Rn 2

Die Vorschrift greift ein, wenn der Schuldner aus schuldrechtlichem oder dinglichem Anspruch Herausgabe, also Übergabe der Sache an den Gläubiger, schuldet (vgl Köln DGVZ 83, 75). Auf Beseitigung oder Entfernung einer Sache gerichtete Titel werden demgegenüber nach § 887 vollstreckt (LG Stuttgart DGVZ 90, 122). Die Abgrenzung erfolgt durch Auslegung des Vollstreckungstitels (BGH NJW 16, 645 Rz 13) nicht allein nach dem Tenor des Vollstreckungstitels, sondern unter Heranziehung der vom Schuldner zu leistenden Handlung (Köln NJW-RR 88, 1210 [OLG Köln 07.12.1987 - 2 W 175/87]). S als Bsp für die Auslegung der Begriffe ›Lohnsteuerbescheinigungen‹ und ›Sozialversicherungsnachweise‹ LAG BaWü 7.12.17 – 4 Ta 12/17 Rz 13 ff. Dabei kommt es darauf an, dass die Befriedigung des Anspruchs jedenfalls auch die Wegnahme der Sache durch den GV erfordert. Erfasst sind damit solche Fälle, in denen sich der Anspruch auf Einräumung von bloßem Mitbesitz richtet (Braunschw InVo 97, 133). Unerheblich ist, ob dem Gläubiger ein Recht auf endgültigen Verbleib der Sache zusteht oder ob er sie dem Schuldner später wieder zur Vfg stellen muss, weil die Befriedigung des Gläubigers nur den zeitweiligen Gewahrsam der Sache verlangt (Schuschke/Walker/Walker/Koranyi Rz 2). Aus diesem Grund muss auch ein Anspruch auf Einsichtnahme in Urkunden nach § 883 vollstreckt werden, sofern er sich auf die Vorlage der Urkunde beschränkt (Frankf InVo 03, 445 [BGH 28.05.2003 - IXa ZB 51/03]; NJW-RR 02, 824 [LG Erfurt 06.04.2001 - 7 T 123/00]; NJW-RR 92, 171 [OLG Frankfurt am Main 17.07.1991 - 20 W 43/91]; München OLGR 94, 261; KG InVo 98, 108; Frankf MDR 18, 765 [BGH 22.03.2018 - IX ZR 163/17]; Wieczorek/Schütze/Rensen Rz 17; für eine Vollstreckung des Anspruchs auf Akteneinsicht nach § 888 aber BFH BB 01, 83 [BFH 16.05.2000 - VII B 200/98]). So wird etwa der Anspruch der Arbeitgeberin gegen den Betriebsrat auf Einsichtnahme in Wahlunterlagen einer Betriebsratswahl nach § 883 vollstreckt (LAG Düsseldorf 29.7.20 – 12 TaBVGa 4/20 Rz 39). Demgegenüber kommt eine Vollstreckung nach § 888 in Betracht, wenn die Vorlagepflicht sich nur als Nebenpflicht zu einer umfassenden Auskunftspflicht darstellt (Karlsr InVo 00, 398 [OLG Karlsruhe 29.11.1999 - 20 WF 102/99]). Die Abgrenzung erfolgt durch Auslegung (vgl Frankf MDR 02, 478 [OLG Frankfurt am Main 28.01.2002 - 5 W 2/02]). Die Verpflichtung zum Versand und Verbringen einer Sache hindert nicht die Herausgabevollstreckung nach § 883, weil ihr ggü der Herausgabepflicht keine erhebliche eigenständige Bedeutung zukommt (BGH NJW 16, 645 [BGH 07.01.2016 - I ZB 110/14] Rz 18 ff).

 

Rn 3

Welche Besitzart des Gläubigers nach Herausgabe begründet werden soll oder ob Herausgabe zur Hinterlegung an eine Behörde oder einen sonstigen Dritten geschuldet wird, ist für die Anwendbarkeit von § 883 deshalb gleichgültig, weil sich der Anspruch in allen Fällen nur mittels Wegnahme beim Schuldner verwirklichen lässt.

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