Rn 24

Körper- und Gesundheitsverletzung lassen sich oft kaum exakt voneinander abgrenzen: Die Körperverletzung als unbefugter (nicht durch Einwilligung gedeckter) Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit (BGHZ 124, 52, 54 mwN; NJW 13, 3634 Rz 12; 22, 3509 Rz 16 mwN) bezieht sich stärker auf die äußere Integrität, die Gesundheitsverletzung auf innere körperliche Funktionen. Wegen der identischen Rechtsfolgen kommt es auf die Abgrenzung nicht entscheidend an. Zudem werden die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit gleichermaßen als Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstanden (BGHZ 124, 52, 54; NJW 95, 2407, 2408; stärker diff hingegen mit überzeugender Begründung Röthel AcP 2019, 420, 435 ff) und beide setzen eine gewisse Erheblichkeit der Beeinträchtigung voraus (Hamm NJW 12, 1088 [OLG Hamm 20.10.2011 - I-6 U 116/11]).

 

Rn 25

Körperverletzungen können neben dem Zufügen äußerer Wunden zB das Vorenthalten von Nahrung oder das Abschneiden der Haare sein (BGH NJW 53, 1440 – aus strafrechtlicher Sicht). Auch fehlerhafte ärztliche Eingriffe kommen nach der Rspr als Körperverletzungen in Betracht (str, s.u. Rn 207; Sonderfall Karlsr NJW-RR 09, 743 f [OLG Karlsruhe 22.10.2008 - 7 U 125/08]: Anbringen eines Tattoos, das sich nicht wie angegeben nach spätestens sieben Jahren auflöst, als Körperverletzung; ähnl LG Bochum BeckRS 14, 9265). Eine Körperverletzung liegt daher auch vor, wenn eine Implantation erfolgte, die später wegen Verdachts auf Mangelhaftigkeit des Implantats (zB Verwendung von Industriesilikon bei Brustimplantaten) rückgängig gemacht werden muss (Schaub MedR 16, 138 ff [BGH 09.06.2015 - VI ZR 284/12]; aA LG Frankenthal MPR 13, 134, 135 f; LG Nürnberg MPR 14, 14, 16). Die Körperverletzung besteht hier im Einsetzen eines Implantats, das wegen möglicher Gefahren nicht im Körper verbleiben kann, so dass es auf die Einwilligung in das Entfernen des Implantats nicht ankommt (aA LG Frankenthal MPR 13, 134, 135). Fraglich könnte hier allenfalls sein, ob durch die Rechtsgutsverletzung ein Schaden verursacht wurde, zB wenn vor der Entfernung unklar ist, ob geeignetes oder ungeeignetes Material verwendet wurde. Ist jedoch gerade wegen dieser Unklarheit eine Entfernung des Implantats erforderlich, liegt auch ein ersatzfähiger Schaden vor. Problematisch dürfte in diesen Fällen eher die Ermittlung des richtigen Beklagten sein; zur Haftung wegen Verletzung von Überwachungspflichten insb EuGH NJW 17, 1161 [EuGH 16.02.2017 - C-219/15]; BGH NJW 20, 1514 [BGH 27.02.2020 - VII ZR 151/18] Rz 32. S.a. § 3 ProdHaftG Rn 2.

 

Rn 26

Bei Verletzung abgetrennter Körperteile ist nach dem Zweck (nicht der Dauer) der Trennung zu differenzieren: Wenn die Trennung nur vorübergehend ist, liegt eine Körperverletzung vor (zB bei Eigenblutspende, Haut- oder Knochenteilen, die später wieder in denselben Körper transplantiert werden sollen). Bei endgültiger Trennung vom Körper verwandeln sich die Körperteile in selbstständige Sachen, an denen zunächst derjenige, von dem der Körperteil stammt, Eigentum erwirbt, so dass bei ihrer Beschädigung keine Körper-, sondern eine Eigentumsverletzung vorliegt. Im str Grenzfall der Vernichtung konservierten Spermas tendiert die Rspr zur Annahme einer Körperverletzung (BGHZ 124, 52, 56, arg: Sperma als Ersatz für verlorene Zeugungsfähigkeit), nach überzeugender aA, die ua mit den Auswirkungen auf die strafrechtliche Bewertung argumentiert, liegt eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor (zB NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 17; Soergel/Spickhoff § 823 Rz 34 mwN). Nach vergleichbaren Grundsätzen dürften Ansprüche des Partners zu beurteilen sein (sehr weitgehend Ziegler/Rektorschek VersR 09, 181, 185 f: Körper- und Gesundheitsschaden sowie Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Partners bei Impotenz durch Behandlungsfehler).

 

Rn 27

Bei ungewollter Schwangerschaft, zB nach fehlgeschlagener Sterilisation oder misslungenem Schwangerschaftsabbruch, nehmen Rspr und hL eine Körperverletzung der Mutter an (insb BGH NJW 80, 1452, 1453 [BGH 18.03.1980 - VI ZR 247/78]; 95, 2407, 2408 [BGH 27.06.1995 - VI ZR 32/94] mwN), was mit Blick auf die Dogmatik der Arzthaftung konsequent erscheint. Die Gegenansicht geht idR von einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder ausnw – zB bei schweren psychischen Folgen – der Gesundheit der Mutter aus (zB Erman/Wilhelmi § 823 Rz 18). Die häufig damit verbundene Frage der Unterhaltsbelastung als Schadensposten (s nur BGHZ 76, 249, 250 ff; 259, 260 ff; NJW 95, 2407, 2408) ist in erster Linie eine solche des Vertragsrechts (s etwa BGH NJW 07, 989 [BGH 14.11.2006 - VI ZR 48/06]).

 

Rn 28

Gesundheitsverletzung ist das Hervorrufen oder Steigern eines von den normalen körperlichen Funktionen abweichenden Zustandes, wobei unerheblich ist, ob Schmerzzustände auftreten oder bereits eine tiefgreifende Veränderung der Befindlichkeit eingetreten ist (BGHZ 114, 284, 289 mwN); eine Infektion mit Krankheitserregern genügt (BGHZ 114,...

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