Rn 39

Die Insolvenzverschleppung durch vertretungsberechtigte Organe von Gesellschaften oder Vereinen ist spezialgesetzlich geregelt, zB in §§ 42 II BGB, 15a InsO, ggf iVm § 823 II (§ 823 Rn 241). Daneben spielt § 826 praktisch kaum eine Rolle (s nur BGHZ 75, 96, 114; 96, 231, 235 ff; Rostock NJOZ 06, 2767, 2777 f; Gehrlein WM 21, 1, 6; Ausn: BGHZ 108, 134, 141 ff, krit dazu zB MüKo/Wagner § 826 Rz 172; BGHZ 175, 58 Rz 14; NJW-RR 10, 351 Rz 7; jetzt auch BGH ZIP 21, 1856 Rz 20 ff, dazu Beck DZWiR 22, 85 ff; zu Lücken des spezialgesetzlichen Gläubigerschutzes Haas ZIP 09, 1257, 1258 f, auch zu einer Übertragbarkeit der Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung aaO 1259 ff; für eine stärkere Berücksichtigung des Zusammenspiels zwischen Insolvenzanfechtung und § 826 Thole WM 10, 685 ff; s auch BGHZ 217, 300 Rz 51 f – auch für das Verhältnis zur Insolvenzanfechtung nach ausländischem Recht); vielfach wird die Frage im Ergebnis offengelassen (BGHZ 164, 50, 63) oder ein Anspruch abgelehnt (zB BGHZ 175, 58 Rz 8 ff; NJW-RR 10, 351 Rz 8 ff). Relevant wird § 826 va dann, wenn das Gesamtverhalten über das von den Spezialvorschriften Erfasste hinausgeht (s BGHZ 217, 300 Rz 55 ff zur ›Firmenbestattung‹), wobei derzeit auch § 2 I Nr 3 COVInsAG zu beachten ist (dazu insb Gehrlein WM 21, 1, 7). Von § 826 erfasst werden kann auch das bewusste Verschweigen eines Anspruchs, um die Restschuldbefreiung zu erreichen (s.u. Rn 56). Ein wichtiger Anwendungsbereich des § 826 bei der Insolvenzverschleppung betrifft das Verhalten von Gläubigern des insolvenzgefährdeten Unternehmens, in erster Linie Banken, an die relativ hohe Verhaltensanforderungen gestellt werden. Sie sind zwar nicht generell verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen (s nur BGH WM 64, 671, 673; Koller JZ 85, 1013, 1021), wohl aber unter folgenden Voraussetzungen: tatsächlich bestehende Insolvenzreife des Schuldners (BGH NJW 65, 475, 476; 70, 657, 659), Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers hiervon (BGHZ 10, 228, 233 f – zu § 138; Frankf VersR 91, 80, 81) sowie ein Dritte schädigendes Verhalten zur Verminderung des eigenen Risikos, zB durch Hinauszögern des Insolvenzantrags (BGH LM § 826 [Ge] Nr 9) oder Bereitstellen von Überbrückungskrediten, die zur echten Sanierung nicht ausreichen (zB BGHZ 90, 381, 399; 96, 231, 235 ff; NJW 92, 3167, 3174 f; Grenzen: BGH NJW 01, 2632, 2633; Rostock OLGR 07, 416, 417 f). Zudem spielt § 826 eine Rolle für die Haftung von GmbH-Geschäftsführern (s nur BGHZ 175, 58; NJW-RR 10, 351; ZIP 21, 1856). Problematisch sind häufig der Nachweis des (zumindest bedingten) Vorsatzes, da die Abschätzung der Auswirkungen einer Handlung im Vorfeld der Insolvenz ex ante schwierig ist (vgl auch MüKo/Wagner § 826 Rz 174 mwN; s aber auch BGH ZIP 21, 1856 Rz 23, wo von zumindest bedingtem Vorsatz ausgegangen und daraus auf die Sittenwidrigkeit geschlossen wurde, weiterhin auch zum möglichen Umfang des Schadensersatzes – insb Kosten für selbstständiges Beweisverfahren) und die Kausalität zwischen verspätetem Insolvenzantrag und Schaden (s zB BGHZ 175, 58 Rz 20 ff; NJW-RR 10, 351 Rz 9 ff). Geschützt werden Gläubiger des Insolvenzgefährdeten, nicht aber Anteilseigner (BGHZ 96, 231, 235 ff; Ausn: BGH NJW 92, 3167, 3174 f; umfassend Mertens ZHR 79, 174 ff). Auch eine Haftung des Insolvenzverwalters nach § 826 kommt in Betracht, wenn er die Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Insolvenzmasse in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise verhindert. Sie dürfte aber vor allem wegen der relativ weitreichenden Beurteilungsspielräume des Insolvenzverwalters praktisch nur selten in Betracht kommen (s insb BGH NJW 17, 2613 [BGH 20.07.2017 - IX ZR 310/14] Rz 15 ff zu zahlreichen Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters – Haftung iE abgelehnt).

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