Gesetzestext

 

1Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

A. Funktion und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 833 regelt – ergänzt durch § 834 – die Haftung für durch Tiere verursachte Rechtsgutsverletzungen. § 833 1 statuiert eine Gefährdungshaftung des Halters eines sog ›Luxustiers‹, § 833 2 eine Haftung des Halters eines Nutztiers mit Verschuldens- und Kausalitätsvermutung (zur Verfassungskonformität der Haftungsprivilegierung BGH NJW 09, 3233 [BGH 30.06.2009 - VI ZR 266/08] Rz 5 ff). § 834 ergänzt diese Tatbestände durch eine Haftung des Tieraufsehers, ebenfalls mit Verschuldens- und Kausalitätsvermutung. Alle diese Vorschriften ordnen die nicht vollständig beherrschbare Tiergefahr in erster Linie demjenigen zu, der Nutzen aus der Tierhaltung zieht (§ 833 1 u 2, s schon Prot II 2867 sowie insb BGH NJW 74, 234, 235; BGHZ 67, 129, 132; Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 5; MüKo/Wagner § 833 Rz 2; NK-BGB/Katzenmeier § 833 Rz 2; BeckOK/Spindler § 833 Rz 1) bzw die – auch der Schadensvermeidung dienende – Aufsicht über das Tier übernommen hat (§ 834). Sie sind von großer praktischer Relevanz (Bsp aus der Rspr: M Schmid VersR 14, 555 ff).

B. Regelungsinhalt.

I. Gefährdungshaftung, § 833 1.

1. Voraussetzungen.

a) Tier.

 

Rn 2

§ 833 erfasst grds alle Tiere. Str ist die Tiereigenschaft von Kleinstlebewesen und laborgezüchteten Mikroorganismen. Auch wenn von ihnen Gefahren ausgehen, die anderen von § 833 erfassten Tiergefahren – etwa der durch einen Insektenschwarm verursachten – vergleichbar sind (zB Ausscheiden von Giften, Verursachen von Krankheiten), spricht gegen ihre Einbeziehung, dass Mikroorganismen weder biologisch noch umgangssprachlich als Tiere angesehen werden (s insb Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 11 ff mwN) und den von ihnen ausgehenden Gefahren durch Spezialregelungen (insb durch das GenTG und das InfSchG – Letzteres ggf iVm § 823 II) begegnet werden kann und soll. Daher werden diese Lebewesen nicht von § 833 erfasst (so auch zB Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 22; Soergel/Krause § 833 Rz 3; Larenz/Canaris § 84 II 1a; Abeltshauser JuS 91, 366 ff; Heldrich OdW 15, 155, 156; aA zB Erman/Wilhelmi § 833 Rz 2; Deutsch NJW 76, 1137 f; 90, 751 f; Dördelmann VersR 18, 1234, 1239 f: analoge Anwendung des § 833 1), Viren dürften dann erst recht nicht unter die Tierhalterhaftung fallen. Herrenloses Wild wird von der Definition des Tieres zwar erfasst, aber hier fehlt es an einem haftpflichtigen Tierhalter, so dass § 833 iE nicht greift (s Rebler MDR 12, 1204, 1205).

b) Rechtsgutsverletzung.

 

Rn 3

Als verletzte Rechtsgüter kommen Leben, Körper und Gesundheit eines Menschen sowie Sachen (auch andere Tiere, § 90a, BGH NJW 18, 3439 [BGH 24.04.2018 - VI ZR 25/17] Rz 9 mwN) in Betracht.

c) Haftungsbegründende Kausalität.

 

Rn 4

Die Rechtsgutsverletzung muss durch das Tier verursacht worden sein. Entscheidend ist, dass sich in ihr eine spezifische Tiergefahr verwirklicht hat. Deren Konkretisierung ist str: An die Stelle der früheren Unterscheidung zwischen willkürlichem und natürlichem Tierverhalten (zB RGZ 80, 237, 238 f; BGH NJW 75, 867, 868; wN: BGH NJW-RR 06, 813 Rz 7) ist in der neueren Rspr das Kriterium der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens getreten (zB BGHZ 67, 129, 132; NJW-RR 06, 813 Rz 7; NJW 15, 1824 Rz 12 mwN; NJW-RR 17, 725 Rz 9; NJW 18, 2329 Rz 9; VersR 22, 897 Rz 9, 11), das in der Lit teilw als unbrauchbar abgelehnt wird (zB Soergel/Krause § 833 Rz 6; Erman/Wilhelmi § 833 Rz 4; NK-BGB/Katzenmeier § 833 Rz 5; Larenz/Canaris § 84 II 1c mwN; für negative Typenkorrektur Lehmann/Auer VersR 11, 846 ff). Weil § 833 nur für diejenigen Verhaltensweisen nicht gilt, in denen sich keine spezifische Tiergefahr verwirklicht, werden auch natürliche bzw instinktive Verhaltensweisen von Tieren, die als solche nicht unvorhersehbar sind, von § 833 erfasst, zB das Scheuen eines Pferdes bei Herannahen eines Kraftfahrzeugs (Celle RuS 16, 363, 365) oder durch einen überfliegenden Tornado (Celle r+s 23, 45), natürliche Ausscheidungen (Karlsr VersR 95, 927, 928; Bambg NJW-RR 21, 815, 815 f; LG Dessau-Roßlau NZM 13, 50: Reinigungsflug von Bienen; Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 64; BeckOK/Spindler § 833 Rz 8; Erman/Wilhelmi § 833 Rz 4; anders noch RGZ 141, 406, 407), das Schlafen eines Hundes in einem Ladeneingang (Hamm MDR 13, 908 [BGH 08.05.2013 - IV ZR 233/11]) oder der Deckakt (Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 65; BeckOK/Spindler aaO; Erman/Wilhelmi aaO; aA Nürnbg VersR 70, 1059, 1060 mwN; s.a. BGHZ 67, 129, 130 ff). Vom Anwendungsbereich des § 833 1 auszunehmen sind daher – neben den Fällen, in denen ein Zusammenhang der Rechtsgutsverletzung mit tierischem Verhalten überhaupt nicht n...

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