Rn 46

Nach § 839 II ist eine Amtshaftung bei ›Urteilen in einer Rechtssache‹ nur gegeben, wenn die Amtshaftung der beteiligten Richter eine Straftat darstellt. Nach der Rspr des BGH sind mit ›Urteil‹ alle Entscheidungen gemeint, die ›urteilsvertretende Erkenntnisse‹ darstellen: Das sind Entscheidungen, die in einem der Selbstbindung des Gerichts unterliegendem instanzbeendenden Erkenntnisverfahren mit materieller Rechtskraftfähigkeit ergehen und einem Urt insoweit vergleichbar sind, als sie aufgrund rechtlichen Gehörs, erforderlichenfalls einer Beweiserhebung ergehen und mit einer Begründung versehen sind daher auch Entscheidungen nach § 123 VwGO und einstweilige Verfügungen (BGHZ 161, 298). Ebenso zählen vorbereitende Maßnahmen dazu, mit denen das Gericht die Grundlagen für seine Entscheidung in der Hauptsache gewinnen will, insb Beweisbeschlüsse und sonstige Entscheidungen zum Verfahren (BGHZ 187, 286; BVerfG NJW 13, 3630). Keine Urteilsqualität haben Haftbefehle, PKH-Entscheidungen, nichtstreitige Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in Zwangsvollstreckungssachen. Sonderfall Notar: s Rn 119.

 

Rn 47

Richter iSd § 839 II sind neben den Berufsrichtern auch die ehrenamtlichen Richter, nicht jedoch Schiedsrichter. Es wird jedoch angenommen, dass stillschweigende Bedingung des Schiedsvertrages die Abrede ist, dass die Schiedsrichter nicht weiter haften als Berufsrichter (BGHZ 42, 313). Nicht erfasst von § 839 II sind Rechtspfleger (vgl BGH VersR 02, 97; 87, 256; DNotZ 00, 705: keine Klageabweisung wg § 839 II) und Staatsanwälte. Deren Entscheidungen werden jedoch nicht auf ›Richtigkeit‹, sondern auf ›Vertretbarkeit‹ überprüft (BGH VersR 09, 931; Rn 131; auch bei überlanger Verfahrensdauer: BVerfG NJW 13, 3630 [BVerfG 22.08.2013 - 1 BvR 1067/12]). Für Sachverständige gilt § 839a. Keine Privilegierung besteht für Spruchrichter etwa für fehlerhafte Ladungen, Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Bearbeitung der in Rn 46 genannten Entscheidungen. Es ist aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 II S 1 der verfassungsrechtliche Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass das richterliche Verhalten bei der Prozessführung im Amtshaftungsprozess nur auf seine Vertretbarkeit hin zu überprüfen ist (BGHZ 187, 286 insb auch zur Beweislast und zur Abgrenzung zu II 1; Literatur: Brüning NJW 07, 1094; Ossenbühl JZ 07, 690; Remus NJW 12, 1403; Terhechte DVBl 07, 1134; Schneider ZAP Fach 2, 497). Daneben stellt sich die Frage des Organisationsverschuldens der Anstellungskörperschaft wegen unzulänglicher Personalplanung (BGHZ 170, 260). Außerhalb des Anwendungsbereichs kann ein Verschulden fehlen (Rn 35). Für Verzögerungen von Verfahren ist zusätzlich das am 3.12.2011 in Kraft getretene Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren einschlägig (§ 198 GVG). Es handelt sich um unterschiedliche Streitgegenstände (Karlsr FamRZ 13, 1678).

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