Rn 6

Vorsatz wird definiert als ›Wissen und Wollen des Erfolges im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit‹ (RGZ 72, 4, 6; BGH BeckRS 13, 20203 Rz 12). Zivilrechtlich relevante Formen sind der direkte Vorsatz, wenn der Erfolg als notwendige Folge eines bestimmten Verhaltens vom Handelnden vorausgesehen und gewollt ist (BGH BeckRS 13, 20203 Rz 12; Staud/Löwisch/Caspers [2009] § 276 Rz 22), und der bedingte Vorsatz, wenn der Handelnde sich den Erfolg nur als möglich vorgestellt und für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf genommen hat (Staud/Löwisch/Caspers [2009] § 276 Rz 23). Bedingter Vorsatz ist von der bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen: Beim bedingten Vorsatz wird die als möglich erkannte Folge vom Handlungswillen umfasst, während bei der bewussten Fahrlässigkeit der Täter nicht gehandelt hätte, wenn er den Eintritt der Folge, die ihm an sich als Möglichkeit bewusst war, erwartet hätte. Für bedingten Vorsatz genügt es nicht, dass die relevanten Umstände objektiv erkennbar waren und sich dem Schuldner aufdrängen mussten (BGH BeckRS 13, 20203 Rz 12).

 

Rn 7

Die Bedeutung der Abgrenzung von der Fahrlässigkeit ist vergleichsweise gering, da regelmäßig auch für Fahrlässigkeit gehaftet wird (s BGH VersR 06, 106, 107 f Rz 24 [aber keine Bindungswirkung der Verurteilung wegen Fahrlässigkeit im Deckungsprozess gegen den Haftpflichtversicherer]). § 276 III wird praktisch durch § 309 Nr 7 weitgehend überspielt. Besonderheiten gelten jedoch bei der Freizeichnung bzw Haftungsbeschränkung bestimmter Dienstleistungsberufe (vgl § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 54a WPO) sowie für einige verjährungsrechtliche Vorschriften (etwa § 439 HGB [dazu Frankf VersR 06, 390]). IÜ ist die entscheidende Grenze vielfach diejenige zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit (s Rn 20, Rn 21). Bedeutung hat die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit va noch für die deliktische Haftung im Zusammenhang mit § 823 II, da bei einem Schutzgesetz, das nur vorsätzlich verletzt werden kann, auch die zivilrechtliche Haftung Vorsatz voraussetzt (s § 823 Rn 237).

 

Rn 8

Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit ist im Zivilrecht nach der sog Vorsatztheorie grds Voraussetzung einer vorsätzlichen Pflichtverletzung (vgl RGZ 72, 4, 6; BGH NJW 85, 134, 135 m Anm Deutsch; BGHZ 115, 286, 299). Ein Verbotsirrtum schließt den Vorsatz daher aus. Wer etwa irrig davon ausgeht, ein Zurückbehaltungsrecht zu haben, hat die dadurch verursachte Leistungsverzögerung jedenfalls nicht vorsätzlich verursacht (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 570). Allerdings macht die Rspr eine Ausnahme und wendet die Schuldtheorie bei § 823 II an, falls das verletzte Schutzgesetz eine Strafnorm ist und für die strafrechtliche Verantwortung des Täters deshalb die Schuldtheorie gelten würde (BGH NJW 85, 134, 135 [BGH 10.07.1984 - VI ZR 222/82] [zu § 5 GSB]). Abw hat früher auch das BAG entschieden (BAGE 1, 69, 79 [BAG 15.09.1954 - 1 AZR 258/54]).

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