Rn 16

Materiell berechtigt und daher Gläubiger der verbrieften Forderung ist, wer tatsächlich, nicht unbedingt rechtlich Inhaber der Urkunde ist und Verfügungsbefugnis darüber hat (BGH BKR 13, 334 Rz 8; MüKo/Habersack, § 793 Rz 25; s.a. Müller, WM 17, 69, 71) Der Gläubiger ist regelmäßig Eigentümer des Papiers. Berechtigt ist daher zunächst der Ersterwerber, dessen Eigentumserwerb durch einen wirksamen Begebungsvertrag mit dem Aussteller sowie durch Übertragung (§§ 929 ff) erfolgt. Gutgläubiger Erwerb nach §§ 932 ff, 935 II bzw §§ 366 f HGB ist wegen des starken Verkehrsschutzbedürfnisses möglich (BGH NJW 94, 2093 f [BGH 10.05.1994 - XI ZR 212/93]; s.a. Knops, FS Bamberger [17], 171, 172 ff). Werden der Erwerb und die Veräußerung von Inhaberschuldverschreibungen durch eine Bank vermittelt, sind die §§ 18 I und III, 24 II DepotG zu beachten (Zöllner § 27 I 5). Erwirbt ein ehemals bösgläubiger, nichtberechtigter Inhaber die Schuldverschreibung zurück, kann er sich nicht auf die Gutgläubigkeit seiner Nachmänner berufen (BGH NJW 71, 806 bzgl Wechsel; BGH NJW 74, 1512, 1513 [BGH 16.05.1974 - II ZR 36/73] bzgl Scheck). Bei einem Rückerwerb der Schuldverschreibung durch den Aussteller soll aufgrund des starken sachenrechtlichen Einschlags der Rechtssatz vom Untergang der Forderung durch Zusammentreffen von Gläubiger- und Schuldnerschaft hier nicht anwendbar sein (RGZ 147, 233, 243 f; zust Erman/Wilhelmi Rz 8; genauer Staud/Marburger Rz 19). Erwirbt der Aussteller jedoch das Eigentum an der Schuldverschreibung gem § 797 2 zurück, indem er die dort verbriefte Forderung an den berechtigten Inhaber auszahlt, erlischt die Forderung (Staud/Marburger Rz 19). Die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung etwa wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögenslage besteht nicht (München ZIP 15, 2174 Rz 26).

 

Rn 17

Legitimationswirkung entfaltet die Inhaberschuldverschreibung zugunsten des Inhabers der Urkunde und zugunsten des Ausstellers. Wer die formell ordnungsgemäße Urkunde in den Händen hält, gilt (widerlegbar) als der materiell Berechtigte (formelle Legitimation des Inhabers). Der Aussteller trägt im Zweifel die Beweislast für die fehlende sachliche Berechtigung des Inhabers. Für den Urkundsbesitzer gilt die Eigentumsvermutung des § 1006. Inhaber ist, wer die rein tatsächliche Gewalt über das Papier ausübt. Das kann auch der mittelbare Besitzer sein, sofern das verbriefte Recht für den Auftraggeber geltend gemacht wird. Macht es der Besitzdiener/Besitzmittler für sich selbst geltend, so ist er als Inhaber anzusehen, nicht mehr der mittelbare Besitzer (Zöllner § 2 II 1a). Der materiell berechtigte Inhaber kann nach § 793 I 1 vom Aussteller (gegen Aushändigung der Urkunde) die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen.

 

Rn 18

Mit der Legitimationswirkung zugunsten des Inhabers geht die Legitimationswirkung zugunsten des Ausstellers der Urkunde als Schuldner einher (BGH WM 13, 1264). Der Schuldner ist zwar einerseits jedem materiell berechtigten Inhaber zur Leistung verpflichtet (§ 793 I 1), andererseits ist er an den Inhaber der Urkunde zur Leistung berechtigt (§ 793 I 2), auch wenn dem Inhaber die materielle Berechtigung oder die Vertretungsbefugnis für den Berechtigten fehlt (Liberationswirkung). Auch die Leistung an einen Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen wirkt befreiend (MüKo/Habersack Rz 37; aA Staud/Marburger Rz 29 mwN). Der Aussteller muss damit die Legitimation des Inhabers nicht prüfen, er ist aber dazu berechtigt. Lehnt er eine Leistung an den Inhaber ab, hat er zu beweisen, dass der Inhaber hinsichtlich der Urkunde nicht verfügungsbefugt ist, da er weder Eigentümer ist noch als Pfandgläubiger, Vormund, Betreuer, Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker seine Berechtigung von diesem ableiten kann. Nicht berechtigt ist etwa derjenige, der von einem Nichtberechtigten bösgläubig erworben, der die Urkunde gestohlen oder der den Besitz ohne Verfügungsbefugnis erlangt hat (zB Verwahrer). Der wahre Berechtigte hat gegen den Nichtberechtigten ggf einen Ausgleichsanspruch aus § 816 II.

 

Rn 19

Aufgrund der Schutzbedürftigkeit lediglich des redlichen Verkehrs liegt eine Ausnahme von der Liberationswirkung des § 793 I 2 und damit keine schuldbefreiende Leistung vor, wenn der leistende Aussteller die Nichtberechtigung oder fehlende Geschäftsfähigkeit (Ddorf WM 71, 231, 233 zu § 808) des Inhabers, die er positiv kennt, leicht nachweisen kann. Dabei soll nach hM die grob fahrlässige Unkenntnis der positiven Kenntnis gleichstehen (Art 40 III WG; MüKo/Habersack Rz 36 f; Staud/Marburger Rz 27; BeckOKBGB/Gehrlein Rz 13; Erman/Wilhelmi Rz 9; aA Grüneberg/Sprau Rz 13; RGRK/Steffen Rz 23).

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