Leitsatz (amtlich)

Die Tilgungsbestimmung des Grundstückseigentümers ist auch dann maßgebend, wenn die Grundschuld mehrere Forderungen sichert und wenn sich diese gegen verschiedene Schuldner richten, sie braucht nicht ausdrücklich getroffen zu werden, sondern kann sich auch stillschweigend aus den Umständen des Einzelfalles, insbesondere aus der Interessenlage ergeben.

 

Normenkette

BGB § 366

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 21.09.1994)

LG Ellwangen

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. September 1994 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Rückzahlung eines restlichen Darlehensbetrages in Höhe von 170.709,91 DM.

Die Klägerin gewährte der Beklagten im Jahre 1978 ein Darlehen in Höhe von 200.000 DM und im Jahre 1982 ein weiteres in Höhe von 110.000 DM. Die beiden Darlehen wurden durch zwei Grundschulden in Höhe von 200.000 DM und 100.000 DM auf dem der Beklagten gehörenden Einfamilienwohnhaus in S. gesichert. Für die Grundschuld über 200.000 DM wurde als Sicherungszweck vereinbart, daß sie zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche gegen die Beklagte dienen sollte. Für die im Februar 1982 bestellte Grundschuld über 100.000 DM wurde der Sicherungszweck auf alle bestehenden und künftigen Ansprüche gegen den Ehemann der Beklagten erweitert. Dieser ist Immobilienkaufmann und hat bei der Klägerin ebenfalls erhebliche Schulden.

In der Folgezeit wurden hinsichtlich des Darlehens über 200.000 DM mehrfach neue Vereinbarungen getroffen. Insbesondere wurde 1983 der vorher als Bürge haftende Ehemann der Beklagten neben dieser als Darlehensnehmer mitverpflichtet.

Bei der Rückzahlung der Kredite geriet die Beklagte anschließend in Schwierigkeiten. Am 30.9.1989 waren die Darlehensschulden der Beklagten auf 200.269 DM und 184.268 DM angewachsen. Es kam zur Veräußerung des Einfamilienhauses der Beklagten, auf dem die oben genannten Grundschulden lasteten. Die als Treuhänderin eingeschaltete Kreissparkasse (KSK) O. stellte der Klägerin aus dem Verkaufserlös einen Betrag von 333.300 DM zur Verfügung. Diesen verwendete die Klägerin dazu, den Restsaldo aus dem Darlehen von 200.000 DM zu tilgen. Mit einem weiteren Teilbetrag in Höhe von 119.670,49 DM deckte sie Schulden des Ehemanns der Beklagten ab. Zur Verminderung der weiteren Schulden der Beklagten aus dem Darlehen von ursprünglich 110.000 DM verblieb aus dem Erlös nur ein Betrag in Höhe von 13.360,41 DM. Die danach von ihr mit 170.907,91 DM errechnete Restforderung macht die Klägerin mit der Klage geltend.

Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, den Erlös aus der Veräußerung des Hauses teilweise zur Tilgung von Schulden ihres Ehemannes zu verwenden.

Das Landgericht hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 51.237,42 DM nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, den Betrag von 119.670,49 DM zur Tilgung der Darlehensschulden der Beklagten zu verwenden. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Aus der Abwicklung des Treuhandauftrages durch die KSK O. lasse sich eine Zweckbindung des an die Klägerin überwiesenen Verkaufserlöses nicht ableiten. Zwar habe das veräußerte Eigenheim im Alleineigentum der Beklagten gestanden. Daraus ergebe sich jedoch nicht zwingend, daß die Verwertung des Veräußerungserlöses ausschließlich zugunsten der Beklagten habe vorgenommen werden dürfen. Seit Jahren hätten auch erhebliche Forderungen der Klägerin gegen den Ehemann der Beklagten bestanden, die ebenfalls im Rahmen einer einvernehmlichen Gesamtbetrachtung hätten abgewickelt werden sollen. Im übrigen sei spätestens 1983 auch eine ausdrückliche Verbindung zwischen den Grundschulden und dem Ehemann der Beklagten als Kreditnehmer der Klägerin hergestellt worden.

