Gesetzestext

 

(1) Die einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung kann ihm durch einstimmigen Beschluss oder, falls nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen entscheidet, durch Mehrheitsbeschluss der übrigen Gesellschafter entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.

(2) Der Gesellschafter kann auch seinerseits die Geschäftsführung kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; die für den Auftrag geltende Vorschrift des § 671 Abs. 2, 3 findet entsprechende Anwendung.

 

Ausscheiden eines Gesellschafters; Eintritt eines neuen Gesellschafters. (zum 1.1.24)

(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil an der Gesellschaft den übrigen Gesellschaftern im Zweifel im Verhältnis ihrer Anteile zu.

(2) Tritt ein neuer Gesellschafter in die Gesellschaft ein, so mindern sich die Anteile der anderen Gesellschafter an der Gesellschaft im Zweifel im Umfang des dem neuen Gesellschafter zuwachsenden Anteils und in dem Verhältnis ihrer bisherigen Anteile.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

§ 712 ist dispositiv, so dass Erleichterungen für Entziehung und Kündigung vereinbart werden können. Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht nach § 712 II bleibt jedoch durch den Verweis auf § 671 III wirkungslos. Die Einschränkung oder der Ausschluss des Rechts nach § 712 I ist dagegen trotz § 314 möglich, weil die Geschäftsführungsbefugnis nicht dienstvertraglicher Natur ist und dann immer noch die Kündigung der Gesellschaft oder der Ausschluss des Betroffenen als Handlungsoption verbleibt (Soergel/Hadding/Kießling § 712 Rz 5).

B. Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis.

I. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

§ 712 I findet in erster Linie auf die Fälle der übertragenen Geschäftsführung der §§ 710, 711 Anwendung, nach inzwischen hM richtigerweise aber auch auf Gesamtgeschäftsführer iSd § 709 (Frankf BeckRS 2013, 01954 Rz 51; MüKo/Schäfer § 712 Rz 6; BRHP/Schöne § 712 Rz 7; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 66; zweifelnd Erman/Westermann § 712 Rz 2), weil die Entziehung der Geschäftsführung das mildere Mittel ggü der Kündigung der Gesellschaft bzw dem Ausschluss des Betroffenen und zugleich im Interesse des Fortbestands der GbR ist (aA Braunschw, ZIP 10, 2402). § 712 I gilt bei der Außen- wie bei der Innen-GbR (s § 705 Rn 33 f). Ausgenommen ist nur die Innen-GbR ieS, wie zB der Unterbeteiligung, weil dort die Entziehung der Geschäftsführung die Grundstruktur der GbR umwälzen würde (Erman/Westermann § 712 Rz 2; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 67 mwN).

II. Wichtiger Grund.

 

Rn 3

Ein wichtiger Grund für die Entziehung liegt vor, wenn die weitere Geschäftsführung des Betroffenen (in dem vertraglich bestimmten Umfang) den Mitgesellschaftern unzumutbar ist und die Interessen der Gesellschaft erheblich gefährdet, was unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung der Treuepflicht zu beurteilen ist (BGH DB 08, 806 f; WM 67, 417). Ein Verschulden des Betroffenen ist beachtlich, aber – wie das zweite Bsp in § 712 I (Unfähigkeit zur Geschäftsführung) zeigt – nicht zwingende Voraussetzung. Bsp sind tiefgreifende Störungen des Vertrauensverhältnisses (BGH aaO), arglistiges oder sittenwidriges Verhalten (RG JW 35, 696), hartnäckiges Ignorieren der Mitwirkungsrechte der anderen Gesellschafter (BGH NJW 84, 173), offensichtlich sachfremde Widersprüche gegen Geschäftsführungsmaßnahmen (BGH NJW 72, 862), finanzielle Unregelmäßigkeiten (BGH DB 08, 806 f: auch in einer anderen Gesellschaft) oder ein unheilbares Zerwürfnis unter den Gesellschaftern (RGZ 162, 78, 83).

III. Beschlussfassung.

 

Rn 4

Der Beschl wird ohne den Betroffenen gefasst, mangels abw vertraglicher Regeln (§ 709 Rn 17) durch die übrigen Gesellschafter einstimmig. Die Teilentziehung der Befugnisse ist möglich (BGH NJW-RR 02, 540 f [BGH 10.12.2001 - II ZR 139/00]). Mitgesellschafter können auf ihre Zustimmung zum Beschl verklagt werden, wenn ihnen die Mitwirkung zumutbar ist (MüKo/Schäfer § 712 Rz 15). In der Zweipersonengesellschaft tritt anstelle des Beschlusses die einseitige Erklärung des anderen Gesellschafters (RGZ 162, 78, 83). Die Entziehung der Geschäftsführung umfasst nicht ohne weiteres die Entziehung der Vertretungsmacht nach § 715, weshalb dies im Beschl klargestellt werden sollte. Der Beschl kann durch Feststellungsklage überprüft werden, die durch jeden Gesellschafter erhoben werden kann.

 

Rn 5

Rechtsfolge der Entziehung der übertragenen Geschäftsführung ist nach bisher hM das Aufleben der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis des § 709. Mit vordringender Auffassung ist dies nur dann anzunehmen, wenn nur noch ein geschäftsführender Gesellschafter verbleibt, weil idR nicht das Erstarken seiner Befugnis zur Einzelgeschäftsführung gewollt sein wird (BGH NJW 64, 1624 [BGH 25.05.1964 - II ZR 42/62]). Verbleiben aber zwei oder mehr geschäftsführende Gesellschafter, die nach den urspr Regelungen auf die Mitwirkung des Betroffenen nicht angewiesen sind, ist es dagegen richtig, dass diese ihre Befugnisse behalten (MüKo/Schäfer § 712 Rz 20; Erman/W...

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