Rn 11

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist grob unbillig, wenn er zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten eines Ehegatten führen und seinem Zweck, zu einer ausgewogenen sozialen Sicherung beider Ehegatten beizutragen, grob zuwiderlaufen würde. Dazu reicht es allerdings nicht aus, wenn ein Ehegatte aufgrund des Versorgungsausgleichs besser dastehen würde als der andere (BGH FamRZ 95, 413, 414; 13, 1200 Rz 20 ff) oder wenn ein Ausgleichsberechtigter auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen ist, weil seine Altersversorgung bereits auf andere Weise hinreichend gesichert ist (BGH FamRZ 99, 714, 715; 05, 1238, 1239). Maßgeblich ist die konkrete Versorgungslage der Ehegatten zum Zeitpunkt der Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Die Inanspruchnahme des Pflichtigen muss in Ansehung der beiderseitigen Verhältnisse, vornehmlich des beiderseitigen Vermögenserwerbs in der Ehe, unbillig erscheinen. Als Bsp ist zu nennen, dass der Pflichtige nach dem Ausgleich der Grundsicherung unterfallen würde, der Berechtigte hingegen selbst angemessen abgesichert ist (BGH FamRZ 13, 1200). Die Tatsache, dass ein Ehegatte in der Ehezeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und keine Altersvorsorge betrieben hat, rechtfertigt für sich genommen keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs, sondern kann nur relevant sein, wenn dieses Unterlassen als illoyal und grob leichtfertig zu bewerten ist (Stuttg FamRZ 12, 311, 312; Brandbg FamRZ 16, 2017). Der Versorgungsausgleich ist auch nicht generell in Fällen zu korrigieren, in denen der Ausgleichspflichtige auf gemeinschaftlichen Schulden ›sitzen bleibt‹ (BGH FamRZ 05, 2052, 2054). Auch eine bei ungekürzter Durchführung des Ausgleichs drohende Unterschreitung des unterhaltsrechtlich erheblichen Selbstbehalts auf Seiten des verpflichteten Ehegatten stellt keinen Härtegrund dar, wenn der berechtigte Ehegatte ebenfalls in engen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, denn dem Versorgungsausgleich ist ein dem Unterhaltsrecht vergleichbarer Selbstbehalt des verpflichteten Ehegatten fremd (BGH FamRZ 13, 1200 Rz 19; Köln FamRZ 20, 1910, 1911). Eine Kürzung des Ausgleichs kann aber gerechtfertigt sein, wenn der berechtigte Ehegatte bereits in ausreichender Weise für Alter und Invalidität versorgt ist, während der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte dringend angewiesen ist (stRspr, zB BGH FamRZ 17, 26 Rz 30; 18, 904 Rz 15). Zur Beurteilung dieser Frage muss die Versorgungslage beider Ehegatten unter Berücksichtigung der bis zum Rentenalter noch möglichen Aufstockung der Altersversorgung verglichen werden. Ein (tw) Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt im Hinblick auf eine künftige Entwicklung nur dann in Betracht, wenn diese nicht nur möglich erscheint, sondern sicher zu erwarten ist (BGH FamRZ 11, 706 Rz 67). Die Durchführung des Ausgleichs ist auch dann grob unbillig, wenn er den Verpflichteten in unterhaltsrechtliche Abhängigkeit vom Berechtigten bringen würde (BGH FamRZ 05, 696, 699). Haben beide Ehegatten aufgrund gemeinsamer Lebensplanung während der Ehe keine ausreichende Altersvorsorge betrieben, so ist ein Versorgungsausgleich nicht allein deshalb grob unbillig, weil der Ausgleichspflichtige zur Sicherung seines Unterhalts auf die ungekürzte Versorgung angewiesen wäre. Lebt auch der Ausgleichsberechtigte in engen wirtschaftlichen Verhältnissen, haben beide gleichermaßen die Folgen unzureichender Altersvorsorge zu tragen. Der Versorgungsausgleich ist selbst dann durchzuführen, wenn er zur Folge hat, dass der Ausgleichspflichtige ergänzende Sozialleistungen wird in Anspruch nehmen müssen, ohne dass der Ausgleichsberechtigte seinen Unterhalt vollständig aus eigenen Einkünften wird bestreiten können (Köln FamRZ 20, 1910, 1911).

 

Rn 11a

In die Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse einzubeziehen ist das sonstige, nicht dem Versorgungsausgleich unterfallende Vermögen. Allerdings verfolgt § 27 nicht den Zweck, eine insg gleichmäßige Verteilung des in der Ehe erwirtschafteten Vermögens zu erreichen. Deshalb sind vermögensrechtliche Forderungen der Ehegatten untereinander, die ansonsten nicht realisierbar sind, nicht quasi automatisch stets in voller Höhe mit den im Wege des Versorgungsausgleichs auszugleichenden Anrechten zu verrechnen (BGH FamRZ 21, 1609 Rz 42). Va, wenn Vermögen der im Versorgungsausgleich überwiegend ausgleichsberechtigten Person nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt, also zB bei Gütertrennung, Schenkung oder Erbschaft, kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs jedoch grob unbillig sein (BGH FamRZ 88, 47; Hamm FamRZ 14, 754). Ist die Gütertrennung erst während der Ehezeit vereinbart worden, so muss sich der Ausschluss des Versorgungsausgleichs idR auf die während der Gütertrennung erworbenen Versorgungsanrechte beschränken, weil der ausgleichsberechtigte Ehegatte an dem Vermögenszuwachs des anderen Ehegatten während des gesetzlichen Güterstandes durch den Zugewinnausg...

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