Rn 9

Über diese (bei einem zweiseitigen Vertrag) fünf denkbaren Rechte hinaus würde sich die Auswahl noch bis auf sieben Rechtsordnungen erweitern, wenn das Distanzgeschäft mit Vertretern abgeschlossen wird, da II diese neben den Vertretenen als gleichberechtigte Anknüpfungspersonen nennt. Mit Blick auf das bisherige nationale Verständnis des Art 11 EGBGB wird vorgeschlagen, auf beiden oder jedenfalls der Erklärendenseite allein auf den Vertreter abzustellen (Ferrari/Schulze Rz 25; Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR Bd. IV, Rz 20 f; aA Callies/Loacker Rz 65). Gegen eine solche Reduktion spricht der klare Gesetzeswortlaut – ›oder‹ statt ›bzw‹ (HK/Staudinger Rz 3), wobei auch die fremdsprachlichen Fassungen eine Einschränkung nicht erkennen lassen – sowie die ratio einer Verstärkung des Günstigkeitsprinzips (vgl KOM [2005] 650 endg, S 9 zu Art 10 VO-E) Dennoch legt eine Zusammenschau von I und II zur Vermeidung von Widersprüchen bei der Abgrenzung (s.u. Rn 10) ein Verständnis iSe ›bzw‹ nahe, zumal der favor negotii bereits durch die zusätzliche Anknüpfungsmöglichkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien gefördert wird. Pfeiffer EuZW 08, 629 gibt zu bedenken, dass die Regelung erkennbar darauf beruhe, dass es bei der elektronischen Kommunikation oft zufällig erscheine, wo sich eine Partei gerade befindet, und plädiert für eine sachgerechte Einschränkung des Satzes ›locus regit actum‹ auf Fälle der Relevanz des Abschlussortes.

 

Rn 10

Mit der Vielzahl der zur Auswahl stehenden Ortsrechte erfolgt eine Privilegierung von Distanz- ggü Platzgeschäften. Als Konsequenz für die Abgrenzung von I und II müsste daraus jedenfalls folgen, dass der Begriff des Distanzgeschäfts großzügig zu handhaben wäre und II schon dann anwendbar wäre, wenn eine der Anknüpfungspersonen sich nicht am Abschlussort befindet; ein Platzgeschäft (I) also nur vorläge, wenn sich Vertreter und Vertretene sämtlich in demselben Staat befinden (HK/Staudinger Rz 3; aA Rauscher/von Hein Rz 20; Ferrari/Schulze Rz 25). Das widerspricht aber dem Wortlaut des I, wonach es sich schon dann um ein Platzgeschäft handelt, wenn die Vertragsparteien ›oder‹ – nicht ›und‹ – deren Vertreter sich in demselben Staat befinden. Eine Perplexität des Art 11 I, II lässt sich nur vermeiden, wenn man die jeweilige alternative Erwähnung des Vertreters iSe ›bzw‹ versteht und in der Wahl des Wortes ›oder‹ eine redaktionelle Ungenauigkeit sieht. Abzustellen wäre insoweit nicht auf sämtliche Parteien und Vertreter, sondern ausschl auf die jeweils rechtsgeschäftlich handelnden Personen.

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