Rn 5

Der Verlust der Prozessfähigkeit der Partei hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der vor dem Verlust bereits erteilten Prozessvollmacht, auch wenn dieser Verlust schon vor Rechtshängigkeit eingetreten ist (BGH NJW 93, 1654 [BGH 08.02.1993 - II ZR 62/92]; BAG NZA 03, 1049, 1051 [BAG 04.06.2003 - 10 AZR 448/02]; BFH NJW-RR 01, 244 [BFH 27.04.2000 - I R 65/98]; Urt v 25.4.06 – VIII R 102/03 [NV]). Dies gilt auch für den Verlust der Befugnis zur gesetzlichen Vertretung (München Beschl v 12.10.20 – 20 U 358/20 Rz 13 für die Betreuung). Die Prozessvollmacht erlischt mit Eintritt der Prozessunfähigkeit des Anwalts (St/J/Jacoby § 86 Rz 6; Zö/Althammer § 86 Rz 5; Musielak/Voit/Weth § 86 Rz 7). Im Anwaltsprozess führt dies zur Unterbrechung (§ 244). Ob der Verlust der Postulationsfähigkeit Auswirkungen auf die Vollmacht hat, weil eine Prozessvollmacht auch einem für den konkreten Rechtsstreit nicht postulationsfähigen Anwalt erteilt werden kann, und ob deshalb der Verlust der Anwaltszulassung nicht automatisch zum Erlöschen der Vollmacht führt, ist streitig (offen mit einer Tendenz zum Erlöschen der Vollmacht in einem solchen Fall BGH NJW 06, 2260, 2261 [BGH 26.01.2006 - III ZB 63/05]; NJW-RR 08, 1290 [BGH 22.04.2008 - X ZB 18/07]; für den Fortbestand VGHBW NVwZ-RR 02, 469 [VGH Baden-Württemberg 21.09.2001 - 5 S 2102/01]; St/J/Jacoby § 86 Rz 10 und § 80 Rz 10; Musielak/Voit/Weth § 86 Rz 7; MüKoZPO/Toussaint § 86 Rz 15; dagegen München NJW-RR 89, 255 [OLG München 08.11.1988 - 18 U 3469/88]; Zö/Althammer § 86 Rz 5; Anders/Gehle/Weber ZPO § 86 Rz 6; Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann § 86 Rz 7). Praktische Bedeutung kommt diesem Streit im Anwaltsprozess kaum zu, weil mit Bestandskraft des Erlöschens der Zulassung (§ 13 BRAO) oder der Rücknahme bzw. des Widerrufs (§ 14 BRAO) eine Tätigkeit als Rechtsanwalt (§ 12 IV BRAO) ausscheidet, so dass eine (weitere) Vertretung im Prozess nicht möglich und dieser nach § 244 unterbrochen ist. Im Parteiprozess ist die Zulässigkeit einer weiteren Tätigkeit als Bevollmächtigter nach § 79 II 2 zu beurteilen. Der (sofort vollziehbare) Widerruf der Zulassung ändert an der Postulationsfähigkeit auch bei einer bewussten Missachtung des Verbots nichts, weil die Zulassung erst mit Bestandskraft erlischt (§ 13 BRAO), sofern nicht zuvor eine Zurückweisung nach § 156 II BRAO erfolgt ist (BGH NJW 12, 2592 [BGH 24.04.2012 - VIII ZB 111/11]). Nach Eintritt der Bestandskraft (§ 13 BRAO) gelten die Regeln der §§ 14, 155 V 1, 156 II BRAO nicht mehr (BGH NJW 12, 628 [OLG Stuttgart 22.11.2011 - 10 W 47/11]).

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