Rn 11

Sind die Voraussetzungen des § 1 erfüllt, hat das Gericht einen weiten Spielraum in Betracht kommender Maßnahmen, ist aber an den Antrag des Opfers gebunden. Der Katalog des I 3 stellt keine abschließende Regelung (›insbesondere‹) dar. Zu treffen ist diejenige Maßnahme, durch die die Wiederholungsgefahr am ehesten ausgeräumt werden kann. Wobei stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (Stuttg FamRZ 04, 876). Die Anordnung einzelner Maßnahmen setzt nicht eine Wiederholungsgefahr gerade hinsichtlich der untersagten Verhaltensweise voraus. Erforderlich ist nur die Eignung der Maßnahme zur Abwehr der Gefährdung der geschützten Rechtsgüter (BGH FamRZ 14, 825; Celle FamRZ 15, 263). Ggf kommt auch die Verpflichtung des Gewalttäters in Betracht, die gemeinsam mit dem Opfer genutzte Wohnung uU auch unbefristet aufzugeben, wenn die Abwägung der Rechte von Täter und Opfer dies gebieten (BGH FamRZ 14, 825).

 

Rn 12

Als eine Folge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Jena FamFR 12, 236) sind die Maßnahmen idR zu befristen (I 2), wobei die Frist auf Antrag verlängert werden kann (Brandbg FamRZ 21, 1214). Das gilt insb für einstweilige Anordnungen (Saarbr FamRZ 11, 1087). Die Verlängerung setzt nur die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die ursprüngliche Anordnung voraus (Bremen FamRZ 13, 1828), während deren Rechtsmäßigkeit nicht geprüft wird (Nürnbg FamRZ 12, 646 LS). Bei der Befristung ist darauf abzustellen, welcher Zeitraum erforderlich ist, um der Gefahr weiterer Rechtsverletzungen entgegen zu wirken. Dabei wird auf die Schwere und Häufigkeit der bisherigen Übergriffe abzustellen sein. Je geringer deren Intensität, umso kürzer ist idR auch die Dauer der Schutzanordnung zu bemessen. Andererseits können bei besonders schwerwiegenden Taten (Tötungs- oder Sexualdelikte) längerfristige Maßnahmen getroffen (Jena FamFR 12, 236) oder von der Befristung auch ganz abgesehen werden (Hamm FamFR 13, 378). Fehlt die Befristung, kommt bei späterer Festsetzung der Ordnungsmittel dem Verhältnismäßigkeitsgebot besondere Bedeutung zu (Hamm FamRZ 15, 1405).

 

Rn 13

Das Betretungsverbot hinsichtlich der Wohnung des Opfers (I 1) ergänzt die auf § 1361b oder § 2 gestützte Wohnungszuweisung. Dabei ist es unerheblich, auf welchen Rechtsbeziehungen die Nutzung der Wohnung beruht. Leben Täter und Opfer zwar in einem gemeinsamen Haushalt, führen aber keinen gemeinsamen auf Dauer angelegten Haushalt, kommt zwar keine Maßnahme nach § 2, wohl aber ein Betretungsverbot nach § 1 in Betracht. Diese Maßnahme ist idR zu befristen, weil sie sonst im Ergebnis zu einer nicht zulässigen Wohnungsüberlassung führte. Unter Eheleuten gelten die Vorschriften des Familienrechts, insb § 1361b iÜ als leges speciales.

 

Rn 14

Ergänzend zum Betretungsverbot kommt das Verbot in Betracht, sich in der Nähe der Wohnung des Opfers aufzuhalten (I Nr 2). In diesen Fällen hat das Gericht die Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse zu beachten (BTDrs 14/5429, 29) und den zu meidenden Bereich genau zu bestimmen.

 

Rn 15

Daneben besteht die Möglichkeit, das Verbot auszusprechen, bestimmte Orte aufzusuchen, an denen sich das Opfer regelmäßig aufhält (I Nr 3). Hierzu rechnen unter anderem der Arbeitsplatz des Opfers, Schule oder Kindergarten der Kinder oder Freizeitstätten. Auch hier sind genaue Bezeichnungen der Orte erforderlich, wobei auch eine Beschränkung auf bestimmte Tageszeiten in Betracht kommt.

 

Rn 16

Durch das Kontaktverbot (I Nr 4) kann jede Form der Kontaktaufnahme untersagt werden. Hierzu zählen außer der persönlichen Kommunikation durch Ansprechen oder Telefonieren auch die mittelbare durch Übersenden von Post, durch Telefax, E-Mails oder SMS, insb aber auch das sog ›Stalking‹, wobei herabwürdigende Äußerungen in einem Facebookaccount keinen Verstoß gegen ein Kontaktverbot darstellen (Frankf FamRZ 22, 958). Die Unterschreitung des aufgrund der CoViD-19-Pandemie vorgeschriebenen Mindestabstands stellt keine Tathandlung nach § 1 dar (AG Cuxhaven NJW-RR 20, 1398 [OLG Schleswig 19.06.2020 - 15 UF 151/19]).

 

Rn 17

Das Verbot des Zusammentreffens mit der verletzten Person (I Nr 5) ist schließlich ein Auffangtatbestand. Durch ihn kann eine Abstandszone zwischen Täter und Opfer auch für zufällige Zusammentreffen geschaffen werden. Ausdrücklich sollte angeordnet werden, dass der Täter sich im Fall eines zufälligen Zusammentreffens zu entfernen hat (HK-FamR/Hauß Rz 2259).

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