Leitsatz

In der Versammlung der Eigentümer darf nicht geraucht werden, wenn ein Wohnungseigentümer dies verlangt

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 2, 29 Abs. 1 Satz 2 WEG

 

Das Problem

  1. In der Versammlung der Eigentümer am 6. März 2012 werden die Punkte "Rauchverbot für die Dauer der Versammlung" sowie "Neuwahl des Beirats bzw. eines neuen Beiratsmitglieds"erörtert. Für das Rauchverbot ergibt eine "Vorumfrage", dass sich für einen Beschluss keine Mehrheit finden würde. Von einem förmlichen Beschluss wird daher Abstand genommen.
  2. Ein Wohnungseigentümer meint, im Verhalten der Wohnungseigentümer "liege jeweils ein Beschluss". Diesen greift er jeweils an. Ferner klagt er mit folgendem Antrag auf Verpflichtung: "Die Eigentümer beschließen für die Dauer der Eigentümerversammlungen ein Rauchverbot. Die Versammlungen sind bei Bedarf auf Antrag der Raucher um jeweils 5 Minuten zu unterbrechen, um außerhalb des Versammlungsraums rauchen zu können."
 

Entscheidung

  1. Die Berufung hat jedenfalls teilweise Erfolg. Das Amtsgericht gehe allerdings zu Recht davon aus, dass in der Versammlung der Eigentümer am 6. März 2012 keine Beschlüsse zum Rauchen oder die Wahl eines neuen Beirats bzw. eines neuen Beiratsmitglieds gefasst worden seien. Nach der Niederschrift der Versammlung sei der Tagesordnungspunkt "Neuwahl des Verwaltungsbeirats" erörtert worden. Nachdem sich keiner der übrigen Wohnungseigentümer für das Amt zur Verfügung gestellt habe, sei von einer Abstimmung abgesehen worden. Auch der Tagesordnungspunkt "Rauchverbot" sei nach der Niederschrift erörtert worden. Eine Vorumfrage habe aber ergeben, dass sich hierfür keine Mehrheit finden würde. Eine förmliche Abstimmung sei daher auch hier nicht erfolgt.
  2. Das Wohnungseigentumsgesetz sehe für die Beschlussfassung ein formelles Verfahren vor, weil Beschlüsse anders als Vereinbarungen nicht der Zustimmung oder der Mitwirkung aller Wohnungseigentümer bedürften. Das Formerfordernis diene somit dem Schutz der überstimmten oder nicht abstimmenden Eigentümer. Aus diesem Grund könnten Beschlüsse im Gegensatz zu Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG nicht durch konkludentes Handeln bzw. stillschweigende Zustimmung zustande kommen. Das Beschlussergebnis bedürfe einer förmlichen Feststellung und Verkündung durch den Versammlungsleiter (Hinweis unter anderem auf BGH v. 23.8.2001, V ZB 10/01, NJW 2001 S. 3339 und Deckert, ZMR 2008, S. 585). Voraussetzung für eine Beschlussfassung sei eine Abstimmung über einen Regelungsgegenstand. Tauschten sich die Wohnungseigentümer über einen bestimmten Punkt aus, ohne dass sie hierzu eine Bestimmung treffen oder fehle es an einer Abstimmung, könne ein Beschluss nicht zustande kommen (OLG Frankfurt a.M. v. 12.11.2008, 20 W 468/07, ZMR 2009 S. 463). Ein Beschluss liege nur vor, wenn nach dem Willen der Beteiligten eine verbindliche Regelung getroffen werden solle. Ob ein solcher Rechtsbindungswille und damit ein Beschluss der Wohnungseigentümer vorliegen, sei durch Auslegung zu ermitteln. Ein Beschluss mit Regelungscharakter sei danach zu verneinen, wenn das objektiv Erklärte nur auf eine Probeabstimmung schließen lässt, die lediglich der Feststellung der Mehrheitsverhältnisse diene (Merle, in Bärmann, WEG, 11. Auflage 2010, § 23 Rn. 29).
  3. Demnach sei hier kein förmlicher Beschluss gefasst worden. Es sei keine Abstimmung durchgeführt worden. Beide Themen seien von den Eigentümern erörtert worden. Von einer Abstimmung sei jedoch jeweils abgesehen worden, da sich bereits im Vorfeld zeigte, dass die Regelungen keine Mehrheit finden würden. Es handelte sich hierbei um eine Form der Probeabstimmung.
  4. Der Verpflichtungsantrag zum Rauchverbot sei hingegen begründet. Dem Kläger könne nicht zugemutet werden, sich den gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens auszusetzen. Passivrauchen in geschlossenen Räumen werde nach heute herrschender wissenschaftlicher Überzeugung als gesundheitsgefährdend eingestuft (BayObLG v. 30.4.1993, 1 Z BR 104/92, BayObLGZ 1993 S. 58; BayObLG v. 25.3.1999, 2 Z BR 105/98, NZM 1999 S. 504). Die Ablehnung des Rauchverbots komme damit einem bewussten Ausschluss des Klägers von den Versammlungen gleich (so auch OLG Köln v. 16.8.2000, 16 Wx 87/00, NZM 2000 S. 1017) – was in letzter Konsequenz dazu führen würde, dass die dort gefassten Beschlüsse nichtig wären, wenn die Kläger zukünftige Versammlungen wegen Rauchens verlassen.
  5. Der Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, in der jeweiligen Versammlung einen Antrag zu stellen, da dann die Gefahr bestehe, dass der Antrag abgelehnt werde und er somit nicht an der Versammlung teilnehmen könnte. Zwar könnte er dann wiederum gegen die dort gefassten Beschlüsse vorgehen bzw. wären diese nichtig. Eine derartige Vorgehensweise könne aber nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Hier verdiente der Minderheitenschutz Vorrang. Dem Interesse der Raucher werde auch ausreichend Rechnung getragen durch die ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, bei Bedarf die Sitzung für 5 Minuten zwecks Raucherpause zu unterbrechen.

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