Rn 5

Der Begriff des Schuldverhältnisses in § 366 entspricht demjenigen der §§ 362, 241. Gemeint ist die einzelne, konkrete Forderung, nicht das Schuldverhältnis iwS als Gesamtheit (›Bündel‹) von Rechten und Pflichten. Die Vorschrift gilt damit auch für die Frage, welchem von mehreren beim Gläubiger geführten Konten eine Zahlung gutgeschrieben wird (BGH ZIP 82, 424). Bei der Kfz-Versicherung handelt es sich um verschiedene Einzelversicherungen mit dementspr verschiedenen Forderungen – Haftpflicht und Kasko (BGH NJW 78, 1524 [BGH 27.02.1978 - II ZR 3/76]).

 

Rn 6

Die Vorschrift gilt im Falle mehrerer unterschiedlicher Hauptforderungen. Für das Verhältnis der Hauptforderungen zu den Nebenforderungen auf Zinsen und Kosten ist § 367 maßgebend.

 

Rn 7

Wie bei § 362 erfasst der Anwendungsbereich auch Forderungen außerhalb des Schuldrechts. Die Vorschrift gilt etwa für die Frage, ob bei einer Sicherungsgrundschuld auf die Forderung oder auf die Grundschuld gezahlt wird (BGH NJW 97, 2046 [BGH 08.04.1997 - XI ZR 196/96]; Saarbr OLGR 05, 139) oder wenn eine Grundschuld mehrere Forderungen gegen verschiedene Schuldner sichert (BGH NJW-RR 89, 1036 [BGH 16.06.1989 - V ZR 85/88]; NJW-RR 95, 1257 [BGH 27.06.1995 - XI ZR 213/94]; NJW 99, 2043 [BGH 09.03.1999 - XI ZR 155/98]). Sie ist ebenso auf öffentlich-rechtliche Forderungen entspr anwendbar (BayVGH 11.5.07, 21 ZB 06.1399), etwa auf die Zahlung von Sozialversicherungsforderungen. Das gilt auch dann, wenn die Zahlung durch einen Insolvenzverwalter erfolgt (BGH NJW 85, 3064 [BGH 12.02.1985 - VI ZR 68/83]). Im Steuerrecht gilt § 225 AO.

 

Rn 8

Ob eine Mehrheit von Forderungen vorliegt, ist nicht dogmatisch-konstruktiv, sondern nach der Interessenlage zu beurteilen. Deshalb kann die Vorschrift zumindest entspr auf in sich gegliederte Forderungen angewandt werden, wenn rechtlich eine einheitliche Schuld vorliegt und es um die Anrechnung auf unterschiedliche Teile derselben geht. Das ist bspw der Fall, wenn ein Teil einer ursprünglich einheitlichen Forderung durch Teilklage rechtliche Selbstständigkeit erlangt hat (BGH NJW-RR 91, 169), wenn für einen Teil die Mithaftung weiterer Gesamtschuldner besteht (Kobl NJW 08, 3006) oder im Verhältnis der einzelnen Mietzinsraten aus demselben Mietvertrag (BGH NJW 65, 1373; NJW 04, 2230, 2232) oder bei monatlichen Unterhaltszahlungen (Saarbr FamRZ 10, 684). Auch im Verhältnis des gesicherten zum ungesicherten Teil einer Forderung gilt § 366. Wird bei einem Grundstücksverkauf eine Schwarzgeldabrede getroffen, so findet § 366 auf das Verhältnis des beurkundeten (und hypothekarisch gesicherten) zum nicht beurkundeten Kaufpreisanteil Anwendung (BGH NJW 73, 1689 [BGH 13.07.1973 - V ZR 186/71]). Ist der Schuldner eine GbR, deren Gesellschafter kraft Vereinbarung nicht als Gesamtschuldner, sondern nur anteilig haften, so ist § 366 II nicht auf die Frage anwendbar, welche Gesellschafter von ihrer Haftung durch Zahlung der GbR frei werden (BGH NJW 11, 2030; aA noch BGHZ 134, 22). Beim Kontokorrent fließen Zahlungen des Schuldners aufgrund der Kontokorrentabrede in den Saldo ein und dienen nicht zur Befriedigung bestimmter Einzelforderungen (BFH NV 07, 1503). Abweichende Abreden sind möglich (BGH NJW-RR 91, 562).

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