Rn 28

Die Grundregel enthält § 281 I 2: Bei nur tlw Verletzung des Pflichtenprogramms kommt Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur in Betracht, soweit der Gläubiger an den übrigen Teilen des Pflichtenprogramms kein Interesse hat. Dieses zusätzliche Erfordernis kann auf den Grundgedanken zurückgeführt werden, der auch der Regelung des Rücktrittsrechts für diese Situationen zugrunde liegt (§ 323 V 1, Rn 39): Liquidation des ganzen Erfüllungsinteresses, dh Schadensersatz statt der ganzen Leistung (und nicht nur wegen der Teilstörung) kann nur verlangt werden, wenn die Pflichtverletzung hinreichend schwerwiegend ist.

 

Rn 29

Nach verbreiteter Auffassung setzt § 281 I 2 Teilbarkeit der Leistung und der Gegenleistung voraus (s BGH NJW 00, 1256 [BGH 21.01.2000 - V ZR 387/98]; Kobl NJW-RR 92, 689 [OLG Koblenz 04.10.1991 - 2 U 403/88]; Huber/Faust 128; Jauernig/Stadler § 281 Rz 21). Diese Auffassung ist freilich überholt, weil es nur um die Unterscheidbarkeit verschiedener Pflichten geht. Auch bei Unteilbarkeit bestimmt das Kriterium nach § 281 I 2 über die Berechtigung zum Schadensersatz statt der ganzen Leistung. Dementspr kommt es beim einfachen Schadensersatz statt der Leistung auch nicht zu einer Auftrennung (vgl zum alten Recht BGHZ 36, 316, 318).

 

Rn 30

Das maßgebende Kriterium ergibt sich aus der Interessenlage des Gläubigers, soweit sie auf der Basis des Vertragsinhalts legitimerweise berücksichtigungsfähig ist. Am Interesse des Gläubigers kann es etwa fehlen, wenn der vertragsgemäß durchgeführte Teil allein funktionslos ist (BGH NJW 90, 2549 [Überwachungslücken bei beauftragtem Privatdetektiv]; BGH NJW 90, 3011 [BGH 07.03.1990 - VIII ZR 56/89] [EDV-Anlage ohne Software]) oder wenn ein vollständiger Neuabschluss des Vertrages für ihn günstiger ist (BGH NJW 90, 2549, 2550 [BGH 22.05.1990 - IX ZR 208/89]).

 

Rn 31

Ein praktisch bedeutsamer Fall des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung ist der Kündigungsschaden, der bislang nur vereinzelt (§ 628 II, § 89b II HGB; § 314 IV verweist lediglich) geregelt ist. § 281 I 2 erlaubt seine Abrechnung ohne Erklärung der Kündigung, wobei das Verlangen nach § 281 IV an die Stelle der Kündigungserklärung tritt. Die zu beendigenden Dauerschuldverhältnisse (auch Sukzessivlieferungsverträge) werden in aller Regel bis zum Kündigungszeitpunkt vollständig aufrechterhalten, weil kein Interessenverlust für die Vergangenheit eintritt. Soweit für die Kündigung zusätzliche Voraussetzungen gelten (vgl §§ 623, 626 II, KSchG) sind diese auch Voraussetzungen des wirksamen Schadensersatzverlangens und in § 281 hineinzulesen.

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