Rn 7

Das FamG überträgt den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam, wenn und soweit dies dem Kindeswohl nicht widerspricht; eine Teilübertragung ist möglich. Diese nur negative Kindeswohlprüfung bringt die Überzeugung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die gemeinsame elterliche Sorge grds den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen entspricht und ihm verdeutlicht, dass beide Eltern gleichermaßen bereit sind, für das Kind Verantwortung zu tragen (BTDrs 17/11048, 17; BVerfG FamRZ 03, 285; München FamRZ 13, 1747). Es entspreche dem Wohl des Kindes, wenn es erlebe, dass beide Eltern für es Verantwortung trügen und in wichtigen Entscheidungen für sein Leben gleichberechtigt seien. Diese Erfahrung sei aufgrund der Vorbildfunktion der Eltern wichtig und für das Kind und für seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit prägend (BTDrs 17/11048, 17). Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht daher – anders als bei § 1671 I Nr 2, II Nr 2 – ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten der gemeinsamen Sorge, weshalb diese im Zweifelsfall nach erschöpfender Sachaufklärung als Folge der objektiven Feststellungslast auszusprechen ist (BGH FamRZ 16, 1439; Nürnbg FamRZ 14, 571; Celle FamRZ 14, 857; Stuttg 16. FamS FamRZ 14, 1715; Saarbr FamRZ 16, 1858; Brandbg FamRZ 15, 1203, 1205; 1207; 16, 240, 241: keine Beweisregel; ähnlich Naumbg FamRZ 15, 763; aA Stuttg 11. FamS FamRZ 15, 674). Doch erfordert auch die negative Kindeswohlprüfung eine umfassende Abwägung aller für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände nach den Grundsätzen der gemeinsamen elterlichen Sorge gem § 1671 I Nr 2 (BGH FamRZ 16, 1439 mAnm Lack; Stuttg FamRZ 15, 674; Saarbr FamRZ 16, 1858 und Bremen FamRZ 17, 1407 zu Bedeutung Kindeswille; Staud/Coester § 1626a Rz 92).

 

Rn 8

Das gemeinsame Sorgerecht erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Eltern in den wesentlichen Bereichen und ihre Kooperationswilligkeit und -fähigkeit, mithin eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern (BVerfG FamRZ 20, 1559; BGH FamRZ 16, 1439 m Anm Lack; Kobl FamRZ 14, 319; Karlsr FamRZ 14, 490; 15, 2168: Kontroversen über Einzelfragen genügen aber nicht; Kobl FamRZ 14, 1855; Brandbg FamRZ 14, 1856; 15, 859; Naumbg FamRZ 15, 763; KG FamRZ 15, 765, 766; 15, 2069; Hamm FamRZ 16, 1375; Staud/Coester § 1626a Rz 93). Doch widerspricht ihre Übertragung nicht schon deshalb dem Kindeswohl, weil ein Elternteil sie ablehnt. Vielmehr muss dieser Elternteil konkrete Anhaltspunkte dafür dartun, dass die gemeinsame Sorge sich nachteilig auf das Kind auswirken würde (BTDrs 17/11048, 17). Dies ist der Fall, wenn die Kommunikation der Eltern so schwerwiegend und nachhaltig gestört ist, dass ihnen eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich durch die aufgezwungene gemeinsame Sorge erheblich belastet würde (BVerfG FamRZ 20, 1559; BGH FamRZ 16, 1439 m Anm Lack; BTDrs 17/11048, 17; Karlsr FamRZ 20, 1920; Braunschw FamRZ 22, 1782; AG Halle iW FamRZ 14, 2008; vgl KG FamRZ 13, 1409; 14, 1375; 15, 2069). Dabei ist aber stets zu beachten, dass beide Elternteile verpflichtet sind, zum Wohl des Kindes konstruktiv und angemessen miteinander umzugehen und bereits manifeste Kommunikationsschwierigkeiten zu überwinden (Naumbg FamRZ 15, 763; BTDrs 17/11048, 17). Leben die Eltern seit längerer Zeit zusammen, wird dies regelmäßig ein Indiz für eine gelingende Kooperation der Eltern sein und es wird des Vortrags gewichtiger Gründe bedürfen, warum eine gemeinsame Sorgetragung dennoch dem Kindeswohl widerspricht (BTDrs 17/11048, 18). Andererseits steht der gemeinsamen Sorge bereits entgegen, dass sich aus konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten die Möglichkeit der Kindeswohlunvereinbarkeit ergibt (BGH FamRZ 16, 1439).

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