Rn 4

Art 8 I kodifiziert für einzelstaatliche Schutzrechte den international weit verbreiteten (gleichwohl nicht überall anerkannten, s nur Boschiero YbPrIntL 07, 87, 94 ff; Schack FS Kropholler 651, 655) Grundsatz der lex loci protectionis (s.a. Art 3:102 der Principles der European Max-Planck-Group for Conflict of Laws in Intellectual Property, http://www.ip.mpg.de/en/research/research-news/principles-on-conflict-of-laws-in-intellectual-property-clip.html, zuletzt abgerufen am 13.1.23). Dieses auf dem immaterialgüterrechtlichen Territorialitätsprinzip basierende Schutzlandprinzip (s zB BGH NJW 09, 2960 [BGH 22.01.2009 - I ZR 247/03] Rz 17; GRUR 11, 227; WRP 14, 709 [BGH 26.02.2014 - I ZR 49/13] Rz 12, 66; EuGH GRUR 12, 817; München GRUR-RR 10, 157; ZUM 10, 709, 711 [OLG München 29.04.2010 - 29 U 3698/09]; Frankf GRUR-RR 20, 298, 299; Metzger JZ 10, 929, 933) wird den Besonderheiten der Verletzung von Immaterialgüterrechten – bei Präzisierung des Anwendungsbereichs im dargestellten Sinne (s.o. Rn 3) – in vielen Fällen gerecht (zu unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten s nur Boschiero YbPrIntL 07, 87, 113; Sack WRP 08, 1405, 1411 ff; Grünberger ZVglRWiss 09, 134, 144 ff). Bei Streudelikten (zB Rechtsverletzungen im Internet) führt es allerdings iVm der Mosaikbetrachtung uU zu einer starken Rechtszersplitterung, die auch nicht durch Rechtswahl abgemildert werden kann (s.u. Rn 6). Sofern sich Verletzungshandlungen nicht territorial begrenzen lassen, kann daher – ähnlich wie bei Wettbewerbsrechtsverletzungen (Art 6 Rn 4) – ein einzelstaatliches Unterlassungsgebot Wirkung weit über das Schutzland hinaus entfalten. Zudem erlaubt die Anknüpfung an das Recht des Schutzlandes – ohne Kombination mit einer Rechtswahlmöglichkeit – nicht immer eine hinreichende Berücksichtigung vertraglicher Beziehungen, die mit der Rechtsentstehung bzw -verletzung zusammenhängen, zB von Lizenzverträgen oder von Arbeitsverträgen, in deren Rahmen eine patentierbare Erfindung gemacht wird (Boschiero YbPrIntL 07, 87, 108 ff). Konsequent allerdings BGHZ 185, 291, wo auf das öffentliche Zugänglichmachen von Vorschaubildern in Deutschland geschützter Kunstwerke von den USA aus wegen der bestimmungsgemäßen Verbreitung deutsches Recht angewendet und auch eine rechtfertigende Einwilligung nach deutschem Recht geprüft wurde.

 

Rn 5

Für außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte verweist Art 8 II für alle nicht unionsrechtlich geregelten Fragen auf das Recht des Staates, in dem die Verletzung begangen wurde. Erfasst werden Unionsmarke (VO 2015/2424/EU, ABl 15, 341/21), Gemeinschaftsgeschmacksmuster (VO 6/2002/EG, ABl 02, L 3/1), gemeinschaftsrechtlicher Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (zB VO 510/06/EG, ABl 06, L 93/12) und gemeinschaftlicher Sortenschutz (VO 2100/94/EG, ABl 94, L 227/1; ABl 08, L 8/2). Dagegen dürfte für das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung nach Art 5 III iVm Art 7 der VO 1257/2012 (ABl 12, L 361/1), das gerade kein gemeinschaftsweites Schutzrecht, sondern ein ›Bündel‹ nationaler Schutzrechte ist, Art 8 I anzuwenden sein (ähnl jetzt auch Soergel/Krimphove Art 8 Rz 337; aA v Bar/Mankowski IPR II § 2 Rz 360). Bei Verletzung der zuvor genannten Rechte gilt nach Art 8 II iE das Recht des Handlungsortes (s auch EuGH GRUR 17, 1120 Rz 98: Ort des schadensbegründenden Ereignisses), was bei Binnenmarktfällen schon angesichts der Tatsache, dass sich der Schutz auf die gesamte EU erstreckt, sinnvoll ist. Problematisch ist allerdings die Beurteilung von Handlungen, die jeweils für sich das Schutzrecht verletzen, in mehreren Mitgliedstaaten. Weil die VO gerade keine Ausweichmöglichkeiten von den Anknüpfungen in Art 8 vorsieht, wird man hier de lege lata zu einer Art weiterer ›Mosaikbetrachtung‹ gelangen müssen (ähnl Sack WRP 08, 1405, 1408; NK-BGB/Grünberger Art 8 Rz 67 mwN; aA Schack FS Kropholler 651, 660; Fayaz GRUR Int 09, 566, 574 ff). Der EuGH wollte stattdessen tw anhand einer Gesamtwürdigung des schädigenden Verhaltens den Ort bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht (EuGH GRUR 17, 1120 [OLG Hamm 13.06.2017 - 4 U 72/16] Rz 103 ff; bestätigend BGH GRUR 18, 84 [BGH 09.11.2017 - I ZR 164/16] Rz 36; 21, 730 Rz 65; zust zB Kur GRUR 17, 1127, 1128; 18, 358, 359 f; Schulte IPRax 19, 202, 206). Das trägt dem einheitlichen Charakter unionsweiter Schutzrechte besser Rechnung als die ›Mosaikbetrachtung‹ – jedenfalls solange ein solcher Ort feststellbar ist, wie vor allem bei Immaterialgüterrechtsverletzungen im Internet (für eine Anknüpfung an den Ort des Einspeisens von Werbung ins Internet bei Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters Frankf GRUR-RR 18, 331, 334), teilweise auch in anderen Fällen (Frankf GRUR-RR 18, 339, 343: Anknüpfung an das Recht des Ortes, an dem der Vertrieb markenrechtsverletzender Produkte eing...

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