Gesetzestext

 

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) 1Lebt das Kind in Familienpflege, so hat das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, in Verfahren über die in diesem Titel geregelten Angelegenheiten auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern derart verbessert haben, dass diese das Kind selbst erziehen können. 2Liegen die Voraussetzungen des § 1632 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 vor, so hat das Gericht bei seiner Entscheidung auch das Bedürfnis des Kindes nach kontinuierlichen und stabilen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn das Kind im Rahmen einer Hilfe nach § 34 oder 35a Absatz 2 Nummer 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch erzogen und betreut wird.

 

Rn 1

I will ausdrücklich vor Augen führen, dass das Kindeswohl der zentrale und beherrschende Maßstab für alle gerichtlichen Entscheidungen ist. Das Kindeswohl wird zum allg Rechtsprinzip erhoben (Grüneberg/Götz § 1697a Rz 1). Die praktische Bedeutung der subsidiären Vorschrift ist jedoch gering, weil die meisten Eingriffsnormen den Begriff des Kindeswohls bereits enthalten. Soweit dies nicht der Fall ist – etwa bei §§ 1628, 1684 I, 1632 I bis III –, kommt § 1697a aber Auffangfunktion zu, so dass die vor Einf der Vorschrift notwendige Analogie nicht mehr erforderlich ist. Zum Kindeswohlbegriff vgl § 1671 Rn 29 ff.

 

Rn 2

II gilt auch bei solchen Vorschriften, die einen bestimmten Kindeswohlmaßstab vorsehen (positive Kindeswohlprüfung, negative Kindeswohlprüfung, Kindeswohlgefährdung), ergänzt und präzisiert diese jedoch für den Fall, dass sich das Kind in Familienpflege befindet. § 1632 IV 2 und § 1696 III gehen der Vorschrift als speziellere Regelungen vor, soweit es um den Erlass oder die Aufhebung einer Dauerverbleibensanordnung geht (BTDrs 19/26107, 132).

 

Rn 3

II 1 ist auf alle Kinder anwendbar, die in Familienpflege leben. Nicht erforderlich ist, dass das Kind bereits seit längerer Zeit in der Familie lebt. Erfasst sind grds alle Verfahren und Entscheidungen gem §§ 1626–1698b. So hat etwa in einem Verfahren gem § 1666 das Gericht zu ermitteln, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen eine Rückkehr des Kindes zu seinen Eltern möglich ist und dies mit den Eltern, dem Jugendamt und den weiteren Verfahrensbeteiligten zu erörtern (BTDrs 19/26107, 132). In Verfahren und bei Entscheidungen über den Umgang eines Pflegekindes mit den Eltern ist dem Umstand Rechnung zu tragen, ob eine Rückkehr des Kindes zu den Eltern realistisch ist (BTDrs 19/26107, 132).

 

Rn 4

II 2 erinnert im Falle einer Dauerverbleibensanordnung nach § 1632 IV 2 Nr 1 daran, dass zu den zu berücksichtigenden Kindeswohlaspekten auch das Bedürfnis nach kontinuierlichen und stabilen Lebens- und Erziehungsverhältnissen gehört. Nach S 2 ist etwa in Verfahren gem § 1666 zu prüfen, ob eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel zu einem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts die Stabilitäts- und Kontinuitätsinteressen des Kindes hinreichend wahrt oder in welchem Umfang die elterliche Sorge mit Blick auf diese Aspekte ganz oder tw zu entziehen ist (BTDrs 19/26107, 133). Daneben zielt S 2 insb auch auf Entscheidungen zur Regelung des Umgangs mit den Eltern. So kann das Interesse des Kindes nach stabilen und kontinuierlichen Lebens- und Erziehungsverhältnissen dazu führen, dass das Gericht den Umfang des Umgangs nach Dauer und Häufigkeit reduziert, soweit erforderlich einschränkt oder im Falle einer Kindeswohlgefährdung gem § 1684 IV ausschließt (BTDrs 19/26107, 133).

 

Rn 5

Gem II 3 gelten II 1 und 2 entspr, wenn das Kind in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe (Einrichtung über Tag und Nacht, sonstige betreute Wohnform) untergebracht ist (BTDrs 19/26107, 133).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge