Rn 54

Ein völliger Ausschluss des Umgangsrechts kommt nicht in Betracht, wenn auch ein begleiteter Umgang gem IV 3, 4 genügt, um die Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden (vgl Köln FamRZ 05, 295; BVerfG FamRZ 09, 399, 400; Hambg FamRZ 11, 822, 823; Saarbr FamRZ 11, 1409; Schlesw FamRZ 15, 1040, 1041). Auch ein begleiteter Umgang darf nur angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen des IV 1 oder 2 vorliegen; hierfür bedarf es überwiegender Wahrscheinlichkeit (München FamRZ 14, 1385; vgl KG FamRZ 16, 1780; Frankf FamRZ 22, 358). Wegen der Schwere des Eingriffs und der üblichen Dauer der Anordnung ist deshalb regelmäßig eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls erforderlich (Brandbg FamRZ 08, 1374; Celle FamRZ 15, 769). Daher ist auch der begleitete Umgang zu befristen (vgl Brandbg FamRZ 15, 1818; aA Saarbr FamRZ 11, 826: Abänderungsmöglichkeit gem § 1696 genügt). Der begleitete Umgang ist deshalb keinesfalls ein Allheilmittel zur Lösung von Umgangskonflikten zerstrittener Eltern. Denn es ist zu bedenken, dass sowohl für den Umgangsberechtigten als auch für das Kind die Anwesenheit einer dritten Person unnatürlich und damit belastend ist (vgl auch München FamRZ 03, 551).

 

Rn 55

Hauptanwendungsfälle (vgl BTDrs 13/4899, 106) für die Anordnung eines begleiteten Umgangs sind der erwiesene oder nicht ausgeräumte Verdacht des sexuellen Missbrauchs (Hambg FamRZ 96, 422; AG Kerpen FamRZ 98, 254, 255; München FamRZ 99, 674, 675; Karlsr FamRZ 19, 2009: erforderlich ist Feststellung der konkreten Gefährdung), pädophile Neigungen (im konkreten Fall ablehnend Hamm FamRZ 15, 1732, 1733) und die drohende Gefahr einer Kindesentziehung (Celle FamRZ 96, 364; München FamRZ 98, 976, 977; Köln FamRZ 05, 1770), vereinzelt auch bei drohender Verstümmelung des weiblichen Genitals (Karlsr FamRZ 09, 130) oder nicht ausgeräumten Verdacht des Drogenkonsums des Vaters (AG Ansbach FamRZ 11, 1802). Wertvolle Dienste kann der begleitete Umgang aber insb auch zur Anbahnung von Umgangskontakten nach längerer Unterbrechung leisten, um Ängste beim Sorgeberechtigten oder beim Kind abzubauen (vgl Hamm FamRZ 96, 424; 99, 326; 11, 826; Oldbg FamRZ 13, 49; Nürnbg FamRZ 14, 858; Schlesw FamRZ 14, 1385). In diesem Fall muss aber noch mehr als sonst das Ziel im Vordergrund stehen, so schnell wie möglich einen ›normalen‹ Umgang zu erreichen. Dabei ist es hilfreich, wenn der begleitende Dritte eine psychologisch geschulte Person ist, bspw ein Mitarbeiter einer Erziehungsberatungsstelle. Lehnt das Kind aber Umgangskontakte nachdrücklich in beachtenswerter Weise ab, scheidet auch die Anordnung eines begleiteten Umgangs aus (Ddorf FamRZ 98, 1460, 1461). Auch bei psychischer Erkrankung oder Drogenabhängigkeit des Umgangsberechtigter kann die Anordnung eines begleiteten Umgangs in Betracht kommen (Staud/Rauscher § 1684 Rz 316); ebenso bei drohenden Loyalitätskonflikten infolge fehlender Akzeptanz der Fremdunterbringung (Brandbg FamRZ 10, 1925; Kobl FamRZ 17, 301 mAnm Dürbeck) und bei nachhaltiger Ablehnung unbegleiteten Umgangs durch das Kind (Celle FamRZ 15, 769).

 

Rn 56

Im Falle der Anordnung eines begleiteten Umgangs muss das Gericht sich vor seiner Entscheidung davon überzeugen, dass ein (freiwillig) zur Mitwirkung bereiter Dritter vorhanden ist (Frankf FamRZ 99, 617; 15, 1730 mAnm Luthin; Schlesw FamRZ 15, 1040; Hamm FamRZ 08, 1374; Hambg FamRZ 22, 360: kein Vergütungsanspruch; ebenso BGH FamRZ 19, 199). In erster Linie kommt dafür das Jugendamt oder ein anderer Träger der Jugendhilfe in Betracht, die hierzu zwar öffentlich-rechtlich verpflichtet sind (OVG Münster FamRZ 17, 1935; OVG Saarlouis FamRZ 14, 1862: gem § 18 III 4 SGB VIII; OVG Bremen FamRZ 17, 1936), aber vom FamG nicht angeordnet werden kann (BVerfG FamRZ 15, 1686; BGH FamRZ 21, 1622 mAnm Rake; Kobl FamRZ 18, 593: Sache des Umgangsberechtigten geeignete Person zu stellen; Saarbr FamRZ 15, 344, 346), aber auch Erziehungsberatungsstellen oder ein entspr Verein, vgl IV 4. Daneben können auch der Umgangspfleger (Köln FamRZ 18, 598) sowie Privatpersonen, insb Freunde oder Verwandte, den Umgang begleiten, was jedoch nur sinnvoll ist, wenn die Person von Eltern und Kind akzeptiert wird. Das Gericht muss den begleiteten Umgang präzise und erschöpfend regeln und darf die Regelung nicht in die Hände eines nicht sorgeberechtigten Dritten legen (Saarbr FamRZ 10, 2085, 2086; Köln FamRZ 11, 827; Celle FamRZ 13, 1237; Frankf FamRZ 16, 1787: Gericht muss selbst Begleitperson bestimmen). Gegen den Dritten kann eine gerichtliche Regelung des begleiteten Umgangs nicht vollstreckt werden (BGH FamRZ 21, 1622 mAnm Rake).

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