Gesetzestext

 

Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter der Bedingung gemacht, dass der Bedachte während eines Zeitraums von unbestimmter Dauer etwas unterlässt oder fortgesetzt tut, so ist, wenn das Unterlassen oder das Tun lediglich in der Willkür des Bedachten liegt, im Zweifel anzunehmen, dass die Zuwendung von der auflösenden Bedingung abhängig sein soll, dass der Bedachte die Handlung vornimmt oder das Tun unterlässt.

A. Allgemeines.

I. Aufschiebende und auflösende Bedingungen.

 

Rn 1

Jede Verfügung von Todes wegen kann insgesamt oder hinsichtlich einzelner Verfügungen unter eine aufschiebende (§ 2074) oder auflösende (§ 2075) Bedingung (§§ 158 ff) oder Rechtsbedingung gestellt werden (Frankf ZErb 18, 201; zu Potestativbedingungen § 2065 Rn 6). Es ist durch Auslegung nach den Gestaltungszielen des Erblassers zu ermitteln, ob eine auflösende oder eine aufschiebende Bedingung gewollt ist (vgl BayObLG ZEV 04, 461 [BayObLG 07.07.2004 - 1Z BR 43/04]). Die Bedingung muss hinreichend bestimmt sein, wobei die Rspr hier großzügig verfährt (Dresd NJW-RR 99, 1165 [OLG Dresden 16.02.1999 - 7 W 1571/98]: ›Wer das Testament anficht‹ = alle Handlungen, die dazu geeignet sind, das Testament zu Fall zu bringen). Auch eine Befristung (§ 163) einer letztwilligen Verfügung ist zulässig, etwa in der Form, dass der Bedachte die Zuwendung erst mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters erhält. Eine auflösende Bedingung kann so mit einer Auflage verknüpft werden, dass die Verwirkungsklausel durch diese Auflage ihren speziellen Gehalt bekommt, etwa die Auflage, persönlich haftender Gesellschafter im vererbten Unternehmen zu sein, damit dieses in der Familie bleibt, und auf diese Weise die Vollziehung der Auflage erzwungen wird (BGH ZEV 09, 459 [BGH 24.06.2009 - IV ZR 202/07]).

II. Abgrenzung von Motiven.

 

Rn 2

Es ist sorgfältig zu ermitteln, ob der Erblasser lediglich ein Motiv für seine Verfügung mitteilen wollte (das iRd Anfechtung nach § 2078 bedeutsam sein kann) oder tatsächlich den Willen hatte, die Verfügung unter eine Wirksamkeitsbedingung zu stellen (BayObLG FamRZ 83, 1226; KG ErbR 18, 450). Letzteres wird dann der Fall sein, wenn der Erblasser den Bedachten zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen bewegen möchte. Davon ist idR etwa bei Pflichtteilsstrafklauseln in Ehegattentestamenten (zu deren Wirkung BayObLG DNotZ 04, 804; Celle FamRZ 10, 1012) oder Bauverpflichtungen (BayObLG FamRZ 04, 1752) auszugehen. Sieht der Erblasser keine Regelungen für den Fall des Ausbleibens der aufschiebenden oder des Eintritts der auflösenden Bedingung vor, so werden die gesetzlichen Erben begünstigt. Soweit eine Erbeinsetzung bedingt ist, ordnet der Erblasser damit Vor- und Nacherbschaft an.

III. Bedeutung der §§ 2074, 2075.

 

Rn 3

§ 2074 hilft bei aufschiebenden bedingten (nicht: befristeten) Zuwendungen über eine fehlende Anordnung des Erblassers für den Fall, dass der Bedachte vor dem Eintritt der Bedingung gestorben ist, hinweg. Für diesen Fall ist die Zuwendung insgesamt unwirksam.

 

Rn 4

Hat der Erblasser eine Zuwendung dadurch bedingt, dass der Bedachte fortgesetzt etwas tut (Potestativbedingung, BayObLG FamRZ 99, 59) oder unterlässt, so hilft § 2075 über die fehlende Anordnung der Wirkungsweise der Bedingung hinweg und ordnet eine auflösende Bedingung an. Das Handeln des Bedachten ist also nicht Voraussetzung für den Erwerb, sondern für das Behalten der Zuwendung (BayObLG FamRZ 99, 59: Ordentliche Bewirtschaftung eines Hofes). Unter § 2075 fallen auch Verwirkungsklauseln (BGH ZEV 16, 635), zB für Geltendmachung des Pflichtteils, oder Wiederverheiratungsklauseln (BayObLG FamRZ 90, 1158; FamRZ 95, 1447). § 2075 kann auf vergleichbare Fälle analog angewendet werden, etwa bei der Bedingung, dass der Bedachte mit seinem Ehegatten in Gütertrennung lebt (KG FamRZ 68, 334, eigentlich fehlt es hier an einem fortgesetzten Tun oder Unterlassen) oder dass der Erbe einen Dritten pflegt (BayObLG FamRZ 93, 1494, hier ist zusätzlich die Mitwirkung des Dritten erforderlich).

IV. Rechtsfolgen.

 

Rn 5

Der unter aufschiebender Bedingung eingesetzte Erbe ist Nacherbe, § 2105. Bereits mit Erbfall erwirbt er ein Anwartschaftsrecht. Ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis fällt erst mit Bedingungseintritt an, § 2177.

B. Sittenwidrigkeit von Bedingungen.

 

Rn 6

Insb Bedingungen, die den Bedachten zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen bewegen sollen, sind an § 138 I zu messen. Dabei ist grds auf den Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung abzustellen; bei einem Wertewandel dürfte es angezeigt sein, auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen, um den Verfügungen des Erblassers zur Wirksamkeit zu verhelfen (s Vor §§ 2064 ff Rn 14).

 

Rn 7

Eine Bedingung ist dann sittenwidrig, wenn sie unerträglich in das Selbstbestimmungsrecht des Bedachten eingreift, was nur dann der Fall sein kann, wenn die Zuwendung so erheblich ist, dass sie dazu geeignet erscheint, die Willensentschließung des Bedachten zu beeinflussen, indem sie unzumutbaren Druck ausübt (BVerfG ZEV 04, 241 [BVerfG 22.03.2004 - 1 BvR 2248/01]). Nicht sittenwidrig sind Bedingungen, die geeignet und bestimmt sind, Verantwortung und Gewinnberechtigung bei ererbten Unternehmen miteinander zu verbin...

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