Gesetzestext

 

(1) Die Ehegatten können das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht durch Vereinbarung bestimmen, sofern es sich dabei um das Recht eines der folgenden Staaten handelt:

a) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder
b) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
c) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt, oder
d) das Recht des Staates des angerufenen Gerichts.

(2) Unbeschadet des Absatzes 3 kann eine Rechtswahlvereinbarung jederzeit, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, geschlossen oder geändert werden.

(3) Sieht das Recht des Staates des angerufenen Gerichts dies vor, so können die Ehegatten die Rechtswahl vor Gericht auch im Laufe des Verfahrens vornehmen. In diesem Fall nimmt das Gericht die Rechtswahl im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll.

A. Zulässigkeit der Rechtswahl.

 

Rn 1

Die Ehegatten können das auf die Ehescheidung oder die Ehetrennung anzuwendende Recht durch Vereinbarung bestimmen (Art 5 I); vgl Süß ZNotP 11, 282, 287 f; Winkler von Mohrenfels FS von Hoffmann [11], 527 ff; Rieck NZFam 16, 1138 ff. Es muss sich jedoch um das Recht eines von vier genannten Staaten handeln. Tw wird, da nicht ausgeschlossen, mit Recht eine konkludente Rechtswahl zugelassen (Hamm IPRax 14, 349 [BGH 26.06.2013 - XII ZR 133/11]; Gruber IPRax 14, 53, 56; Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 753; BeckOGK/Gössl Rz 37. – AA Hamm FamRZ 16, 1926; Helms FamRZ 11, 1765, 1768; Henrich Int Scheidungsrecht, 17, Rz 80). Eine bloß hypothetische Rechtswahl reicht jedoch nicht aus (KG FamRZ 21, 302). Auch ein Ehevertrag mit Morgengabevereinbarung genügt nicht (Hamm FamRZ 16, 1391). ZZt der Rechtswahl braucht noch kein Auslandsbezug vorzuliegen (Schall/Weber IPRax 14, 381, 382 f; Hausmann A Rz 353). Eine aufschiebend bedingte Rechtswahl ist zulässig (Schall/Weber IPRax 14, 381, 383 f).

B. Wählbare Rechte (Abs 1).

 

Rn 2

Es bestehen vier Rechtswahlmöglichkeiten. Gewählt werden kann das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (I lit a). Der gewöhnliche Aufenthalt ist VO-autonom auszulegen (MüKo/Winkler von Mohrenfels Rz 5), s.a. Art 5 EGBGB Rn 29. – Vereinbart werden kann auch das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt (ohne Unterbrechung) hat (I lit b).

 

Rn 3

Wählbar ist ferner das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt (I lit c). Zum Staatsangehörigkeitsbesitz s Art 5 EGBGB Rn 5. Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit kann im Interesse von Parteiautonomie und Praktikabilität auch die nicht effektive gewählt werden (Helms FamRZ 11, 1765, 1770; Makowsky GPR 12, 266, 269; Fuchs FS Martiny [14], 303, 318 f; Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 744; BeckOGK/Gössl Rz 51. AA Finger FuR 11, 61, 65; Gruber IPRax 12, 381, 385 f. Vgl zur Zuständigkeit EuGH C-168/08 Hadadi, FamRZ 09, 1571 = IPRax 10, 66 m Aufs Hau, 50 = ECLI:EU:C:2009:474). Bei Staatenlosigkeit wird man auf den aktuellen Wohnsitz, hilfsweise den gewöhnlichen Aufenthalt abstellen (vgl MüKo/Winkler von Mohrenfels Rz 9). Ebenso bei anerkannten Flüchtlingen (Gruber IPRax 12, 381, 386).

 

Rn 4

Gewählt werden kann auch das Recht des Staates des angerufenen Gerichts (lex fori) (I lit d). Dies ist schon vor Verfahrenseinleitung möglich (MüKo/Winkler von Mohrenfels Rz 10). Die Rechtswahl muss sich aber auf eine bestimmte Gerichtsbarkeit beziehen (Helms FamRZ 11, 1765, 1767).

C. Zeitpunkt der Rechtswahl (Abs 2).

 

Rn 5

Unbeschadet des Abs 3 kann eine Rechtswahlvereinbarung jederzeit, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts (vgl dazu Art 17 Brüssel IIb-VO, Art 9 UnthVO), geschlossen oder (auch mehrfach) geändert werden (II). In Deutschland ist Anrufung bei Anhängigkeit anzunehmen, wenn der Antragsteller alles für eine alsbaldige Zustellung erforderliche getan hat (Erman/Stürner Rz 10). Die Stellung eines VKH-Antrags genügt nicht (Stuttg NJW 13, 398). Eine voreheliche Rechtswahl ist zulässig (Schall/Weber IPRax 14, 381, 383; Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 750; Hausmann A Rz 385). Bei der Privatscheidung muss die Rechtswahl vor bzw bei Vornahme erfolgen (Helms FamRZ 11, 1765, 1768; Gärtner StAZ 12, 357, 363).

D. Rechtswahl im Verfahren (Abs 3).

 

Rn 6

Sieht das Recht des Staates des angerufenen Gerichts dies vor (dazu Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 750 f), so können die Ehegatten die Rechtswahl vor Gericht auch im Laufe des bereits eröffneten Verfahrens vornehmen (III 1). In diesem Fall nimmt das Gericht die Rechtswahl im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll. Art 46e EGBGB sieht eine solche Rechtswahl vor (Dethloff FS Martiny [14], 41, 55).

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