Es könne offenbleiben, ob die in der Grundschuldbestellung der Beklagten vom 8. Februar 1982 enthaltene erweiterte Zweckbestimmung als Überraschungsklausel nach § 3 AGBG unwirksam sei. Denn ein im Jahre 1982 möglicherweise zu bejahender überraschender Charakter der Einbeziehung auch des Kreditverhältnisses der Klägerin zum Ehemann der Beklagten habe spätestens seit Herbst 1983 nicht mehr bestanden. In diesem Zeitpunkt sei das auf fünf Jahre befristet gewesene Darlehen über 200.000 DM ausgelaufen und neu konditioniert worden. Dabei sei nunmehr ausdrücklich auch der Ehemann der Beklagten als Darlehensnehmer aufgetreten. Die von beiden Eheleuten unterzeichnete Urkunde nehme ausdrücklich auf die beiden Grundschulden Bezug. Dasselbe habe sich im September 1984 und im April 1986 wiederholt. Unter diesen Umständen könne nicht mehr von einer im Sinne der Rechtsprechung zur Zweckerklärung bei Sicherungsgrundschulden überraschenden Haftungserweiterung gesprochen werden.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei berechtigt, den Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks der Beklagten teilweise zur Tilgung von Schulden des Ehemannes der Beklagten zu verwenden, wird durch die bisher getroffenen Feststellungen nicht getragen.

1. Selbst wenn man die Erstreckung der Haftung der Grundschulden auf Ansprüche gegen den Ehemann der Beklagten als wirksam ansähe, berechtigt das die Klägerin nicht, einseitig zu bestimmen, auf welche der gesicherten Forderungen der Erlös zu verrechnen war.

a) Das Recht zu bestimmen, welche von mehreren gesicherten Forderungen getilgt werden soll, steht grundsätzlich nicht dem Gläubiger und Sicherungsnehmer, sondern dem Schuldner zu (vgl. § 366 Abs. 1 BGB). Sind die Parteien sich bei der Leistung über die Anrechnung einig, so gilt ihr übereinstimmender Wille. Eine Anrechnungsabrede schließt das Bestimmungsrecht des Schuldners aus (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1984 – VIII ZR 337/82 = NJW 1984, 2404). Den Zweckvereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beklagten, in denen ebenfalls geregelt werden konnte, wie Zahlungen des Sicherungsgebers oder des persönlichen Schuldners zu verrechnen sind (vgl. Staudinger/Scherübl, BGB, 11. Aufl., § 1199 Rdn. 22; Palandt/Bassenge, BGB, 54. Aufl., § 1191 Rdn. 17), lassen sich diesbezügliche Vereinbarungen der Parteien nicht entnehmen. Die Zweckbestimmungen bezeichnen nur die gesicherten Forderungen. Sie räumen der Klägerin nicht das Recht ein, unter den verschiedenen gesicherten Schuldverhältnissen dasjenige zu bestimmen, auf das eine von der Beklagten als Eigentümerin geleistete Zahlung zu verrechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.6.1989 – V ZR 85/88, NJW-RR 1989, 1036, 1037).

b) Ob die von der Klägerin vorgenommene Verrechnung zwischen den Parteien nachträglich stillschweigend vereinbart worden ist, bedarf noch der Klärung. Eine solche stillschweigende Abrede kann auch dadurch getroffen werden, daß der Schuldner eine Anrechnungserklärung des Gläubigers widerspruchslos hinnimmt (vgl. MünchKomm/Heinrichs 3. Aufl. § 366 BGB Rdn. 7). Die Klägerin hat der Beklagten durch Schreiben vom 8. April 1991 mitgeteilt, wie sie den als Teilzahlung der Beklagten anzusehenden Verkaufserlös in Höhe von 333.300 DM verrechnet hatte. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, daß ihr Ehemann unmittelbar nach Erhalt des Schreibens bei der Klägerin vorgesprochen und im Auftrag der Beklagten der Verbuchung des Betrages von 119.670 DM auf einem seiner Schuldkonten widersprochen habe. Die Klägerin hat demgegenüber ebenfalls unter Beweisantritt vorgebracht: Der Ehemann der Beklagten habe der Verrechnung nicht widersprochen, sondern sich nach den Gründen für die von der Klägerin vorgenommene Verrechnung erkundigt. Diese seien ihm erläutert worden. Der Ehemann der Beklagten habe nur mitgeteilt, er werde sich die Sache nochmals überlegen und – falls er etwas daran auszusetzen habe – nochmals auf die Klägerin zukommen; das sei jedoch nicht geschehen.

