet. Die erneute Prüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens muss nicht zwingend im allgemeinen Rechtsmittelsystem vorgesehen werden. Möglich ist vielmehr auch ein Rechtsbehelf an das Gericht, dessen Verfahrenshandlung als fehlerhaft gerügt wird. Einen solchen stellt § 311a StPO dar (Beschluss des Plenums des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395). Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer erfolglos Gebrauch gemacht.

Allerdings stößt die vom Landgericht Hamburg geübte Praxis, zwei getrennte Beschlüsse zu fassen und diese dem Beschuldigten nur teilweise bekannt zu geben, auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Grundsätzlich gebietet zumindest das Gebot eines fairen Verfahrens, dem Beschwerdeführer diejenigen Entscheidungen bekannt zu machen, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seine Rechte eingreifen. Die Bekanntgabe darf nur so lange unterbleiben, wie dies zur Sicherung des Untersuchungszweckes erforderlich ist, etwa um eine Vereitelung der angeordneten Ermittlungsmaßnahme durch den Betroffenen zu verhindern. Ist danach eine Bekanntgabe geboten, dann sind dem Betroffenen alle ihn betreffenden Entscheidungen zu eröffnen. In den Fällen, in denen – wie hier – erst die Beschwerdeinstanz die belastende Entscheidung trifft, ist dem Betroffenen grundsätzlich mit der Beschwerdeentscheidung auch die erstinstanzliche Entscheidung, die den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt hat, bekannt zu geben. Nur so ist sichergestellt, dass sich der Betroffene angemessen gegen ihn betreffende Maßnahmen wehren und sich dabei mit den Argumenten auseinandersetzen kann, die das Landgericht einen dringenden Tatverdacht im Gegensatz zum Amtsgericht bejahen ließen. Gründe, die es rechtfertigen könnten, dem Beschwerdeführer die Entscheidung des Amtsgerichts nicht bekannt zu geben, sind nach der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ebenso wenig erkennbar wie für die Trennung des Beschlusses, der die Ablehnung der Arrestanordnung aufhebt, von dem Beschluss, mit dem das Beschwerdegericht den Arrest selbst anordnet. Diese Trennung sollte offensichtlich der Verheimlichung des amtsgerichtlichen Beschlusses dienen. Nachdem der Beschwerdeführer Kenntnis von dem Arrestbeschluss des Landgerichts hatte, sind auch keine Gründe dafür erkennbar, die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts und die aufhebende Entscheidung des Landgerichts vor der Akteneinsicht des Beschwerdeführers aus den Akten zu entfernen.

2. Der staatliche Zugriff auf das Vermögen ist am Maßstab des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen. Der Beschluss des Landgerichts vom 5. Juni 2003 genügt den daraus abzuleitenden Anforderungen nicht.

a) Das Eigentum steht als elementares Grundrecht in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit (vgl. BVerfGE 68, 193 ≪222≫; 83, 201 ≪208≫; 89, 1 ≪6≫). Von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist nicht nur der Bestand der Eigentumsposition, sondern auch deren Nutzung (vgl. BVerfGE 52, 1 ≪30≫; 88, 366 ≪377≫; 101, 54 ≪75≫).

b) Die Entziehung von deliktisch erlangtem Eigentum als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung gehört nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Schranken des Eigentums. Die Vorschriften über den einfachen (§ 73 StGB) und den erweiterten Verfall (§ 73d StGB) sowie über die Anordnungen, die sich auf Nutzungen und Surrogate (§ 73d Abs. 1 S. 3, § 73 Abs. 2 StGB) und auf den Geldwert nicht mehr entziehbarer Vermögensvorteile (§ 73d Abs. 2, 73a StGB) beziehen, dienen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (vgl. BVerfGE 22, 387 ≪422≫; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, unter C I. 3. b)). Die Vorschriften regeln abstrakt-generell, dass deliktisch erlangte Vermögensgegenstände und deren Surrogate dem Tatbeteiligten von hoher Hand entzogen werden sollen. Damit hat der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht. Die Beschränkung des Eigentums durch die §§ 73 ff. StGB ist verhältnismäßig; sie führt insbesondere nicht zu einer übermäßigen und daher unzumutbaren Belastung des Eigentümers einer deliktisch erlangten Vermögensposition (Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 – a.a.O.).

