Rn 66

Anlageberatung: Wendet sich ein Interessent wegen einer konkreten Anlageentscheidung an ein Kreditinstitut/Beratungsunternehmen und lässt dieses sich auf die Beratung ein, so kommt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Beratungsvertrag zustande (BGHZ 123, 126, 128; 100, 117, 122; BGH NJW 00, 3275). Dies gilt auch dann, wenn der Kunde sich nach bereits getroffener Anlageentscheidung bei der Bank erkundigt, wie er sich angesichts fallender Kurse verhalten soll (BGH NJW 06, 2041). Werden ausdrücklich allein sog execution-only Dienstleistungen angeboten, scheidet ein Beratungsvertrag aus (BGHZ 196, 370); den Dienstleister kann aber im Einzelfall eine Warnpflicht treffen (BGHZ 196, 370). Wissen eines Prokuristen, das dieser als Aufsichtsrat des falsch beratenden Wertpapierdienstleistungsunternehmens erhalten hat, wird wegen seiner Verschwiegenheitspflicht nicht zugerechnet (BGH BeckRS 16, 11286). Die Bank hat den Kunden über alle für seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zu informieren (BGHZ 123, 126, 131 [dort auch zur Verpflichtung, über kritische Stimmen in der Wirtschaftspresse zu unterrichten]; BGHZ 178, 149 [zur Frage, wann über kritische Stimmen berichtet werden muss]); die Informationspflicht des Beraters kann jedoch nicht auf § 63 WpHG gestützt werden (keine zivilrechtl Wirkungen: BGHZ 170, 226 Rz 18 [zu §§ 31 ff WpHG aF]; dagegen Krüger NJW 13, 1845, 1847; vgl auch Rz 37 zu § 23a KWG). Keine Beratungspflicht übernimmt die Bank im Zweifel dann, wenn der Kunde bestimmte Wertpapiere zum Kauf vorgibt (BGH ZIP 98, 1183).

 

Rn 67

Der BGH formuliert die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung (BGHZ 123, 126; BGHZ 191, 119 Rz 23 [Lehman]): Die Bank hat das Anlageziel des Kunden, seine Risikobereitschaft und sein einschlägiges Fachwissen abzuklären (anlegergerechte Beratung) und ihn über alle Umstände und Risiken – allgemeine wie besondere des Anlageobjekts –, die für die Anlageentscheidung Bedeutung haben, richtig und vollständig zu informieren (objektgerechte Beratung). Die Pflicht gilt uneingeschränkt nur für die professionelle Anlageberatung, nicht aber für die Beratung im (erweiterten) Familienkreis (BGH ZIP 07, 1160). Diese Standards gelten auch für andere Anlagen als Finanzprodukte (BGH NJW 03, 1811; 13, 1873 [Immobilie]). Zur Pflicht einer anleger- und objektgerechten Beratung gehört etwa die Information über die bestehende Einlagensicherung (BGH NJW 09, 3429 [BGH 14.07.2009 - XI ZR 152/08]), die Aufklärung über eine begrenzte Wiederverkäuflichkeit bestimmter Gesellschaftsanteile (BGH NJW-RR 07, 621 [BGH 18.01.2007 - III ZR 44/06]), die Aufklärung über die Möglichkeit einer zeitweisen Schließung eines offenen Immobilienfonds, auch dann, wenn die Beratung in die Zeit vor dem Ausbruch der Finanzkrise im Oktober 2008 fällt (BGH GWR 14, 284 [BGH 29.04.2014 - XI ZR 477/12] Rz 18 ff; BGH NJW 14, 2945 19 ff), sowie ggf auch über das Risiko eines Totalausfalls (BGH NZG 09, 1393 [BGH 27.10.2009 - XI ZR 337/08]), einer wiederauflebenden Kommanditistenhaftung (BGH NJW-RR 2015, 298: auch bei Begrenzung auf 10 %), über einschlägige Strafverfahren und Vorstrafen (BGH NJW-RR 12, 283; 13, 1255) oder gar ein konkret bestehendes Insolvenzrisiko des Emittenten oder Garantiegebers (BGHZ 191, 119 Rz 24). Hingegen bedarf es bei Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko – trotz des öffentlich-rechtlichen § 23a KWG – keines zusätzlichen Hinweises auf das Nichteingreifen von Einlagensicherungssystemen (BGHZ 191, 119 Rz 33–37), obwohl Emittentenrisiko und das Bestehen von diesen abfedernden Sicherungen – Sondervermögen nach InvG, Einlagensicherung – verschiedene Sachfragen sind; das soll auch beim Wechsel aus einer gesicherten Anlageform in eine ungesicherte gelten (BGHZ 191, 119 Rz 36). Bei einem hoch komplexen Anlageprodukt wie einem CMS Spread Ladder Swap-Vertrag muss die Aufklärung gewährleisten, dass der Anleger im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank, weil ihm nur so eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber möglich ist, ob er die ihm angebotene Zinswette annehmen will (BGH NJW 11, 1949). Bei einem solchen Vertrag muss die beratende Bank zudem über den negativen Marktwert aufklären, den sie in das Anlageprodukt einstrukturiert hat, weil dieser Ausdruck ihres schwerwiegenden Interessenkonflikts ist und die konkrete Gefahr begründet, dass sie ihre Anlageempfehlung nicht allein im Kundeninteresse abgibt (BGH NJW 11, 1949 [BGH 22.03.2011 - XI ZR 33/10]; NJW 15, 2248 [BGH 28.04.2015 - XI ZR 378/13]). Die korrekte Darstellung im Prospekt schützt den Berater nicht vor der Haftung für seine fehlerhaften Erklärungen (BGH NJW-RR 11, 1139 [BGH 14.04.2011 - III ZR 27/10]; dasselbe gilt für Produktinformationsblätter gem § 64 II WpHG; zur Haftung für fehlerhafte Prospekte s Rn 76); Prospekte als solche sind aber ein geeignetes Mittel der objektgerechten Beratung (BGH BeckRS 13, 19776 Rz 13). Der Anlageberater muss d...

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