Gesetzestext

 

(aufgehoben)

A. Internationales Schuldvertragsrecht im Wandel.

 

Rn 1

Der 17.12.09 (Stichtag) steht für den größten Wandel im Internationalen Schuldrecht seit der IPR-Reform des Jahres 1986 (s Magnus IPRax 2010, 27; Mansel/Thorn/Wagner IPRax 10, 1 ff; Martiny RIW 09, 737). Für alle seit diesem Stichtag abgeschlossenen Verträge gilt das unionsrechtliche Internationale Schuldvertragsrecht in Form der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM I), kommentiert im IPR-Anh 1, das die Art 27 ff EGBGB ersetzt hat. Für alle vor diesem Stichtag abgeschlossenen Verträge gilt das nationale alte Recht in ex Art 27 ff EGBGB (kommentiert im PWW-Online-Ergänzungsband, s www.pww-oe). Insgesamt setzt das neue Unionsrecht eine jahrzehntelange Entwicklung fort, da es auf dem Römischen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ) vom 17.6.80 beruht (ABl 1980 L 266/1; BGBl 1986 II S 810), das seinerseits 1986 ins EGBGB inkorporiert worden war (insbesondere in Art 27 ff EGBGB); daher stammt auch der Name ›ROM I‹. Insoweit liegt eine Evolution vor (Magnus IPRax 10, 27; Mankowski IHR 08, 133; Rauscher/von Hein Einl ROM I Rz 9–20). Zugleich hat – jedenfalls aus Sicht des Rechtsanwenders – aufgrund des Rechtsquellenwechsels ein Paradigmenwechsel stattgefunden (Brödermann NJW 10, 807 ff; Roth EWS 11, 314 ff). Denn die Abgrenzung der nationalen Rechte erfolgt vor den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten durch Anwendung einer EU-Verordnung, die als Unionsrecht kraft eigenen Geltungswillens (Art 288 II AEUV) zur Anwendung kommt.

B. Aktuelle Bedeutung von ex Art 27 ff EGBGB.

 

Rn 2

Die ex Art 27 ff EGBGB (→ PWW-Online-Ergänzungsband, www.pww-oe.de) sind nicht nur für Altfälle von Bedeutung, sondern auch dort, wo ROM I nicht gilt. Das betrifft zum einen Fälle außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs von ROM I im Verhältnis zu Staaten, mit denen das EVÜ abgeschlossen wurde (s Art 24 ROM I Rn 3). Das gilt zum anderen für die vom Anwendungsbereich der ROM I sachlich ausgeschlossenen Gebiete (zB das Internationale Gesellschaftsrecht als eigenständig zu behandelnder Zweig des internationalen Vertragsrechts, kommentiert in IPR-Anh 4/IntGesR; s aber dort Rn 6 für BGB-Innengesellschaften: Insoweit bleiben Art 3 ff ROM I bzw ex-Art 27 ff EGBGB anwendbar, BGH NZG 2015, 1073 [BGH 10.06.2015 - IV ZR 69/14]). Bei der Auslegung des EVÜ zieht der EuGH die Normen der ROM I mit heran, sodass eine Weiterentwicklung des Rechts stattfindet und die Interpretation der alten und neuen Normen vereinheitlicht wird (Martiny ZEuP 15, 839, 841); dies gilt für die heutige Auslegung von ex Art 27 ff EGBGB entsprechend. Die nachträgliche Rechtswahl bzw Abänderung einer früher (nach ex Art 27 EGBGB) getroffenen Rechtswahl richtet sich seit dem Stichtag 17.12.09 jedoch bereits nach der ROM I (s Art 3 ROM I Rn 2).

C. Überblick zu ex Art 27 ff EGBGB (Einzelheiten dazu im PWW-Online-Ergänzungsband, www.pww-oe.de).

 

Rn 3

Die ex Art 27 ff EGBGB beruhen auf dem Prinzip der Rechtswahlfreiheit (ex Art 27 EGBGB). Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, gilt nach dem in ex Art 28 EGBGB kodifizierten Näheprinzip das Recht des Staates, mit dem der Sachverhalt die engste Verbindung aufweist. Dafür enthält ex Art 28 II EGBGB eine widerlegliche Vermutung bereit (diese Vermutungen sind in ROM I durch feste Anknüpfungen ersetzt worden). Ex Art 2728 EGBGB werden ergänzt durch Regelungen für besondere Vertragstypen, wie die ex Art 29, 29a EGBGB (Verbraucherverträge), ex Art 30 EGBGB (Arbeitsverträge).

 

Rn 4

Ex Art 27 ff EGBGB sprechen Sachnormverweisungen aus (ex Art 35 EGBGB). Das von ex Art 27 ff EGBGB berufene Vertragsrecht unterliegt einer ordre public-Prüfung nach Art 6 EGBGB. Ergänzend zum Vertragsstatut können Sonderanknüpfungen von Teilfragen oder von zwingendem Recht (ex Art 34 EGBGB) zur Anwendung weiterer Rechtsordnungen auf denselben Fall führen. Ex Art 27 ff EGBGB werden ergänzt um weitere, nicht aufgehobene Bestimmungen im noch geltenden EGBGB (zB Art 11 zur Form). Auch der gesetzliche Forderungsübergang (ex Art 33 III EGBGB) und gesetzliche Vermutungen und Beweislastregeln (ex Art 32 III EGBGB) sind bereits im alten EVÜ-basierten Internationalen Schuldvertragsrecht geregelt. Die Bestimmungen in ex Art 27 ff EGBGB sind einheitlich auszulegen (ex Art 36 EGBGB); die obersten Instanzgerichte können Auslegungsfragen dem EuGH vorlegen.

 

Rn 5

Eine eingehende aktuelle Kommentierung von ex Art 2737 EGBGB findet sich online im PWW-Online-Ergänzungsband (www.pww-oe.de).

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