Rn 2

Religionsgemeinschaften sind Vereinigungen mit organisierter Struktur, deren Mitglieder/Anhänger auf der Grundlage einer gemeinsamen religiösen Überzeugung ihre Übereinstimmung über Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens bezeugen (vgl BAG NJW 96, 143 [BAG 22.03.1995 - 5 AZB 21/94]); unproblematisch somit Baptisten, Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaft, Katholiken und Alt-Katholiken, Mormonen, Muslime, neuapostolische Kirche, Organisationen des buddhistischen, griechisch-orthodoxen, russisch-orthodoxen oder hinduistischen Glaubens, Protestanten, Sieben-Tages-Adventisten sowie Zeugen Jehovas. Umstr Scientology (§ 1 Rn 6). Der ›verfassten Kirche‹ zugeordnete Einrichtungen nehmen bestimmungsgemäß einen Teil des Auftrags der Religionsgemeinschaften wahr (vgl BAG NJW 88, 3283 [BAG 14.04.1988 - 6 ABR 36/86]), zB Caritas, Diakonie, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser (BVerfGE 46, 73 [BVerfG 11.10.1977 - 2 BvR 209/76]), kirchliche Bildungseinrichtungen (BVerfG AP Nr 5 zu Art 140 GG), kirchliche Orden (BVerfGE 70, 138–173; BTDrs 16/1780, 35), nicht aber kirchliche Zusatzversorgungskassen (LAG Hessen LAGE § 9 AGG Nr 1). Zu (seltenen) Weltanschauungsgemeinschaften vgl Art 137 VII WRV. Nicht durch § 9 geschützt sind Organisationen, die andere, zB politische Ziele unter Zugrundelegung auch religiöser Grundsätze verfolgen (zB christlich ausgerichtete Parteien, Verbände oder Gewerkschaften).

 

Rn 3

Die Ungleichbehandlung ist zulässig, wenn sie eine ›gerechtfertigte‹ berufliche Anforderung darstellt; I ist weiter als § 8, der ›entscheidende‹ berufliche Anforderungen verlangt. § 9 I Alt 1 AGG erlaubt Ungleichbehandlung allein im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht ohne Berücksichtigung der konkreten Tätigkeit, ist damit aber nach abzul Ansicht des BAG mit RL 2000/78/EG unvereinbar und daher nicht anzuwenden (BAG NZA 19, 527, 455 [BAG 19.12.2018 - 7 AZR 70/17]). Rechtfertigung ist daher nur nach § 9 I Alt 2 AGG möglich, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw der Einrichtung darstellt und die Anforderung verhältnismäßig ist (EuGH NZA 18, 569 – Egenberger, BAG NZA 19, 455 [BAG 25.10.2018 - 8 AZR 501/14]). Je näher der geschützte Bereich dem Verkündungsbereich und damit Kernbereich verfassungsrechtlich geschützter Religions-/Weltanschauungsfreiheit kommt, desto eher ist eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt; daher bei Priestern in hohem Maße, weniger bei verkündungsfernen Mitarbeitern wie Hausmeistern, Pförtnern, Gärtnern, Pflegern (ArbG Aachen v 13.12.12, 2 Ca 4226/11), im christlichen Glauben auch Koch (zur Integrationsberaterin LAG HH AuR 09, 97) und EDV-Administrator (ArbG Köln v 22.2.12, 1 Ca 6290/12). Jedoch können auch an Letztere Anforderungen gem II gestellt werden (Rn 4). Nicht gerechtfertigt bei katholischem Chefarzt in katholischem Krankenhaus (EuGH NZA 18, 1187 – IR; BAG NZA 19, 901).

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