Rn 22

Außerhalb des Geschäftsverkehrs zwischen Unternehmen hat schon das RG einen Kontrahierungszwang unter den Voraussetzungen von § 826 angenommen (RGZ 148, 334; 133, 390). Danach besteht dann eine Pflicht zum Vertragsabschluss, wenn die Verweigerung eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung darstellen würde, was insb bei Monopolbetrieben und bei lebensnotwendigen Leistungen zu bejahen ist. Dem ist der BGH (NJW 80, 186 [BGH 26.06.1979 - KZR 25/78]) im Grundsatz gefolgt. Im Schrifttum wird die Anknüpfung an § 826 und die Beschränkung auf Monopolbetriebe und lebenswichtige Leistungen zunehmend als zu eng empfunden. Befürwortet wird teilweise eine Gesamtanalogie zu den unter Rn 18 genannten Vorschriften (Larenz SchuldR § 4 Ia; Grüneberg/Ellenberger Einf v § 145 Rz 10), wobei die Voraussetzungen iE streitig sind. Jedenfalls genügt es zur Annahme eines Kontrahierungszwanges, wenn ein Unternehmer lebenswichtige Güter öffentlich anbietet, eine zumutbare Alternative der Versorgung für den Verbraucher nicht besteht und keine sachlichen Gründe für die Abweisung des anderen Teils existieren (Staud/Bork Vor zu §§ 145–156 Rz 21 ff; bejaht für Girokonto bei privatem Kreditinstitut LG Berlin WM 08, 1825). Ob es auch ausreicht, wenn nur eines der Kriterien zutrifft, ist eine Frage des Einzelfalles, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Der BGH hat in Erwägung gezogen (NJW 80, 186 [BGH 26.06.1979 - KZR 25/78]), auch solche Vereinigungen dem Abschlusszwang (Aufnahme in einen Anwaltsverein) zu unterwerfen, die keine Monopolstellung erlangt haben, aber eine erhebliche wirtschaftliche und soziale Machtstellung besitzen, sofern der Bewerber zur Verfolgung oder Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist.

 

Rn 23

Ungeklärt ist schließlich, ob ein Abschlusszwang im Einzelfall auch hinsichtlich der Deckung des Bedarfs für nicht lebensnotwendige Güter in Frage kommt (Medicus/Lorenz SchuldR I Rz 79; nur für wichtige Güter Jauernig/Mansel Vor § 145 Rz 11; abgelehnt für Besuch einer Spielbank BGH ZIP 94, 1274; ebenso für Wahlleistungen im Krankenhaus BGH NJW 90, 763). Jedenfalls bei öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen, die zum Normalbedarf gehören, sollte bei einer sittenwidrigen Begründung der Vertragsablehnung ein Kontrahierungszwang bejaht werden (Staud/Bork Vor zu §§ 145–156 Rz 21 ff). Bei der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch sachliche Gründe sind schließlich auch Art 1 I GG, die Diskriminierungsverbote des Art 3 GG und das Sozialstaatsprinzip zu berücksichtigen (zur Kündigung eines Girokontos bei politischer Partei Saarbr NJW-RR 08, 1632 [OLG Saarbrücken 03.07.2008 - 8 U 39/08]). Ist die Verweigerung des Vertragsschlusses das Ergebnis einer nach §§ 19, 20 AGG unzulässigen Diskriminierung, kann sich ein Kontrahierungszwang aus § 21 I 1 AGG ergeben.

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