Rn 28

Der Bereicherte muss durch die Leistung des Entreicherten etwas erlangt haben. Das Tatbestandsmerkmal ist gegenstandsbezogen; gemeint ist das konkret Erlangte, nicht der in das Vermögen des Bereicherten übergeleitete Wert, wie es der insoweit missverständliche Leistungsbegriff (›… Mehrung fremden Vermögens‹) nahe legt (grdl v Caemmerer FS Rabel I, 333; MüKo/Schwab § 812 Rz 1 ff; Staud/Lorenz § 812 Rz 65; Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 3; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 8; wohl auch Grüneberg/Sprau § 812 Rz 8; differenzierend Reuter/Martinek 520 ff; 2. Teilband 2. Aufl 16). Die Gegenmeinung insb die ältere Rspr (BGH NJW 95, 53; BGHZ 55, 128, 131), welche die Bereicherung als Differenz zweier Vermögenslagen begreift, übersieht, dass der primär durch § 812 I gegebene Anspruch auf Herausgabe gerichtet ist und erst auf der Rechtsfolgenseite in Sekundäransprüche auf Herausgabe des Surrogats (§ 818 I Alt 2, 3) oder – nachrangig (BRHP/Wendehorst § 818 Rz 19) – auf Wertersatz (§ 818 II) übergehen kann. Und erst dort, nämlich iRd § 818 III, wird bedeutsam, inwieweit der Bereicherungsvorgang sich noch im Vermögen des Bereicherten niederschlägt. Demgegenüber ist es im Gegensatz zum schadensrechtlichen Vermögengsausgleich für § 812 insgesamt ohne Belang, ob und wenn ja, in welchem Umfang die Vermögensverschiebung zu einem Vermögensverlust auf Seiten des Bereicherungsgläubigers geführt hat (Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 3).

 

Rn 29

Bereicherungsgegenstand idS kann jeder gegenständliche Vermögenswert sein. In Betracht kommen (zahlreiche weitere Bsp bei Grüneberg/Sprau § 812 Rz 9 ff; Staud/Lorenz § 812 Rz 66 ff) alle dinglichen Rechte einschl des Anwartschaftsrechts (Grüneberg/Sprau § 812 Rz 9; Staud/Lorenz § 812 Rz 66, 75 und Grüneberg/Sprau § 812 Rz 99 zur Kondizierbarkeit der Auflassung), ebenso Forderungen – bspw im Falle einer unwirksamen Abtretung (Grüneberg/Sprau § 812 Rz 9). Grds kondizierbar sind sonstige ›vorteilhafte Rechtsstellungen‹ (Staud/Lorenz § 812 Rz 66), insb die rechtsgrundlos erlangte Buchposition (BGH NJW 73, 613 [BGH 12.01.1973 - V ZR 98/71]; Staud/Lorenz § 812 Rz 74; RGZ 108, 329, 332 – Grundbuchrang). Darunter fällt auch der – etwa bei Unwirksamkeit des Kausal- und des Erfüllungsgeschäfts oder bei Lieferung unter Eigentumsvorbehalt dennoch erlangte – Besitz (BGH NJW 14, 1095; 53, 58 [BGH 20.10.1952 - IV ZR 44/52]; zu einzelnen Streitfragen Staud/Lorenz § 812 Rz 73; Erman/Westermann § 812 Rz 7), nicht hingegen die Besitzdienerstellung (Staud/Lorenz aaO). Für den Fall der Unmöglichkeit einer Herausgabeklage verkörpert der Besitz keinen selbstständigen Wert (BGH NJW 14, 1095 [BGH 20.11.2013 - XII ZR 19/11] m Anm Fervers). Diese objektive Bestimmung schützt zudem nicht nur den Empfänger, sondern stellt sicher, dass entlang der Leistungsbeziehungen, wie sie sich für den Verkehr darstellen, abzuwickeln ist. Deshalb kann sich ein vorläufiger Insolvenzverwalter, auf dessen auf seinen Namen laufenden Vollstreckungstreuhandkontos Zahlungen eingehen, nicht darauf berufen, dass ihm selbst gegenüber kein Leistungszweck verfolgt wird, wenn die treuhänderische Funktion des Kontos nicht offenkundig ist (BGH ZIP 15, 1179; dazu Würdinger, EWiR 15, 449). Des Weiteren kann der Bereicherungsgegenstand in der Befreiung von einer Verbindlichkeit oder einer Beschränkung bestehen (BGH NJW 69, 1380, 1389), zB bei rechtsgrundlosem Erlass einer Schuld (Staud/Lorenz, § 812 Rz 67; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 10). Hierher gehören auch die Fälle, in denen ein Dritter in der irrigen Annahme, hierzu verpflichtet zu sein, auf eine (bestehende) fremde Schuld zahlt. Dann ist der Schuldner rechtsgrundlos von der Verbindlichkeit befreit und er muss dem Dritten vorbehaltlich vorrangiger Ansprüche aus GoA den verauslagten Geldbetrag ggf im Wege der Rückgriffskondiktion erstatten (BGHZ 70, 389; iE Rn 101 ff). Hat der Bereicherungsschuldner Geld als ihm gehörig erhalten, so schuldet er die Herausgabe der Geldwertzeichen (§ 812 I) bzw Wertersatz (§ 818 II). Bei Gewährung eines Darlehens ist streitig, ob er auch die Vorteile einer Kapitalnutzung auf Zeit ›erlangt‹ hat. Das ist mit dem Ergebnis zu verneinen, dass gem § 818 I nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben sind (MüKo/Schwab § 818 Rz 27 f; BRHP/Wendehorst § 812 Rz 58; vgl auch BGH NJW 61, 2, 1148 [BGH 18.12.1959 - I ZR 154/58]; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 11).

 

Rn 30

Problematisch ist die bereicherungsrechtliche Behandlung der sog Nutzungsfälle, in denen der Empfänger – sei es durch Eingriff oder aufgrund eines unwirksamen Vertrages – rechtsgrundlos eigenen Nutzen aus Arbeits-, Dienst- oder Werkvertragsverhältnissen bzw aus fremden Rechten oder Sachen zieht (zum Meinungsstand MüKo/Schwab § 812 Rz 17 ff, § 818 Rz 20 ff, jeweils mwN). Dabei besteht im Ausgangspunkt Einigkeit darüber, dass auch solche gegenständlich nicht fassbaren Vermögensvorteile einem Bereicherungsanspruch gem § 812 I unterliegen können (BGHZ 55, 128; NJW 79, 2036; BauR 02, 775, 779; BGH 25.11.11 – LwZR 6/...

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