Rn 7

Wo Rechtsvereinheitlichung übereinstimmendes Sachrecht geschaffen hat, ist IPR gegenstandslos (BGH NJW 76, 1583). Wann Einheitsrecht Anwendung findet, ergibt sich nicht aus dem (allg) IPR, sondern aus den besonderen Anwendungsvoraussetzungen des Staatsvertrages, auf dem es beruht. Ob der Vorrang vor dem IPR (BGHZ 96, 313, 318) auf Art 3 Nr 2 zu stützen ist (so ausf v Bar/Mankowski IPR I, § 2 Rz 55 ff) oder bereits aus der Natur sachrechtlichen Einheitsrechts folgt, bzw, insofern Regelungsgegenstand nur grenzüberschreitende Sachverhalte sind, aus dessen Spezialität, kann dahinstehen. Wichtige Bspe für Internationales Einheitsrecht sind das UN-Üb über den internationalen Warenkauf CISG (BGBl 89 II 586), das Warschauer (RGBl 33 II 1039; BGBl 58 II 291, 312; 64 II 1295) und Montrealer (BGBl 04 II 459) Abk zum Flugverkehr, die CMR zum Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (BGBl 61 II 1119; 62 II 12; 80 II 721, 733, 1443) sowie die COTIF zum Eisenbahntransport (BGBl 85 II 130 u 666; BGBl 92 II 1182; 96 II 2655) und das Budapester Übk über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI, BGBl 07 II 298), die Genfer Abk zu Wechsel (RGBl 33 II 377) und Scheck (RGBl 33 II 537), das Abk zur Gastwirtshaftung (BGBl 96 II 269, 1565; 67 II 1210) und das Abk zum deutsch-französischen Wahlgüterstand v 4.2.10 (dazu Hoischen RhNotZ 15, 317; Meyer FamRZ 10, 612; Anwendungsvoraussetzung ist Güterrechtsstatut eines Vertragsstaates, Art 1, der Beitritt steht allen EU-Mitgliedstaaten offen, Art 21; Dethloffs, StAZ 06, 253, Vorschlag einer Binnenmarktehe als optionales Einheitsrecht, dazu etwa Kohler FamRZ 08, 1673, aE, ist bislang nicht aufgegriffen worden). Kein Einheitsrecht ist der Gemeinsame Referenzrahmen für ein europäisches Privatrecht vom 16.7.08 (Draft Common Frame of Reference, DCRF, http://ec.europa.eu/justice/contract/files/european-private-law_en.pdf). Er dient aber bereits dem EuGH und der Kommission bei der Rechtsfortbildung als Grundlage (rechtsvergleichender ›Werkzeugkasten‹). Mangels Zuständigkeit der EU für ein europäisches Vertragsgesetzbuch erwog man die Inkraftsetzung als sog optionales Instrument für eine vertragliche Vereinbarung (vgl zB Jansen/Zimmermann NJW 09, 3401; Leible NJW 08, 2558; Martiny ZEuP 07, 212; Lehne ZEuP 07, 1), doch hat sich der europäische Gesetzgeber auch dazu nicht entscheiden können (vgl Schulze-Nölke NJW 09, 2161), so dass der DCFR bis auf weiteres ein dem US-amerikanischen Restatement ähnelndes Werk der Wissenschaft ohne Rechtsgeltung bleibt. Am 11.10.11 hat die Kommission den Entwurf eines als optionales Instrument gedachten Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts (GEK) vorgelegt, KOM (2011), 635 endg (dazu Schulze NJW-Editorial 44/2011), dem das EU-Parlament im Februar 2014 noch in erster Lesung zugestimmt hatte, ohne dass es letztlich zur Gesetzgebung kam. Im Sommer 2015 hat die Kommission das Thema unter dem Aspekt einer ›EU's Digital Single Market Strategy‹ neu aufgegriffen und eine öffentliche Anhörung zum Rechtsvereinheitlichungsbedarf in Bezug auf den online-Handel durchgeführt. Bei der Anwendung von Einheitsrecht ist eine besondere rechtsvergleichende Auslegungsmethodik zu beachten und es sind die Entscheidungen der Gerichte anderer Abkommensstaaten zu berücksichtigen (BGHZ 88, 160 f; dazu Gruber Methoden des internationalen Einheitsrechts, 2004; Linhart Internationales Einheitsrecht und einheitliche Auslegung, 2005). Dennoch kann es bei Fehlen eines mit autoritativer Auslegung betrauten Gerichts (wie zB des EuGH) zu Auslegungsdifferenzen in den verschiedenen Vertragsstaaten kommen; in diesem Fall besteht die Vereinheitlichung nur auf dem Papier und es ist letztlich doch eine kollisionsrechtliche Entscheidung über die anwendbare Version des vermeintlichen Einheitsrechts erforderlich, die zunächst in dem Abk selbst und sonst im allg Kollisionsrecht des Forumstaates zu suchen ist (v Bar/Mankowski IPR I § 2 Rz 70). Das gleiche gilt für sog externe Lücken des Einheitsrechts, dh für Fragen, die außerhalb der Regelungsmaterie liegen, während zum staatsvertraglichen Regelungsgegenstand zu zählende sog interne Lücken aus dem Kontext des Abk zu füllen sind (MüKo/Sonnenberger Einl IPR Rz 371; zum CISG MüKo/Martiny Art 4 ROM I Anh Rz 86).

 

Rn 8

Da auch Einheitsrecht nur Geltungskraft besitzt, wenn es staatlich gesetztes Recht ist (s.u. Rn 12), lassen sich die häufig als ›lex mercatoria‹ bezeichneten, verdichteten einheitlichen Handelsgewohnheiten ebenso wenig dazu zählen (Kegel/Schurig § 1 IX) wie andere privat gesetzte transnationale Regelwerke (lex sportiva, lex technica, dazu Röthel JZ 07, 755).

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