Rn 12

Als ›Beschaffenheit‹ sind sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben (BGH NJW 16, 2874 Rz 10; ähnl NJW 13, 1671 [BGH 30.11.2012 - V ZR 25/12] Rz 7–10; 1948 Rz 15; MüKo/Westermann Rz 10). Offen lässt der BGH, ob jeder tatsächliche Bezug zum Kaufgegenstand ausreicht (NJW 16, 2874 [BGH 15.06.2016 - VIII ZR 134/15] Rz 13). Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn von den Parteien entspr vereinbart. Das Verständnis des BGH von einem weiten Beschaffenheitsbegriff wird durch die Neufassung nicht berührt und der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass daran festgehalten werden soll (umfasst sind Merkmale, die der Sache selbst anhaften o sich aus ihrer Umweltbeziehung ergeben: BTDrs 19/27424, 23; Wilke VuR 21, 283; 284). Daraus folgt:

 

Rn 13

Physische Eigenschaften bilden den Kern einer Beschaffenheitsvereinbarung.

 

Rn 14

Umweltbeziehungen der Kaufsache unter Einschluss ihrer rechtlichen Verhältnisse können Gegenstand der Beschaffenheit sein. Bsp: Umwelteinwirkungen durch Luft/Grundwasser, wie Bodenkontamination, Geruchsbelästigungen (BGH NJW 13, 1671 [BGH 30.11.2012 - V ZR 25/12]), durch Tauben (Köln MDR 14, 1016, 1017 [OLG Köln 27.03.2014 - 19 U 178/13]), Bau- und Nutzungsbeschränkungen (Naturschutzgebiet Brandbg NJW-RR 14, 335, 336 [OLG Brandenburg 20.06.2013 - 5 U 50/12]; Denkmalschutz LG Stendal NotBZ 06, 289 [LG Stendal 16.02.2005 - 21 O 106/04]), Einsatzbedingungen (BRHP/Faust Rz 22; MüKo/Westermann Rz 9), der Ertrag, zB bei Grundstücken der Mietertrag (BGH NJW 11, 1217 Rz 12; LG Berlin BauR 06, 126 f; BRHP/Faust Rz 22), Betriebskosten (BGH aaO), der Ruf eines Unternehmens (Schröcker ZGR 05, 63, 78), Herkunft der Ware (Kobl MDR 12, 507, 508: Pflanzen aus best Anbaugebiet), bei Gebrauchtwagen: Baujahr (Nürnbg NJW 05, 2019, 2020 [OLG Nürnberg 21.03.2005 - 8 U 2366/04]), empfohlener Herstellerpreis (aA LG Bielefeld NJW-RR 08, 212 [LG Bielefeld 15.05.2007 - 20 S 136/06]; Erman/Grunewald Rz 9), Herstellergarantie (BGH NJW 16, 2874 [BGH 15.06.2016 - VIII ZR 134/15] Rz 15). Keine Umweltbeziehung: Errichtung unter Verstoß gg SchwArbG (BGH BeckRS 21, 24697 Rz 22).

 

Rn 15

Eigenschaften einer Partei, Dritter oder sonstige Umstände außerhalb der Kaufsache können ebenfalls als Anforderung an die Kaufsache und damit Teil ihrer Beschaffenheit sein. Bsp: Solvenz von Mietern eines Hauses, Qualifikation eines wichtigen Mitarbeiters des gekauften Unternehmens, Existenz oder Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens über die Kaufsache (aA BRHP/Faust Rz 23).

 

Rn 16

Steuerrechtliche Konsequenzen, soweit sie an die Kaufsache und ihre Beschaffenheit anknüpfen, zB Lage eines Grundstücks (Erman/Grunewald Rz 8 m Rspr zur aF).

 

Rn 17

Nicht dauerhafte Anforderungen können zur Beschaffenheit gehören (wohl BGH NJW 11, 1217 [BGH 05.11.2010 - V ZR 228/09] Rz 13). (1) Umsatz- oder Ertragsangaben für bestimmte Zeiten, zB ein Jahr (Gaul ZHR 166 (2002), 35, 46–52; Häublein NJW 03, 388, 390; Schröcker ZGR 05, 63, 78; aA BRHP/Faust Rz 25 f; Eidenmüller ZGS 02, 290, 295; Grigoleit/Herresthal JZ 03, 118, 125). Notwendig ist eine sorgfältige Abgrenzung zur den Vertragsschluss nur vorbereitenden Information (vgl Gaul aaO 35, 48). (2) Vorübergehende Beeinträchtigungen zB der Nutzung führen zum Fehlen der Beschaffenheit (BRHP/Faust Rz 24; Eidenmüller ZGS 02, 290, 295; Weitnauer NJW 02, 2511, 2514).

 

Rn 18

Vergangene Umstände jeder Art können als Festlegung der Genese der Kaufsache die Beschaffenheit bestimmen (Schröcker ZGR 05, 63, 78).

 

Rn 19

Zukünftige Umstände und Entwicklungen können in 2 Varianten die Beschaffenheit bilden (Wolf/Kaiser DB 02, 411, 414; aA Erman/Grunewald Rz 10 f, 65; MüKo/Westermann Rz 11). (1) Das Potenzial der Kaufsache bei Gefahrübergang kann eine geschuldete Beschaffenheit sein. Es ist abzugrenzen von bloßen Erwartungen des Käufers oder rechtlich unverbindlichen Anpreisungen des Verkäufers. Die unterbleibende Realisierung des Potenzials führt nicht automatisch, sondern nur dann zu einem Mangel, wenn sie darauf zurückzuführen ist, dass das Potenzial zum Gefahrübergang nicht bestand; kein Mangel liegt vor, wenn das mit einem Potenzial notwendig verbundene negative Risiko der ungünstigen Entwicklung eintritt. Darüber entscheidet maßgeblich dessen Formulierung. ›Zukünftiges Bauland‹ ist bei Fortdauer als Grünland eher mangelhaft als ein ›Unternehmen mit der Perspektive von Ertragssteigerungen von 10 % pa‹: hier ist der Nachweis erforderlich, dass nach den Verhältnissen des Unternehmens derartige Ertragssteigerungen von vornherein fern lagen. (2) Als Ausprägung der Privatautonomie können die Parteien die Beschaffenheit abw von I 1 auch auf einen zukünftigen Zeitpunkt beziehen, zB dass innerhalb einer vereinbarten Zeit Farbe lichtecht ist oder eine Pflanze ein vereinbartes Wachstum erreicht, nicht aber, wenn die Beschaffenheit entscheidend vom künftigen Verhalten des Verkäufers abhängt (Kobl Beck...

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