Leitsatz (amtlich)

Der angemessene Unterhalt eines in Polen lebenden Kindes eines in Deutschland lebenden Vaters kann nach der für dessen Wohnort maßgebenden Unterhaltstabelle und einem Abschlag von 30 % zur Anpassung an die in Polen gegebenen Lebensverhältnisse (soziales Gefüge, Lohnniveau, Lebenshaltungskosten, vgl. Art. 135 § 1 poln. FVG) bemessen werden. Die Höhe des Abschlags richtet sich nach der Verbrauchergeldparität und dem Devisenkurs.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1610 Abs. 1; EGBGB Art. 18 Abs. 1 S. 1; poln. FVG Art. 135 § 1

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Urteil vom 25.07.1996; Aktenzeichen 7 F 1638/95)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg (7 F 1638/95.) vom 25.07.1996 abgeändert:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen von dessen gesetzlicher Vertreterin für die Zeit ab 01.08.1995 monatlich 320 DM und für die Zeit ab 01.01.1996 monatlich 350 DM Kindesunterhalt jeweils monatlich im voraus zu bezahlen.
  2. Hierdurch wird der Vergleich vom 04.12.1989 (2 F 423/89 Amtsgericht Hersbruck) abgeändert.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluß:

I. Der Streitwert für den ersten Rechtszug bis zur Abgabe des Teilanerkenntnisses wird auf

2.400 DM

(350 DM – 150 DM = 200 DM × 12 Monate), für das restliche Verfahren auf

1.800 DM

(350 DM – 200 DM = 150 DM × 12 Monate) festgesetzt (§ 17 Abs. 1 GKG).

II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren bis zur Abgabe des (weiteren) Teilanerkenntnisses wird auf

1.800 DM

(350 DM – 200 DM = 150 DM × 12 Monate), für das restliche Berufungsverfahren auf

600 DM

(350 DM – 300 DM = 50 DM × 12 Monate) festgesetzt (§§ 14, 17 Abs. 1 GKG).

 

Tatbestand

Der am 24.01.1983 geborene Kläger ist der Sohn des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Er lebt bei seiner Mutter in Polen, der wiederverheiratete Beklagte wohnt mit, seiner jetzigen Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in Nürnberg.

Der Kindesunterhalt ist durch gerichtlichen Vergleich vom 04.12.1989 (2 F 423/89 AG Hersbruck) mit monatlich 150 DM tituliert. Der Beklagte zahlt seit 01.06.1995 monatlich 200 DM an den Kläger. Dieser klagt für die Zeit ab 01.08.1995 monatlich 320 DM und für die Zeit ab 01.01.1996 monatlich 350 DM Kindesunterhalt ein.

Der Beklagte hat den Anspruch in erster Instanz in Höhe von monatlich 200 DM und im Berufungsverfahren in Höhe von monatlich 270 DM, und für die Zeit ab 01.01.1996 in Höhe von monatlich 300 DM anerkannt.

Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin monatlich 320 DM für die Zeit ab 01.08.1995 und monatlich 350 DM für die Zeit ab 01.01.1996 geltend.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung, soweit höhere als die von ihm anerkannten Beträge gefordert werden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

I.

Dem Kläger steht für die Zeit vom 01.08. bis 31.12.1995 ein Anspruch auf Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 320 DM und für die Zeit ab 01.01.1996 in Höhe von monatlich 350 DM gegen den Beklagten zu.

Der Kläger kann eine Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 04.12.1989 (Amtsgericht Hersbruck, 2 F 423/89) verlangen, weil die maßgebenden Verhältnisse sich in den letzten 5 Jahren seit Abschluß des Vergleichs wesentlich verändert haben (§ 323 Abs. 1 ZPO, § 242 BGB): Der Kläger ist am 24.01.1995 zwölf Jahre alt geworden und damit in eine höhere Altersstufe (Stufe 3 der Nürnberger Tabelle) aufgerückt; sein Bedarf hat sich auch aufgrund der „dramatischen inflationären Entwicklung in Polen nach Freigabe der Wechselkurse” (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 1095; OLG Koblenz, FamRZ 1995, 1439, 1440) wesentlich erhöht. Das Einkommen des Beklagten ist seit dem Abschluß des Vergleichs vom 04.12.1989 unstreitig ebenfalls erheblich (auf monatlich ca. 4.000 DM netto) gestiegen, auch wenn der Ausgangsbetrag des Jahres 1989 in dem Vergleich nicht festgeschrieben worden ist.

II.

1. Der Unterhaltsanspruch des Klägers ist materiell-rechtlich nach polnischem Recht zu beurteilen, weil der unterhaltsberechtigte Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen hat (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB i.V. mit Art. 4 Abs. 1 Haager Unterhalts-Übereinkommen, HUÜ, v. 2.10.1973, in Kraft seit 01.04.1987; vgl. Johannsen/Henrich, Eherecht, 2. Auflage, EGBGB Art. 18, Rn. 2; OLG Koblenz, FamRZ 1995, 1439).

Das polnische „Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch (FVG)” bemißt den Umfang der Unterhaltsleistungen nach „den gerechtfertigten Bedürfnissen des Berechtigten und den Erwerbs- und Vermögensmöglichkeiten des Verpflichteten” (Art. 135, § 1 FVG). Die gerechtfertigten Bedürfnisse des Kindes werden einerseits durch die Lebenshaltungskosten in Polen, das dortige Lohnniveau und durch das soziale Gefüge in Polen bestimmt. Der Unterhalt ist aber auch nach den gehobenen Einkommensverhältnissen des in Deutschland lebenden Vaters zu bemessen, weil das Kind einen Anspruch auf eine angemessene Teilhabe an dem gehobenen Lebens Standard des Vaters, nämlich auf soviel Kaufkraft hat, daß...

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