c) Der dingliche Arrest und die auf seiner Grundlage ergehende Pfändung (§§ 111d, 111f StPO) heben zwar die Rechtsinhaberschaft des Eigentümers an den gepfändeten Sachen oder Forderungen nicht auf. Sie erlauben nicht, wie die Anordnung des Verfalls (§ 73 ff. StGB), die endgültige Entziehung des Eigentums. Sie beschränken aber die Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten in einschneidender Weise; das Vermögen des von Arrest und Pfändung Betroffenen bleibt auf unbestimmte Zeit seinem Zugriff entzogen. Diese Maßnahmen dienen der Sicherung und Vorbereitung eines möglichen Entzugs von Eigentum als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung.

d) Da der Verlust von Eigentum als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung zu den traditionellen Schranken des Eigentums gehört (vgl. BVerfGE 22, 387 ≪422≫; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 – a.a.O.), sind entsprechende Sicherungsmaßnahmen von Verfassungs wegen nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

An ihre Zumutbarkeit und an das Verfahren ihrer Anordnung sind aber besondere Anforderungen zu stellen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das möglicherweise strafrechtlich erlangte Vermögen zu einem Zeitpunkt sichergestellt wird, in dem lediglich ein Tatverdacht besteht und noch nicht über die Strafbarkeit entschieden worden ist. Das Eigentumsgrundrecht verlangt in diesen Fällen eine Abwägung des Sicherstellungsinteresses des Staates mit der Eigentumsposition des von der Maßnahme Betroffenen. Je intensiver der Staat schon allein mit Sicherungsmaßnahmen in den vermögensrechtlichen Freiheitsbereich des Einzelnen eingreift, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs.

Wird im Wege vorläufiger Sicherungsmaßnahmen das gesamte oder nahezu das gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Einzelnen entzogen, fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht lediglich eine Vermutung, dass es sich um strafrechtlich erlangtes Vermögen handelt; vielmehr bedarf dies einer besonders sorgfältigen Prüfung und einer eingehenden Darlegung der dabei maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen in der Anordnung, damit der Betroffene dagegen Rechtsschutz suchen kann.

e) Der Gewährleistungsgehalt des Eigentumsrechts schließt den Anspruch auf eine faire Verfahrensführung ein. Auch das Verfahrensrecht muss im Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden. Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist diejenige zu wählen, die es dem Gericht ermöglicht, die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten durchzusetzen und zu verwirklichen. Deshalb ist bei der Auslegung und Anwendung auch prozessualer Bestimmungen der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 GG, in das mit der gerichtlichen Entscheidung eingegriffen wird, Rechnung zu tragen. Das schließt einen Eingriff aus, der ohne angemessene Legitimation im Verfahren auf Grund der strafprozessualen Eingriffsnormen erfolgt. Zur Effektivität des Rechtsschutzes gehört es, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüft. Das schließt eine Bindung des Gerichts an die im Verfahren der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen grundsätzlich aus (vgl. BVerfGE 15, 275 ≪282≫; 84, 34 ≪49≫; 101, 106 ≪123≫).

Das Gericht muss die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Exekutive gewinnen und begründen. Die gerichtliche Entscheidung muss deshalb die Voraussetzungen des Eingriffsrechts prüfen und darf sich nicht auf formelhafte Bemerkungen zurückziehen, die letztlich offen lassen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen der gesetzlichen Eingriffsermächtigung vorliegen. Zur richterlichen Einzelentscheidung gehören eine sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Fall. Schematisch vorgenommene Anordnungen vertragen sich mit dieser Aufgabe nicht (vgl. BVerfGE 107, 299 ≪325≫).

3. Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Hamburg werden diesen Maßstäben nicht gerecht. Insbesondere die Berechnung des Betrages, den der Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 StGB für die Tat oder aus ihr erlangt hat, ist nicht nachvollziehbar und findet in den zugrunde gelegten Vorschriften des Strafrechts und Strafprozessrechts keine Stütze. Das Landgericht scheint keinen Unterschied zwischen dem Beschwerdeführer und den an dem Unternehmensverkauf beteiligten juristischen Personen zu machen und legt auch nicht dar, dass der Beschwerdeführer als Mittäter etwas gemeinschaftlich erlangt hat. Dies ist für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe der Beschwerdeführer als Täter oder Teilnehmer etwas aus der Tat erlangt hat, unverzichtbar. Damit genügt der Beschluss des Landgerichts nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

a) Zwar ist es zunächst grundsätzlich unschädlich, wenn das Landgericht auf der Grundlage der (auch nicht mittelbar mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen) §§ 73, 73a StGB den Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen hat, dass die Firma E… plc. den Kaufpreis in Höhe von 812 Mio. EUR lediglich in Höhe von 210 Mio. EUR direkt gezahlt und den restlichen Gegenwert durch E…-Aktien beglichen hat. Nach dem Bruttoprinzip der §§ 73, 73a StGB unterliegt das Erlangte in seiner Gesamtheit dem Verfall (Eser in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73, Rn. 17). Ausreichend ist, dass die Vermögenswerte zu irgendeinem Zeitpunkt, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, zugeflossen sind. Etwaige Aufwendungen oder Gegenleistungen sind deshalb ebenso wenig in Abzug zu bringen wie spätere Wertminderungen am Erlangten (vgl. Eser in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73, Rn. 28, § 73a, Rn. 5).

Dass für den Weiterverkauf der als Taterlös erlangten E…-Aktien eine neunmonatige Sperrfrist vereinbart wurde und während dieser Zeit die Kurse dieser Aktien gefallen sind, könnte lediglich im Rahmen des § 73c StGB Berücksichtigung finden.

b) Nicht tragbar ist es jedoch, wenn das Gericht ohne weiteres annimmt, der Kaufpreis sei in Gänze dem Beschwerdeführer, und sei es auch nur als gesamtschuldnerisch haftendem Mittäter, zugeflossen.

aa) Gegenstand des Verfalls ist der Vermögensvorteil, den der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr erlangt hat. „Erlangt” hat der Täter einer Straftat dann etwas, wenn er hinsichtlich des Erlöses zumindest zeitweise eine faktische (Mit-) Verfügungsgewalt inne gehabt hat (Tröndle/Fischer, § 73, Rn. 10; vgl. auch Schäfer in: Leipziger Kommentar, 10. Aufl. 1985, § 73, Rn. 12). Erlangt ist ein Vermögenszuwachs schon dann, wenn er dem Täter auf irgendeine Weise wirtschaftlich zugute kommt (Eser in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73, Rn. 11; vgl. auch Lackner in: Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 73 Rn., 5 ff.).

