Rn 10

Hat der Unterhaltsgläubiger seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen unterhaltsbezogen leichtfertig (mit-)verursacht (etwa Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, Medikamentenabhängigkeit, Übergewicht (Bambg FamRZ 98, 370; Köln FamRZ 92, 65), kann der Anspruch nach § 1579 verwirkt sein (BGH FamRZ 88, 375). Verwirkung setzt voraus, dass sich der Unterhaltsgläubiger von Vorstellungen und Antrieben hat leiten lassen, die ihn nicht nur in die Krankheit schlechthin geführt haben, sondern die sich darüber hinaus unterhaltsbezogen auf die Herbeiführung seiner Bedürftigkeit als Folge unvernünftigen Verhaltens erstreckt haben (Bambg FamRZ 98, 370). Den Gläubiger trifft bei allen Gesundheitsstörungen die Obliegenheit zur medizinischen Behandlung (BGH FuR 05, 516; Brandbg FamRZ 21, 1024; Hamm FamRZ 12, 1732). Erkennt der Gläubiger seine Krankheit und auch deren Behandlungsbedürftigkeit, unterlässt er jedoch schuldhaft notwendige, weitgehend risikolose und zumutbare Behandlungsmaßnahmen (BGH FamRZ 87, 359), kann sein Unterhaltsanspruch nach § 1579 Nr 4 begrenzt werden (Naumbg FamRZ 07, 472). Für die Frage des Verschuldens kommt es darauf an, ob die Fähigkeit des Gläubigers, entspr seiner Einsicht in die Notwendigkeit einer Therapie zu handeln, wesentlich eingeschränkt war oder ist (BGH FamRZ 81, 1042; Foerste FamRZ 99, 1245), insb wenn er wegen einer Willens-/Charakterschwäche nicht im Stande ist, seiner Erkrankung gegenzusteuern. Liegt ein Verstoß gegen die Obliegenheit vor, die Arbeitskraft durch geeignete Maßnahmen wieder herzustellen, können fiktive Einkünfte zugerechnet werden (Hamm FamRZ 212, 1732). Die Zumutbarkeitsgrenzen für die Behandlung, ggf auch eine Operation, entspr denen im Schadensersatzrecht. Die Behandlung muss relativ gefahrlos, schmerzarm und aussichtsreich sein (BGH VersR 61, 1125 [BGH 24.10.1961 - VI ZR 23/61]). Zur Suchtbehandlung besteht eine Obliegenheit. Für die Dauer einer derartigen Behandlung ist ein Anspruch nach § 1572 gegeben (Hamm FamRZ 89, 631; Ddorf FamRZ 87, 1262). Auch im Anschluss an die Suchtbehandlung kann ein Anspruch nach § 1572 gegeben sein, wenn der Bedürftige zum Einsatzzeitpunkt fähig und in der Lage war, seine Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen und sich allen gebotenen Behandlungsmöglichkeiten – wenn auch erfolglos – unterzogen hat (›unverschuldet fehlgeschlagene Therapie‹, Schlesw OLGR 01, 248).

Kommt krankheitsbedingt ein Rentenanspruch in Betracht, hat der Gläubiger entspr Anträge zu stellen. Soweit ein Vorschuss nicht gefordert werden kann, kann der Schuldner, solange über den Rentenantrag noch nicht entschieden ist, ein zins- und tilgungsfreies Darlehen gegen Abtretung des Anspruchs auf Rentennachzahlung anbieten, falls die Voraussetzungen hierfür vorliegen, verbunden mit dem Verzicht auf Rückzahlung, soweit Rentennachzahlungen fließen (BGH FamRZ 83, 574). Der Gläubiger ist verpflichtet, ein solches Darlehen anzunehmen.

Allein die durch eine nicht ehebedingte, Erkrankung ausgelöste Bedürfnislage des Unterhaltsgläubigers und die daraus für den Schuldner folgende Unterhaltslast rechtfertigen für sich allein keine Begrenzung des Anspruchs wegen Unzumutbarkeit. § 1579 dient weder dazu, den Anwendungsbereich des § 1572 zu verändern, noch den Tatbestand dieser Vorschrift zu umgehen (BGH FamRZ 96, 1272; Hamm FamRZ 06, 707). Wenn aus sonstigen Gründen, den objektiven Gegebenheiten und Entwicklungen der Lebensverhältnisse der Ehegatten die aus der Unterhaltspflicht erwachsene Belastung für den Unterhaltsschuldner die Grenzen des Zumutbaren überschreitet (BGH FamRZ 86, 443), kann (ausnahmsweise) § 1579 Nr 8 eingreifen. Dies ist etwa der Fall, wenn eine den Eheleuten bekannte Erkrankung bereits bei Eingehung einer kurzen Ehe bestand (BGH FamRZ 88, 930) oder sonstige besonders belastende Umstände hinzutreten (Brandbg FamRZ 96, 866). Unterlässt der Gläubiger notwendige und zumutbare therapeutische Maßnahmen zur Herstellung seiner Erwerbsfähigkeit, kann darin ein Verhalten liegen, dass die Härteregelung des § 1579 Nr 4 erfüllt. Die Bedürftigkeit wird mutwillig herbeigeführt, wenn sich der Erkrankte in Kenntnis der Unterhaltsfolgen leichtfertig einer sachgemäßen und zumutbaren Behandlung entzieht (BGH FamRZ 03, 848).

Eine zeitliche Begrenzung nach § 1579 Nr 8 kommt auch in Betracht, wenn die Ehe zwar nicht von kurzer Dauer iSd § 1579 Nr 1 war, die Eheleute tatsächlich aber nur wenige Monate zusammengelebt haben (Hamm FamRZ 87, 1151). Die Befristung orientiert sich nicht nur an ehebedingten Nachteilen, sondern auch an Aspekten der nachehelichen Solidarität, sodass auch bei einer nicht ehebedingten Erkrankung unter diesem Gesichtspunkt und des Vertrauensschutzes ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch in Betracht kommen kann (BGH FamRZ 11, 713). Schließlich kann Unterhalt nach § 1579 Nr 8 ausgeschlossen sein, wenn die Krankheit bereits bei Eheschließung bestand, der Gläubiger jedoch durch die Eheschließung keine Nachteile erlitten hat und der Schuldner durch die Betre...

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