Rn 22

Auch bei Verbraucherverträgen ist aber wie bisher nach II 1 die Rechtswahl möglich – entgegen einigen Reformvorschlägen (krit Clausnitzer/Woopen BB 08, 1798, 1801); gem 2 bleibt jedoch der durch das nach I objektiv anwendbare Recht gewährte Schutz erhalten, trotz Rechtsangleichung im Binnenmarkt (krit Doralt/Nietner AcP 215 [2015] 855). Es gilt damit wie bisher das Günstigkeitsprinzip und es kommt zum Rechtsmix. Die Wahl des Rechts des Sitzes des Unternehmens ist aber bei elektronischen Verträgen missbräuchlich iSd RL 93/13 (bzw § 307 BGB), wenn sie den Verbraucher nicht über den ergänzenden Schutz nach Art 6 II unterrichtet (EuGH Rs C-191/15 VKl./. Amazon EU, EuZW 16, 754; vgl zuvor schon BGH MMR 13, 501, 504 [BGH 19.07.2012 - I ZR 40/11]; s.a. Frankf NJW-RR 22, 1280 [OLG Frankfurt am Main 08.04.2022 - 23 U 55/21]; BeckOGK/Rühl Art 6 Rz 251.1; a München VuR 19, 429 [OLG München 10.01.2019 - 29 U 1091/18] m Anm Müller; s zu unwirksamer Rechtswahl wg fehlender Unterrichtung in Online-Spielvertrag auch LG Paderborn, BeckRS 21, 20723: krit zum EuGH Mankowski IPRax 19, 208 ff. Bei Art 8 bejaht der EuGH in den Rs C-152/20 und C-218/20 (EuZW 21, 1007 = ECLI:EU:C:2021:600) jedoch die grds Möglichkeit einer vorformulierten Rechtswahl und lässt die weitere Kontrolle offen, vgl Junker EuZA 22, 64). Dieser Schutz gilt für die Verbandsklage wie auch im Individualprozess (vgl auch LG Ulm 22.5.2017 – 4 O 66/13 und Stuttg 14.9.18 – 5 U 98/17), und wird den Verbraucher im letzteren aber nicht daran hindern, sich auf das ggf günstigere gewählte Sitzrecht des Unternehmens zu berufen (ähnl Kaufhold IWRZ 16, 217, 218; aA offenbar Mankowski NJW 16, 2705, der ›Schutzparadoxien‹ befürchtet). Bei der Vertragsgestaltung ist es zu beachten (s.a. Mankowski aaO), zur Rechtswahl im Rahmen von AGB schon W.-H. Roth IPRax 13, 516, 520 ff. Rechtswahl zugunsten des Heimatrechtes des Verbrauchers beurteilt BGH MMR 21, 903 [BGH 29.07.2021 - III ZR 179/20] Rz 26 zutreffend als unproblematisch. Die von der Kommission zunächst vorgeschlagene zwingende Anknüpfung an das Recht des Verbraucherstaats hat sich nicht durchgesetzt. Sie hätte Übersichtlichkeit und Verbraucherschutz verkürzt (ähnl Lando/Nielsen CMLRev 08, 1687, 1708 f). Auch ist der Schutz entgegen dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag vernünftigerweise nicht auf Verbraucher aus Mitgliedstaaten beschränkt (Pelegrini Rev Lamy dr des aff 08, 71, 74). Auch im Rahmen der Verbandsklage wird der Günstigkeitsvergleich um der Effektivität willen voll durchzuführen sein (aA Kaufhold IWRZ 16, 217, 218; dies EuZW 16, 247, 251 f).

 

Rn 23

Zu den zwingenden Bestimmungen nach II 2 zählen etwa die AGB-Kontrolle (Ddorf RIW 96, 681; RIW 94, 420, LG Hamburg ZGS 09, 475 ff; AG Braunschweig BeckRS 14, 5553; Rott VuR 16, 733, 735; zu AGB-Kontrolle und Datenschutz LG Berlin GRUR-RR 13, 406 (apple.de); krit Schröder, ZD 13, 451; Piltz, K&R 13, 413; Steinrötter, MMR 13, 691), auch bei die RL 93/13 überschießender Umsetzung (vgl EuGH Rs C-191/15 Rz 59), Widerrufsrecht gem §§ 312 ff (Staud/Magnus Art 6 Rz 140, MüKo/Martiny Art 6 Rz 61 mwN; OLG Stuttg 18.5.2015 – 5 U 147/14; AG Würzburg NJW-RR 15, 1149), jedenfalls Teile des Behandlungsvertragsrechts (Reisewitz 191 ff), wohl a das neue Verbraucherbauvertragsrecht (vgl § 651o), das Verbot der quota litis durch BRAO (BGH NJW-RR 03, 3486). Auch richterrechtliche Regeln, so Grundsätze über Aufklärungs-, Hinweis- und Warnpflichten, sind einbezogen (BGH NJW-RR 05, 1071 [BGH 25.01.2005 - XI ZR 78/04]). Die zwingenden Bestimmungen brauchen sich nicht nur auf Verbraucher zu beziehen, sondern können allg Natur sein (MüKo/Martiny Art 6 Rz 60), auch § 138 wird erfasst (Staud/Magnus Art 6 Rz 140, BeckOGK/Rühl Art 6 Rz 259 f; HK/A. Staudinger Art 6 Rz 15).

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