Rn 175

Vor allem in den Fällen von Menschenrechtsverletzungen im internationalen Kontext wird verstärkt die Frage von Verkehrspflichten in der Lieferkette thematisiert (s etwa G Wagner RabelsZ 16, 717, 762 ff; König AcP 2017, 611, 666 ff; Schall ZGR 18, 479, 503 ff; Habersack/Zickgraf ZHR 18, 252, 266 ff; Habersack/Ehrl AcP 2019, 155, 196 ff; Fleischer/Korch DB 19, 1944, 1950 ff; ZIP 19, 2185, 2188 ff; Payandeh FS K Schmidt 131, 141 ff; Nordhues Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern 19, 110 ff; Görgen Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen 19, 261 ff; Schneider NZG 19, 1369, 1371 ff mwN zum Meinungsstand; v Falkenhausen Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht 20, 125 ff; K Bälz BB 21, 648, 650 ff; Meder Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten 22, 194 ff; Heinen Deliktische Sorgfaltspflichten in transnationalen Lieferketten 22, 168 ff). Sie ist eng verknüpft mit Fragen der Haftungsverteilung innerhalb von international agierenden Konzernen. Letztlich geht es um die – auch internationale – Reichweite von Überwachungspflichten der Muttergesellschaft gegenüber Tochtergesellschaften und Zulieferern und mitunter auch – mehr oder weniger deutlich – um die Frage, wie mit Hilfe der Annahme solcher Pflichten eine Deliktshaftung nach deutschem Recht begründet werden kann. In den meisten Fällen wird allerdings eine für die Begründung einer Verkehrspflicht erforderliche Eröffnung einer Gefahrenquelle durch die (deutsche) Muttergesellschaft schwer zu begründen sein. Es handelt sich regelmäßig um über mehrere Stufen vermittelte Schädigungen, bei denen an die Begründung einer Verkehrspflicht der Muttergesellschaft jedenfalls hohe Anforderungen zu stellen sein dürften, sodass eine derartige Argumentation nur ausnahmsweise in Betracht kommt (so iE auch zB Schneider NZG 19, 1369, 1374 f; Habersack/Ehrl AcP 2019, 155, 196 ff; Nordhues Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern 19, 122 ff; Görgen Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen 19, 261 ff; Fleischer/Korch DB 19, 1944, 1950 ff; ZIP 19, 2185, 2188 ff m Beispielen für denkbare Ausnahmekonstellationen; Rudkowski RdA 20, 232, 235; Rühl in Reinisch/Hobe/Kieninger, Unternehmensverantwortung und Internationales Privatrecht 20, 89, 110 ff; Fleischer/Korch ZIP 21, 709, 712 ff; Beckers ZfPW 21, 220, 240 ff; Fleischer DB 22, 920, 924; Wimmer FS A Reuter 535, 549; Meder Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten 22, 194 ff, 210 ff; zu denkbaren Konstellationen auch v Falkenhausen Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht 20, 196 ff; Heinen Deliktische Sorgfaltspflichten in transnationalen Lieferketten 22, 168 ff; Blach Konzerndeliktsrecht 22, 296 ff). Bei der Begründung von Verkehrspflichten dürften künftig die im LkSG (§§ 3 ff) normierten Pflichtenstandards zu berücksichtigen sein (s zB Paefgen ZIP 21, 2006, 2010 ff; E Wagner/Ruttloff NJW 21, 2145, 2150; Ehmann/Berg GWR 21, 287, 291; Koch MDR 22, 1, 3 f; Weller/Nasse FS Ebke 1071, 1076; Charnitzky/Weigel RIW 22, 12, 18 f; aA Späth/Werner CCZ 21, 241, 250 f; Engel in Grabosch, Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz 21, § 7 Rz 10; Fleischer DB 22, 920, 922, 925 f; Rühl/Knauer JZ 22, 105, 108 f; Spindler ZHR 22, 67, 97 ff; Schneider ZIP 22, 407, 411 ff; Mansel/Kuhl FS v Bar 251, 256 f). Auch wenn dies mit Blick auf § 3 III 2 LkSG, der etliche Fragen aufwirft, zunächst problematisch erscheinen mag, können bei der richterrechtlichen Entwicklung von Verkehrspflichten in der Lieferkette die gesetzlich normierten Standards jedenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Weitergehend in Bezug auf die zivilrechtliche Haftung Art 19 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.3.21 mit Empfehlungen an die Kommission zur Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen (2020/2129[INL]) sowie Art 22 des nachfolgenden Vorschlags der Kommission (KOM [22] 71 endg).

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