Für die Anordnung des Verfalls gegen Mittäter einer Straftat kommt es ebenfalls darauf an, ob diese unmittelbar aus der Tat wirtschaftlich etwas, also eigene Verfügungsgewalt, erlangt haben. In diesem Fall haften die Mittäter – bei Verfall von Wertersatz – als Gesamtschuldner (vgl. z.B. für einen typischen Fall aus dem Bereich des Betäubungsmittelrechts die Entscheidung des BGH vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02 –, NStZ 2003, S. 198). In seiner Entscheidung vom 13. November 1996 – 3 StR 482/96 –, NStZ – RR 1997, S. 262 hat der BGH dazu verdeutlicht, dass zunächst Feststellungen darüber zu treffen sind, inwieweit die jeweiligen Mittäter eigene Verfügungsgewalt erlangen und ob nicht ein Vertretungsfall im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB vorliegt, bei welchem der Tatvorteil unmittelbar von einem Dritten erlangt worden ist (zur Frage, wer als Dritter in Betracht kommt, vgl. OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 29. Juni 1999, – 5 Ss 52/99-36/99 I –, wistra 1999, S. 477, zu einer GmbH als Dritter, sowie die Grundsatzentscheidung des BGH vom 7. Dezember 2000 – 5 StR 336/99 –, BGHSt 45, 235-249). Aber auch wenn das Geld seinem wirtschaftlichen Wert nach nicht unmittelbar einem tatunbeteiligten Dritten zugeflossen ist, bedarf es zur Anordnung des Verfalls der Feststellung, wer unter den Tatbeteiligten wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über das Geld erlangt hat. Eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft kommt nur dann in Betracht, wenn sich alle Beteiligten darüber einig waren, dass sie gemeinsam Verfügungsgewalt erlangt haben (vgl. dazu auch Schäfer in: Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl., § 73, Rn. 20). Der Verfall bei Mittätern setzt danach eine Mitverfügungsgewalt aller Beteiligten an dem Erlangten voraus (Schmid, NStZ 2002, S. 8 ≪12≫).

Soweit dagegen der Vermögenszuwachs lediglich einem Dritten zugute kommt oder in dessen Eigentum verbleibt, sind die ergänzenden Vertreter- oder Dritteigentümerregelungen des § 73 Abs. 3 und 4 StGB heranzuziehen (vgl. Eser in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73, Rn. 14). In den Fällen, in denen eine Person als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen Person handelt und der Vorteil in das Vermögen der juristischen Person fließt, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Vertreter Mitverfügungsgewalt an dem Erlangten hat. Regelmäßig ist vielmehr davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die von dem Privatvermögen des Organs, Vertreters oder Beauftragten zu trennen ist. Die dem Gesellschaftsvermögen einer GmbH zugeflossenen Vermögensvorteile stellen daher trotz (abstrakter) Zugriffsmöglichkeit nicht ohne weiteres auch zugleich private Vermögensvorteile des Geschäftsführers dar (vgl. Hellerbrand, wistra 2003, S. 201 ≪202≫; LG Landshut, Beschluss vom 4. November 2002 – 3 Qs 364/02 –, wistra 2003, S. 199 ≪200≫). Dementsprechend werden die Fälle, in denen ein Täter für eine juristische Person handelt, in Literatur und Rechtsprechung stets im Zusammenhang mit § 73 Abs. 3 StGB erörtert (vgl. BGHSt 45, 235; Eser in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73, Rn. 35; Lackner in: Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 73, Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 73, Rn. 21). Nur eine solche Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 73 StGB, der einen unrechtmäßig erlangten Vermögenszuwachs abschöpfen soll.

bb) Die angegriffenen Entscheidungen legen nicht näher dar, dass der Beschwerdeführer an dem gesamten Kaufpreis Mitverfügungsgewalt hat. Insoweit wird lediglich mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer als Mittäter gesamtschuldnerisch haftet. Den angegriffenen Entscheidungen lässt sich aber nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der vom Landgericht angenommenen Höhe etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat.

Der Kaufpreis ist nach den bisherigen Feststellungen zunächst der D… AG (Schweiz) und ihrer Tochtergesellschaft, der D… GmbH (Deutschland) als Verkäufern zugeflossen. Dies begründet nicht die Annahme, der Beschwerdeführer habe unmittelbare Verfügungsgewalt über den Kaufpreis selbst erlangt und nicht nur als Organ für diese gehandelt. Vielmehr wird mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer Präsident des Verwaltungsrats der D… AG war und über die A… GmbH 34% der Aktien der D… AG hielt.

