Rn 2

Wer Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kann gem II nur ein öffentliches Testament (§ 2231 Nr 1) errichten, und zwar lediglich durch Erklärung ggü dem Notar (§§ 2232 1; 2247 IV). Von anderen Testamentsformen sind Leseunfähige ausgeschlossen, weil diese voraussetzen, dass der Testator Geschriebenes kontrollieren kann (vgl RGZ 76, 94; BayObLG NJW-RR 97, 1438). Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit des Testaments. Die Beschränkung betrifft Sehbehinderte, sofern sie zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung völlig erblindet (BayObLG FamRZ 00, 322) oder hochgradig schwachsichtig sind (MüKo/Sticherling Rz 11 mwN). Erfasst sind auch Personen, die Geschriebenes zwar sehen, aber inhaltlich nicht verstehen können, also neben Analphabeten auch solche, die wegen einer Störung im Gehirn das Gelesene nicht umsetzen können (BayObLG NJW-RR 97, 1438 [BayObLG 27.06.1997 - 1 Z BR 240/96]).

 

Rn 3

Sehbehinderte, die der Blindenschrift kundig sind, sind mit Hilfe ihres Tastsinns ›im Stande, Geschriebenes zu lesen‹. Sie können daher außer durch Erklärung ggü einem Notar auch öffentlich durch Übergabe eines in Braille-Schrift gehaltenen Textes testieren (Soergel/Klingseis Rz 7). Ein privatschriftliches Testament können sie nicht errichten (s.u. § 2247 Rn 2 u 4).

 

Rn 4

II findet zwingend Anwendung, wenn entweder der Erblasser angibt, dass er leseunfähig sei, oder wenn der Notar hiervon überzeugt ist. Dies gilt auch, wenn die Überzeugung des Notars auf einem Irrtum beruht (vgl Hamm NJW 02, 3410; FamRZ 00, 704). Ob der Testator angab, leseunfähig zu sein, oder ob der Notar hiervon überzeugt war, soll in die Niederschrift aufgenommen werden. Die Feststellung kann nicht durch spätere Ermittlungen des Gerichts ersetzt werden; möglich ist nur ggf der Beweis, dass der Notar die beurkundete Überzeugung in Wahrheit nicht hatte (Hamm FamRZ 00, 704).

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