a) Grundfall der Gesellschafterbürgschaft.

 

Rn 18

Bürgschaften von Gesellschaftern kommt große praktische Bedeutung zu. Insb erwarten Geschäftspartner (zB Vermieter, Lieferanten, Banken) von Kapitalgesellschaften mit geringer Eigenkapitalausstattung häufig, dass ihre Gesellschafter-Geschäftsführer auch persönlich als Bürgen mit ihrem Vermögen für die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit durch die Gesellschaft einstehen (arg ›Wenn Sie als Gesellschafter dem Unternehmen nicht trauen, wer sonst?‹; Banken sprechen in Anlehnung an die früher übliche Wechselpraxis vom ›querschreiben‹). Da der Bürge in diesen Fällen am Vertragsabschluss der Gesellschaft ein Eigeninteresse und Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft hat, ist die Gesellschafterbürgschaft im Gegensatz zur ruinösen Angehörigenbürgschaft idR nicht sittenwidrig (vgl für einen GmbH-Gesellschafter Frankf BeckRS 17, 147593 Rz 42; s.a. § 765 Rn 35 ff).

 

Rn 19

Auch bei Personengesellschaften hat der Gläubiger durch die Bürgschaft eines persönlich haftenden Gesellschafters Vorteile: Zwar haftet dieser nach § 128 HGB (die Vorschrift gilt analog für die GbR: BGHZ 146, 341, 358) ohnehin persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Allerdings wird er als Gesellschafter nach § 227 II iVm I InsO in der Insolvenz der Gesellschaft mit der im Insolvenzplan festgesetzten Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seiner persönlichen Haftung aus § 128 HGB frei. Dem ggü haftet er als Bürge nach § 254 II InsO weiter. Überdies tritt bei der Bürgenhaftung keine Begrenzung der Nachhaftung nach §§ 159, 160 HGB (die für die GbR ebenfalls gelten, § 736 II) ein.

 

Rn 20

Aus der Sicht des Gesellschafters stellt die Bürgschaft damit ein oft zugkräftiges Finanzierungsinstrument dar. Dem steht – insb bei einer Globalbürgschaft – die Verlagerung des unternehmerischen Risikos in die Privatsphäre ggü. Vor Abgabe einer Bürgschaftserklärung sollte der Gesellschafter daher sorgfältig abwägen: Im Einzelfall mögen (privat weniger verpflichtende) unternehmerische Maßnahmen ausreichen, um dem Kreditsicherungsbedürfnis des Gläubigers (der kreditierenden Bank) gerecht zu werden: zB (1) die Schaffung von Transparenz ggü der Bank (s die ›Basel II‹ Empfehlungen vgl BaFin, Rundschreiben 18/05, Marisk, BTO 1.2.1), (2) strukturelle Maßnahmen im Unternehmen zur Verbesserung der Kreditwürdigkeit und/oder (3) der Abschluss einer Kreditausfallversicherung.

 

Rn 21

Scheidet der Gesellschafter, der sich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verbürgt hat, aus der Gesellschaft aus, kann er in vielen Fallkonstellationen kündigen; s § 765 Rn 66 ff.

b) Gesellschafterbürgschaft und Bürgschaft der Gesellschaft.

 

Rn 22

Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes durch das MoMiG und die in § 30 I 3, 2. Alt GmbHG eingefügte Ausnahme zum Kapitalerhalt bewirken, dass Gesellschafterbürgschaften und Bürgschaften von Gesellschaften keinen eigenkapitalersetzenden Charakter mehr besitzen können und zudem Rechtshandlungen, die aufgrund der Bürgschaft erfolgten, nicht mehr unter das Verbot der Einlagenrückgewähr fallen. Es verbleiben Anfechtungstatbestände nach InsO.

 

Rn 23

Im Falle einer Bürgschaft durch die Gesellschaft zugunsten eines Gesellschafters kann der Insolvenzverwalter nach § 135 I InsO – unabhängig davon, ob sich die Gesellschaft in einer Krise befand oder nicht – jede Bürgschaftserklärung der Gesellschaft und/oder Zahlung aufgrund einer solchen Bürgschaft anfechten, wenn die Erklärung oder Zahlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

 

Rn 24

Nach § 135 II InsO kann der Insolvenzverwalter Zahlungen einer Gesellschaft an einen Darlehensgeber anfechten, soweit sich für diese Zahlungen ein Gesellschafter verbürgt hat und die Zahlungen im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erfolgten. Dieses Anfechtungsrecht besteht auch, wenn die Gesellschaft auf andere Weise ihren Gläubiger befriedigt.

c) Aktienrechtliche und bankrechtliche Sonderfälle.

 

Rn 25

Die Bürgschaftserklärung einer Aktiengesellschaft bedarf unter den Voraussetzungen des § 89 AktG einer vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats (Wirksamkeitsvoraussetzung). Die Bürgschaft ist ein Fall der Kreditgewährung iSv § 89 I AktG (vgl MünchHdb GesR IV/Wentrup § 21 Rz 153). Die Zustimmung des Aufsichtsrats der Gesellschaft – ausnahmsweise: des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens – ist erforderlich bei der Abgabe einer Bürgschaft für (1.) die Verbindlichkeit eines Vorstandsmitgliedes, eines Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten der Gesellschaft (§ 89 I, II 1 AktG) oder eines abhängigen oder des herrschenden Unternehmens (§ 89 II 2 AktG), oder für (2.) die Verbindlichkeit einer diesem Personenkreis durch private Verhältnisse nahe stehende oder durch Tätigkeit verbundene Person (§ 89 III, IV AktG).

 

Rn 26

Für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute, iSd KWG für die die Übernahme der Bürgschaft ein Bankgeschäft ist (§ 1 Nr 8 KWG), gelten anstelle von § 89 AktG die speziellen Regelungen über Organkredite nach § 15 KWG.

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