Nach Schweizer Aktienrecht hat der Verwaltungsrat die Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft. Sie steht jedem Mitglied des Verwaltungsrats einzeln zu. Der Umfang der Vertretungsbefugnis erstreckt sich auf alle Rechtsgeschäfte, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann. Eine Beschränkung hat gegenüber gutgläubigen Dritten keine Wirkung (vgl. Mommendey, Einführung in das neue Aktienrecht der Schweiz, S. 63). Dies bedeutet zwar, dass der Beschwerdeführer als Präsident des Verwaltungsrats die faktische Zugriffsmöglichkeit auf den Verkaufserlös hatte. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um einen Vermögensvorteil des angenommenen Umfangs beim Beschwerdeführer anzunehmen. Vielmehr hätte über die faktische Verfügungsgewalt hinaus festgestellt werden müssen, ob der Beschwerdeführer selber etwas erlangt hat, indem sich z.B. seine Vermögensbilanz vor und nach den jeweiligen Taten verändert hat.

Die Vorgehensweise des Landgerichts Hamburg verstößt damit schon insoweit gegen die oben dargelegten Anforderungen, die sich aus der grundrechtlich geschützten Eigentumsposition des Beschwerdeführers in Abwägung mit den Sicherstellungsinteressen des Staates ergeben, als der Beschwerdeführer pauschal als Mittäter in eine gesamtschuldnerische Haftung genommen wird, die sich aus den Vorschriften des § 73 Abs. 1 und 3 StGB keineswegs unmittelbar ergibt, sondern weiterer Feststellungen bedurft hätte.

c) Auch hinsichtlich des durch die Kursmanipulation eingetretenen Schadens ist festzustellen, dass sich dem Beschluss des Landgerichts keinerlei Grundlage entnehmen lässt, den errechneten Manipulationsumfang von 225.540.461,25 EUR als vom Beschwerdeführer im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB „erlangt” darzustellen. Zwar übte er bei der I… AG die Funktion des Vorstandsvorsitzenden aus; auch dies ermöglichte ihm aber keine „faktische Zugriffsmöglichkeit” auf die Wertsteigerung von ihm persönlich nicht gehaltener Aktien. Der Beschwerdeführer hielt lediglich 1,26 % der I…-Aktien persönlich, für deren Verkauf er 10.231.200 EUR als Verkaufserlös erhielt. Nur insoweit lässt sich dem Beschluss des Landgerichts Hamburg entnehmen, dass der Beschwerdeführer persönlich etwas aus den vorgeworfenen Taten erlangt hat.

d) Soweit die D… AG aufgrund der Hauptversammlung vom 21. Juni 2001 eine außerordentliche Dividende ausgeschüttet hat, ist zwar ein Anteil von 34 % an die A… GmbH ausgeschüttet worden. Aber auch insoweit ist nicht geklärt (und zweifelhaft), ob und inwieweit die A… GmbH mit dem Beschwerdeführer gleichzusetzen ist, der ihr zugeflossene Betrag von 50.779.731,60 EUR also vom Beschwerdeführer unmittelbar erlangt wurde, oder ob nicht auch hier gegebenenfalls § 73 Abs. 3 StGB anwendbar gewesen, der Gewinn also direkt bei der GmbH zu arretieren gewesen wäre. Auch der als Dividende ausgeschüttete Betrag könnte keinen Arrest von über 225 Mio. EUR oder gar 532 Mio. EUR rechtfertigen.

C.

Die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 5. Juni 2003 und vom 7. Juli 2003 sind deshalb aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen ergibt sich aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 1262396

NVwZ 2004, 962

WM 2004, 1378

WuB 2004, 799

wistra 2004, 378

DVBl. 2004, 1121

NPA 2005, 0

StV 2004, 409

ZBB 2004, 315

Polizei 2004, 314

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