Rn 28

Als Auffangbestimmung besitzt § 850i I 1 Alt 2 einen umfassenden Anwendungsbereich, der eine Demarkation ggü anderen Pfändungsschutzbestimmungen erfordert. Hierbei ist im Einzelfall abzugrenzen, ob es sich bei diesen Vorschriften im Verhältnis zu § 850i um abschließende Sonderregelungen handelt oder ob sie einen ergänzenden Pfändungsschutz für bestimmte Einkünfte gewähren (BGH NZI 14, 772 Rz 15). Eindeutig abzugrenzen sind Forderungen auf wiederkehrende Vergütungen für Arbeitsleistungen, die den §§ 850 ff unterliegen. Bei § 851a ist zu differenzieren (HK-ZV/Meller-Hannich § 850i Rz 9). Pfändungsschutz für den Unterhalt des Schuldners und seiner Familie ist nach der weitergehenden Regelung des § 850i zu gewähren. Es ist nicht gerechtfertigt, den Landwirt ggü allen anderen Selbständigen zu benachteiligen, zumal § 851a seinen Schutz verbessern soll. Pfändungsschutz für die Leistungen an die ArbN sowie zur Aufrechterhaltung einer geordneten Wirtschaftsführung ist allein nach § 851a zu erreichen. Dies gilt auch für das Unterbleiben der Zwangsvollstreckung. Der Pfändungsschutz aus § 850i tritt neben den des § 851b. Da § 851b die Unterhaltung des Grundstücks, nicht aber den Unterhalt des Schuldners sichert, liegen zwei unterschiedliche Zielsetzungen vor. § 850i wird deswegen nicht verdrängt. Dies folgt aus der unterschiedlichen Teleologie und den abweichenden Rechtsfolgen (Schutz des eigenen Lebensunterhalts bzw Unterhaltung des Grundstücks). Der Schuldner kann sich sowohl darauf berufen, dass die Einkünfte für das Grundstück unentbehrlich sind, als auch darauf, dass ihm so viel verbleiben muss, wie ihm bei der Pfändung fortlaufender Einkünfte aus Arbeitseinkommen verbliebe (BGH NZI 14, 772 [BGH 26.06.2014 - IX ZB 88/13] Rz 16; Kohte VuR 14, 367, 369; aA Goebel Rz 218 ff). Vorrangig sind die spezialgesetzlichen Regelungen der §§ 851c, 851d, soweit es um den automatischen Pfändungsschutz für laufende Zahlungen und den Schutz des Vorsorgekapitals geht (HK-ZV/Meller-Hannich § 850i Rz 11). Der Schutz von Einmalleistungen aus Kapitallebensversicherungen nach § 850i wird dadurch nicht ausgeschlossen, weil er beantragt werden muss und auf einen zeitlich begrenzten Referenzzeitraum abstellt. Sind nur einzelne, aber nicht sämtliche Voraussetzungen von § 851c erfüllt, besteht keine Sperrwirkung ggü § 850i (BGH NZI 21, 923 [BGH 29.04.2021 - IX ZB 25/20]). Regelmäßig wird deswegen nicht die gesamte Leistung pfändungsfrei. Auch sonstige Versicherungsleistungen, die der Schuldner als Versicherungsnehmer erhält, unterliegen grds § 850i. Erfasst wird auch der Anspruch auf den Rückkaufswert aus einer selbst erwirtschafteten Versicherung (LG Dortmund NZI 21, 687; aA Braunschw ZInsO 19, 2527, 2531; Stöber NJW 07, 1242, 1243). § 811 I Nr 8 stellt bei Personen, die wiederkehrende Einkünfte nach den §§ 850–850b beziehen, einen Geldbetrag pfändungsfrei, der dem unpfändbaren Betrag von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht. Vereinzelt wird eine Anwendung auf § 850i I ausgeschlossen (Zö/Herget § 811 Rz 32). Zumindest in dem Umfang, in dem die Einkünfte nach § 850i I den existenziellen Bedarf sichern, muss in verfassungskonformer Auslegung Bargeld nach Maßgabe von § 811 I Nr 8 unpfändbar sein. Im Übrigen ist Bargeld unpfändbar, soweit es als Wechselgeld in der Kasse erforderlich ist (§ 811 Rn 34).

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