c) Kann eine Verrechnungsvereinbarung nicht festgestellt werden, wäre zu prüfen, ob die Beklagte mit der Überweisung des Erlöses durch eine stillschweigende Tilgungsbestimmung die gegen sie bestehenden Darlehensforderungen der Klägerin bezahlt hat. Die Tilgungsbestimmung braucht nicht ausdrücklich getroffen zu werden, sondern kann sich auch konkludent aus den Umständen des Einzelfalles, insbesondere aus der Interessenlage ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 1990 – IX ZR 33/90 – NJW-RR 1991, 562, 565 und vom 6. November 1990 – XI ZR 262/88 = WM 1991, 195, 196). Die Tilgungsbestimmung der Beklagten als persönliche Schuldnerin und Sicherungsgeberin ist auch dann maßgebend, wenn die Grundschuld mehrere Forderungen sichert und wenn sich diese gegen verschiedene Schuldner richten (BGH, Urteil vom 16. Juni 1989 – V ZR 85/88 = NJW-RR 1989, 1036, 1037). Es liegt nahe, daß die Beklagte mit der Überweisung des Erlöses aus dem Verkauf des ihr allein gehörenden Hauses an die Klägerin ihre im Zusammenhang mit dem Erwerb des Hauses begründeten Darlehensverbindlichkeiten bei der Klägerin tilgen wollte und nicht damit nicht zusammenhängende Schulden ihres Ehemannes. Der Umstand, daß auf dem Überweisungsträger der als Treuhänderin eingeschalteten KSK O. ausdrücklich vermerkt war „Ablösung/Eheleute H. und I. Z., P.weg …” spricht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht für eine andere Tilgungsbestimmung der Beklagten. Der Ehemann der Beklagten war seit den vertraglichen Änderungen im Herbst 1983 neben der Beklagten Mitverpflichteter des Darlehens über 200.000 DM. Die Revision weist außerdem zutreffend darauf hin, daß die KSK O. sich mit ihrem Vermerk nur auf die Betreffbezeichnung im Anschreiben der Klägerin vom 13. Dezember 1990 bezogen hat.

2. Auch die Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht die in der Grundschuldbestellung der Beklagten vom 8. Februar 1982 enthaltene erweiterte Zweckbestimmung (zusätzliche Absicherung aller Ansprüche aus der Geschäftsbeziehung der Klägerin mit dem Ehemann der Beklagten) für wirksam hält, sind nicht frei von Rechtsfehlern und lassen wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die formularmäßige Erweiterung der dinglichen Haftung des Sicherungsgebers für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten grundsätzlich überraschend und wird daher gemäß § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil. Das gilt auch dann, wenn der Dritte der Ehegatte des Sicherungsgebers ist. Der überraschende Charakter entfällt nur dann, wenn der Sicherungsgeber und der Dritte persönlich und wirtschaftlich so eng verbunden sind, daß das Risiko künftiger, von der Grundschuldbestellung erfaßter Verbindlichkeiten für den Sicherungsgeber berechenbar und vermeidbar ist, wenn im Rahmen von Verhandlungen auf die Erweiterung der dinglichen Haftung hingewiesen worden ist, oder wenn der Sicherungsgeber ein mit Kreditgeschäften vertrautes Unternehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 1. Juni 1994 – XI ZR 133/93 = NJW 1994, 2145 m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich nicht gegeben.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, der Überraschungseffekt der erweiterten Zweckvereinbarung entfalle ausnahmsweise, weil unter Berücksichtigung der Einbeziehung der Beklagten in die gesamten geschäftlichen Aktivitäten ihres Ehemannes von einer besonders engen persönlichen und wirtschaftlichen Verbundenheit der Beklagten als Sicherungsgeberin mit ihrem Ehemann auszugehen sei. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß ausreichende tatsächliche Feststellungen für eine solche Schlußfolgerung fehlen. Hierfür reicht der Umstand allein nicht aus, daß die Beklagte seit Anfang 1983 zur alleinvertretungsbefugten Geschäftsführerin einer von mehreren von ihrem Ehemann gegründeten Gesellschaften bestellt ist.

Durch die nachträglichen Vereinbarungen vom Herbst 1983 wurde der bisher als Bürge für das Darlehen über 200.000 DM haftende Ehemann der Beklagten neben der Beklagten Mitverpflichteter aus dem Darlehensvertrag. Die aus diesem Anlaß wieder mitvereinbarte Zweckvereinbarung vom Februar 1982 verlor deshalb nicht ihren überraschenden Charakter. Eine solche dem Sicherungsgeber ein unkalkulierbares Risiko aufbürdende Ausweitung des Sicherungszwecks der Grundschuld liegt außerhalb des durch den Anlaß dieses Geschäfts bestimmten Rahmens (vgl. dazu BGHZ 103, 72, 80; 106, 19, 23). Das gilt ebenso für die die Darlehensbedingungen neu festlegenden Vereinbarungen vom September 1984 und vom April 1986.

Die Klägerin hat allerdings behauptet, daß sie bei den Vereinbarungen im Februar 1982 ausdrücklich auf die Erweiterung der Zweckbestimmung der Grundschuld hingewiesen habe. Die Beklagte hat dies jedoch bestritten. Das Berufungsgericht hat eine Beweisaufnahme insoweit zu Unrecht nicht für erforderlich gehalten.

III.

Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1779111

BB 1995, 1979

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1995, 1404

DNotZ 1996, 1026

ZBB 1995, 376

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