Gesetzestext

 

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

A. Überblick.

 

Rn 1

§ 389 enthält neben der Anordnung der Erfüllungswirkung va eine Regelung des Zeitpunkts der Aufrechnungswirkung. Obschon die Aufrechnung gesetzlich als Gestaltungsgeschäft konzipiert ist (§ 388), wirkt die Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage (§ 387) zurück. Ist die Aufrechnung erklärt, so ist der für das Erlöschen maßgebende Zeitpunkt derjenige, in dem sich beide Forderungen als gegenseitige, gleichartige, vollwirksame Forderungen gegenübergetreten sind. Das gilt gleichermaßen für die Hauptforderung wie für die Aufrechnungsforderung.

B. Voraussetzungen.

I. Allgemeines.

 

Rn 2

Die Voraussetzungen für die in § 389 geregelte Aufrechnungswirkung bestehen in einer Aufrechnungslage gem § 387 und dem Vorliegen einer Aufrechnungserklärung nach § 388. Da die Aufrechnung nicht kraft Gesetzes eintritt, sondern einer rechtsgestaltenden Erklärung bedarf, muss die Aufrechnungslage grds bis zur Aufrechnungserklärung fortbestehen. Dieses Prinzip wird allerdings durch eine Vielzahl von Einzelregelungen korrigiert, die auf den Eintritt der Aufrechnungslage abstellen (BGH NJW 51, 599 [BGH 20.06.1951 - GSZ 1/51]).

II. Deckung der Forderungen.

 

Rn 3

Die Aufrechnungswirkung greift ein, soweit sich die gegenseitigen Forderungen decken. Bleibt bei einer Geldforderung die Aufrechnungsforderung hinter der Hauptforderung zurück, erlischt diese nur in der Höhe der Aufrechnungsforderung und bleibt iÜ bestehen. Geht die Aufrechnungsforderung über die Hauptforderung hinaus, so erlischt die Hauptforderung vollständig. Die Aufrechnungsforderung wird nur in Höhe der Hauptforderung ›verbraucht‹ und bleibt iÜ bestehen.

C. Rechtsfolgen.

 

Rn 4

Die Aufrechnung bewirkt das Erlöschen der Aufrechnungsforderung wie der Hauptforderung. Eine Gegenaufrechnung des Gläubigers ggü der mit der Aufrechnung erloschenen Aufrechnungsforderung des Schuldners geht ins Leere (RGZ 143, 382, 388). Allerdings kann das Widerspruchsrecht nach § 396 eingreifen. Wurde zulässigerweise mit einer auflösend bedingten Forderung aufgerechnet, so fällt mit Bedingungseintritt auch die Aufrechnungswirkung ex nunc weg (BGH NJW 11, 143 [BGH 22.09.2010 - VIII ZR 285/09]); jedoch wird man eine Verjährungshemmung analog § 205 anerkennen müssen.

 

Rn 5

Die erklärte Aufrechnung wirkt auf den Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage zurück. Wann diese eingetreten ist, bestimmt sich nach den für die jeweilige Forderung maßgebenden Vorschriften (zB BGH NJW-RR 19, 820). Auf die Rechtskraft des Urteils kommt es bei der Prozessaufrechnung nicht an (BGH NJW-RR 88, 1104). Ein etwa eingetretener Verzug und die Verzugswirkungen, namentlich eine Verzinsungspflicht, werden bei beiden Forderungen rückwirkend beendet (BGHZ 80, 269; NJW 81, 1729; NJW-RR 91, 568, 569). Bis zur erklärten Aufrechnung steht die Aufrechnungslage dem Verzugseintritt jedoch nicht entgegen. Die Rückforderung etwa erbrachter Leistungen bestimmt sich nach Bereicherungsrecht. Sonstige Rechtsfolgen der Aufrechnungslage regeln §§ 215, 352, 406, 543 II 3, §§ 770 II, 1137 I, 1211 I 1, § 129 III HGB, § 94 InsO.

 

Rn 6

Im Öffentlichen Recht hängt die Wirkung einer gegen die in einem VA festgesetzte Abgabe erklärte Aufrechnung vom Inhalt der Festsetzung ab: Beschränkt sich der VA auf die Festsetzung der Abgabe, so bleibt diese Festsetzung von einer Aufrechnung unberührt; anders liegt es, wenn auch Zahlungsmodalitäten festgelegt werden (BVerwG NVwZ 84, 168 [BVerwG 03.06.1983 - BVerwG 8 C 43.81]).

D. Einschränkungen.

 

Rn 7

Im Prozess wird die Rückwirkung von prozessrechtlichen Schranken überlagert. Erklärt der Beklagte nach Klagezustellung die Prozessaufrechnung mit einer bereits vor Klageerhebung vollwirksamen Aufrechnungsforderung, so ist trotz der materiell-rechtlichen Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389) erst die Aufrechnungserklärung das erledigende Ereignis für eine bis dahin zulässige und begründete Klage (BGHZ 155, 392). Erhöht sich der Umfang einer Forderung, etwa bei einer nachträglichen Erhöhung eines Schadens, so kommt es grds auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage an (BGHZ 27, 123; einschränkend MüKo/Schlüter Rz 8 f). Ist jedoch nur eine Seite zur Aufrechnung befugt, kann ein Anwachsen ihrer Forderung bis zur Aufrechnung berücksichtigt werden. Zur Präklusionswirkung des § 767 II ZPO s § 387 Rn 34).

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