Gesetzestext

 

Bei der Bemessung des Unterhalts sind die Bedürfnisse der berechtigten Person und die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person sowie etwaige der berechtigten Person anstelle einer regelmäßigen Unterhaltszahlung geleistete Entschädigungen zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt.

 

Rn 1

Art 14 über die Bemessung des Unterhaltsbetrags ist eine international einheitliche materiell-rechtliche Sachnorm, die va dann eingreift, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse im Aufenthaltsland von Berechtigtem u Verpflichtetem unterschiedlich sind (Andrae GPR 10, 203) (vgl Art 11 II HUÜ 1973). Dies zu berücksichtigen ist in erster Linie Sache des anzuwendenden Rechts (Grüneberg/Thorn Rz 48). Geschieht dies, so ist für eine Korrektur über den Art 14 des Protokolls kein Raum (Rauscher/Andrae Rz 7; vgl Hamm FamRZ 03, 1855: Russland).

 

Rn 2

Eine besondere sachrechtliche Problematik ergibt sich nach deutschem Recht bei einem Aufenthalt des Verpflichteten u des Unterhaltsberechtigten in unterschiedlichen Ländern mit erheblichem wirtschaftlichen Gefälle. Dabei ist auf die Bedürfnisse des Berechtigten u die Erwerbs- u Vermögensmöglichkeiten des Verpflichteten abzustellen. Dies bedeutet bei im Vergleich zum Aufenthaltsstaat des Berechtigten höheren Einkommensverhältnissen des in Deutschland lebenden Verpflichteten zum einen einen Anspruch des Berechtigten auf angemessene Teilhabe an dem gehobenen Lebensstandard des Verpflichteten (BGH FamRZ 87, 682: Polen), zum anderen aber auch die Berücksichtigung von geringeren Lebenshaltungskosten, geringerem Lohnniveau u niedrigerem sozialen Gefüge im Aufenthaltsstaat des Berechtigten.

 

Rn 3

Bei der Unterhaltsberechnung finden mehrere Methoden (zT gleichzeitig) Anwendung (näher Motzer FamRBint 10, 93 ff; Breuer FamRB 15, 273 ff, 318 ff; Wendl/Dose § 9 Rz 35 ff). Eher selten wird der Bedarf einzelfallorientiert ermittelt (s AG Köln JAmt 23, 30 Anm Jäger-Maillet [Erhöhung des Mindestunterhaltssatzes für Kenia]; Gora ZKJ 08, 455 insb zu Polen). Teilw findet auch eine Bedarfskorrektur nach einer preisniveaubezogenen Kaufkraftdifferenz statt (Hamm FamRZ 05, 369: Polen). Herangezogen wurden auch die Teuerungsziffern des Statistischen Bundesamts (Stuttg NJW 14, 1458 = FamRZ 14, 850: Istanbul; Wendel/Dose § 9 Rz 92). Nunmehr wird weitgehend angenommen, dass der Tatrichter zur Ermittlung des Kaufkraftunterschieds die vom Statistischen Amt der EU (Eurostat) ermittelten vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte heranziehen darf (Többens FamRZ 16, 597 ff; Staud/Mankowski [21] Art 11 Rz 27 ff). Danach können einzelne Beträge mit einem bestimmten Umrechnungsfaktor angepasst werden (näher Breuer FamRB 15, 273, 278 f, 319 ff). Dies gilt für die Ermittlung des Einkommens (in der Schweiz lebender Unterhaltspflichtiger BGH NJW 14, 2785 = FamRZ 14, 1536 zust Anm Unger/Unger; Karlsr FamRZ 17, 282 [mit gesonderter Währungsumrechnung nach Wechselkurs]; Hamm FamRZ 18, 29; Oldbg FamRZ 13, 891 [dazu auch Többens FamRZ 16, 597 ff]; Karlsr FamRZ 16, 237 [USA], Karlsr FamRZ 20, 93, 95 [Schweiz]), aber auch für die Anpassung von Bedarf u Selbstbehalt nach Düsseldorfer Tabelle (AG Karlsr FamRZ 15, 1201: in Polen lebender Unterhaltspflichtiger).

 

Rn 4

In der Vergangenheit wurden Abschläge nach der steuerrechtl orientierten Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums (dazu Breuer FamRB 15, 273, 277 f) vorgenommen (zB Kobl FamRZ 02, 56: Russland; Kobl FamRZ 07, 417: Philippinen; Kobl FamRZ 07, 1592: Ecuador; Zweibr FamRZ 04, 729: Russland). Andere gingen von der Verbrauchergeldparität u dem Devisenkurs aus (BGH FamRZ 87, 682: Polen; KG FamRZ 02, 1057; Nürnbg FamRZ 97, 1355: Polen). Danach wird zunächst nach den Einkommensverhältnissen des Schuldners der Unterhalt für ein in Deutschland lebendes gleichaltriges Kind aus der Unterhaltstabelle ermittelt. Hiervon wird sodann ein Abschlag vorgenommen, dessen Höhe aus einem Vergleich der sog Verbrauchergeldparität mit dem Devisenkurs sowie der Berücksichtigung der allg wirtschaftlichen Verhältnisse im Aufenthaltsstaat als pauschaler Prozentsatz oder Bruchteil zu bestimmen ist. ›Verbrauchergeldparität‹ bedeutet den v statistischen Bundesamt veröffentlichten (Preise, Fachserie 17, Reihe 10, Int Vergleich der Preise für die Lebensführung) EUR-Betrag, der erforderlich ist, um in Deutschland die gleiche Warenmenge zu kaufen, welche im Ausland für eine bestimmte dortige Geldeinheit aufzuwenden ist. Beim Ehegattenunterhalt wurde entspr verfahren. Zum Ende des Berichtsjahres 09 wurde diese Statistik jedoch eingestellt (dazu Unger/Unger FPR 13, 19 ff), so dass sie nicht mehr herangezogen werden kann (Stuttg FamRZ 14, 850; AG Karlsr FamRZ 15, 1201).

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